Mögliches Ende der Dollar-Dominanz: „Der Dollar wird nicht in Würde altern“
Dass es eine Art „Dollar-Dämmerung“ geben kann, wurde Anfang Mai deutlich. Der brasilianische Präsident Lula da Silva besuchte China. Die Botschaft der Reise wurde damals schnell deutlich: Brasilien und China beabsichtigen, ihre wirtschaftlichen Beziehungen auszubauen. „Ich bin bereit, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, um strategisch eine neue Ära und Zukunft für die Beziehungen zwischen China und Brasilien zu eröffnen“, sagte der chinesische Präsident Xi Jinping laut dem chinesischen Staatssender CCTV bei einem Treffen mit seinem brasilianischen Amtskollegen in Peking.
Brasilianischer Präsident greift Dollar an
Lula selbst sagte, dass seine Reise nach China die Erste seit seinem Amtsantritt außerhalb Amerikas sei. Das spiegele die „besondere Bedeutung“ der Beziehungen beider Staaten wider. „Niemand wird Brasilien daran hindern, seine Beziehungen zu China zu verbessern“, sagte Lula.
Nach Angaben des chinesischen Außenministeriums schlossen Brasilien und China 15 Abkommen in den Bereichen Handel, Finanzen, Raumfahrt und Wissenschaft. Laut brasilianischen Medien geht es um Investitionen in Höhe von umgerechnet knapp zehn Milliarden Euro.
In der Finanzmetropole Shanghai wurde Lula da Silva in Richtung US-Dollar dann deutlich: „Warum können wir nicht in unserer eigenen Währung handeln?“, fragte er. „Wer hat entschieden, dass es der Dollar ist? Wir benötigen eine Währung, die die Länder in eine etwas ruhigere Situation bringt, denn heute muss ein Land dem Dollar hinterherlaufen, um zu exportieren.“
Schon Ende März einigten sich China und Brasilien darauf, den direkten Handel in ihren eigenen Landeswährungen zu stärken, um ihre Abhängigkeit vom US-Dollar zu verringern. Seit 2009 ist China der größte Handelspartner Brasiliens und einer der bedeutendsten Investoren in dem größten Land Lateinamerikas.
Angriff auf Dollar verfolgt geopolitische Ziele
Was Lula in China gesagt hat, mag auf den ersten Blick wie eine Randnotiz klingen. Das „Handelsblatt“ wies aber berechtigterweise darauf hin, dass hinter den Worten Lulas ein geopolitisches Ziel stehe: Lula will aus der unipolaren – von den USA beherrschten Welt des 20. Jahrhunderts – eine multipolare Welt des 21. Jahrhunderts machen.
Ein entscheidendes Instrument in diesem Kampf um die Weltordnung der Zukunft ist der Dollar, betont das „Handelsblatt“ weiter. Die USA und ihre Verbündeten verteidigen die Rolle des US-Dollars als Weltreservewährung, während China und seine Verbündeten ihn angreifen, auch um ihre geopolitischen Ziele zu verfolgen.
Der Dollar wird nicht in Würde altern
Gerade erst gab der US-Ökonom Nouriel Roubini dem „Handelsblatt“ ein Interview, in dem er für den Dollar das Ende der Dominanz vorhersagte. Der 64-jährige Professor an der „Stern School of Business“ in den USA gilt bei vielen Kollegen als Berufspessimist. Sie nennen ihn gelegentlich „Mr. Doom“. Trotzdem findet seine Stimme weltweit große Beachtung. Roubini sagte nicht nur das Platzen der US-Immobilienblase 2008 und die folgende Finanzkrise voraus. Er prophezeite auch korrekt den wirtschaftlichen Absturz infolge der Corona-Pandemie.
Weltweit seien die Dollar-Gegner nie stärker gewesen als heute. Niemals hatte der Versuch, zumindest mehrere parallele Leitwährungen neben dem Dollar durchzusetzen, mehr Erfolg.
„Der Dollar wird an Bedeutung als Reservewährung verlieren, und zwar umso schneller, je weiter der Kalte Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und China eskaliert“, sagt Nouriel Roubini im Interview. Der Dollar werde nicht in Würde altern, prophezeit er.
