Modebranche bangt wegen politischen Unruhen in Bangladesch

Bangladesch ist eines der wichtigsten Textil-Lieferländer für den europäischen Markt. Die politischen Unruhen in dem südasiatischen Land könnten sich für Händler und Hersteller negativ auswirken.
Titelbild
Frauen in einer Bekleidungsfabrik in Savar am Stadtrand von Dhaka im Jahr 2023.Foto: Munir uz Zaman/AFP via Getty Images
Epoch Times9. August 2024

Nach den Protesten in Bangladesch beobachtet der Handel in Deutschland aufmerksam die Lage in Fernost. Derzeit gibt es eine Übergangsregierung, nachdem bei Protesten und Zusammenstößen mit Polizei und Militär mehr als 400 Menschen ums Leben kamen

Bangladesch ist nach China das wichtigste Importland für Bekleidung für die Modebranche in Deutschland. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden 2023 Waren im Wert von insgesamt 7,1 Milliarden Euro nach Deutschland eingeführt. Was für Folgen hat die Krise in Bangladesch für Modehersteller und -händler?

Handel rechnet mit Auswirkungen

Der Handelsverband Deutschland (HDE) erwartet spürbare Auswirkungen und womöglich sogar steigende Preise für Konsumenten.

„Als wichtiger Produktionsstandort für die globale Modeindustrie können kurzfristige Fabrikschließungen und Produktionsunterbrechungen zu Engpässen führen“, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Für die Verbraucher könnte dies zu höheren Preisen und einer geringeren Verfügbarkeit von Modeartikeln führen.

Von der bangladeschischen Handelskammer heißt es, es habe zuletzt Plünderungen, Zerstörungen und Brandanschläge auf etliche Textilfabriken gegeben. Viele Betriebe seien die letzten paar Tage geschlossen geblieben – aus Angst vor neuen Angriffen angesichts der Abwesenheit von Ordnungskräften, wie der Präsident der Deutsch-Bangladeschischen Handelskammer, M Maksud, berichtet.

Er befürchtet, dass ausländische Kunden möglicherweise weniger Aufträge nach Bangladesch vergeben könnten, wenn sich die Lage nicht beruhigt. Viele Fabrikbesitzer hoffen, dass mit der Übergangsregierung unter dem am Donnerstag vereidigten Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus schnell Normalität zurückkehrt.

Auslöser der Proteste war das Vergabesystem für Stellen im öffentlichen Dienst, das sogenannte Quotensystem. Darüber wurden mehr als die Hälfte der Stellen im öffentlichen Dienst für bestimmte Gruppen reserviert. 30 Prozent der Stellen waren speziell für Nachkommen von Soldaten vorgesehen, die 1971 im Unabhängigkeitskrieg gekämpft hatten. Studenten und Demonstranten forderten ein leistungsbasiertes System anstelle der Quoten. Später wurde des System teilweise zurückgenommen, doch die Proteste gingen weiter.

Kik: „Wir beobachten die Lage in Bangladesch sehr genau“

Der Geschäftsführer des Handelsverbandes Textil Schuhe Lederwaren (BTE), Axel Augustin, meint: Sollte es zu längeren Produktionseinschränkungen kommen, seien Probleme bei einzelnen Marken und Händlern nicht auszuschließen.

„Ich bezweifle allerdings, dass die