USA so stark auf ausländisches Kapital angewiesen wie noch nie
Die zunehmende Skepsis gegenüber dem Dollar hat zwei Hauptgründe. Erstens das wachsende Doppeldefizit der USA. Von solch einem Defizit spricht man, wenn ein Staat sowohl ein Haushaltsdefizit als auch Leistungsdefizit aufweist. Die Staatsverschuldung in den USA hat mittlerweile über 31 Billionen Dollar erreicht, was mehr als 120 Prozent der Wirtschaftsleistung entspricht.
Zweitens erreichen die laufenden Haushaltsdefizite besorgniserregende Ausmaße. Im Jahr 2020 lag es bei 14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), ein Jahr später 11,6 Prozent und für das laufende Jahr wird ein immer noch beachtlicher Wert von 6,3 Prozent erwartet.
Noch bedrohlicher dürfte aber das Leistungsbilanzdefizit der USA, also der Saldo von Ein- und Ausfuhren sein. Das erreichte im vergangenen Jahr mit 925 Milliarden US-Dollar einen Rekordstand. Wollen die USA wirtschaftlich überleben, dann sind sie so stark wie nie zuvor auf ausländisches Kapital angewiesen.
„Schon heute sind die USA weltweit der größte Schuldner. Ihre Auslandsverpflichtungen belaufen sich auf 13 Billionen US-Dollar, was mehr als der Hälfte des jährlichen Bruttoinlandsprodukts entspricht“, mahnt Roubini und er prophezeit: „Es wird der Zeitpunkt kommen, an dem sich die ausländischen Gläubiger weigern, die größte Volkswirtschaft zu extrem günstigen Zinsen zu alimentieren.“
Es besteht die Möglichkeit, dass dieser Zeitpunkt gekommen ist, wenn die Welt aufgrund des Haushaltsstreits erkennt, dass es nicht selbstverständlich ist, dass die USA ihre Schulden immer begleichen werden.
Dollar immer stärker als geopolitisches Instrument eingesetzt
Ein weiterer Grund für die wachsende Skepsis gegenüber dem Dollar ist die Tatsache, dass die USA ihre Währung zunehmend als geopolitisches Instrument durch ihre Sanktionspolitik einsetzen. Gerade die letzten Sanktionen gegen den Iran und Russland haben China und seine Verbündeten darin bestärkt, sich vom Dollar unabhängig zu machen.
Länder wie Russland und Iran rechnen ihren Handel bereits in Landeswährungen ab und auch digitale Zahlungstechnologien könnten den Weg für eine Dollar-unabhängige Weltwirtschaftsordnung ebnen. Gold wird ebenfalls als Alternative zum Dollar genutzt und viele Zentralbanken haben ihre Goldvorräte zuletzt aufgestockt.
Um den Dollar abzulösen, müsste China noch viel Vorarbeit leisten
Um die USA als gleichwertiges Leitwährungsland abzulösen, müsste China eine ganze Liste abarbeiten: Kapitalverkehrskontrollen zumindest lockern, eine unabhängige Zentralbank einsetzen, die trägen staatlichen Großbanken reformieren, ein Mindestmaß an Rechtssicherheit gewährleisten und auch ein Leistungsbilanzdefizit zulassen, damit Auslandsinvestoren signifikante Summen in Yuan anlegen können.
Wenn das Regime in Peking all diese Reformen umsetzt, wäre China den westlichen Systemen allerdings sehr viel ähnlicher, als es den Kadern im Politbüro lieb sein dürfte.
Roubini betont im Interview mit dem „Handelsblatt“ allerdings auch, dass eine vollständige Wechselkursflexibilität und internationale Kapitalmobilität nicht unbedingt erforderlich sei, damit eine Währung den Status einer Reservewährung erreicht.
Nächstes Jahr könnte Bedeutungsverlust des Dollars beschleunigen
Die Sanktionspolitik der USA, Zweifel an der Nachhaltigkeit des amerikanischen Finanzsystems und politische Risiken im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2024 könnten jedoch den Bedeutungsverlust des Dollars beschleunigen. Der in regelmäßigen Abständen immer wiederkehrende Haushaltsstreit um das Schuldenlimit und die Spekulationen über einen möglichen Zahlungsausfall der USA schwächen das Vertrauen in den Dollar.
Sollte der Anteil der USA an der Weltwirtschaft weiter abnehmen, könnte der US-Dollar an Gewicht verlieren und ein multipolares Währungssystem wäre möglich, aber wahrscheinlich weniger stabil als ein dollarbasiertes System.
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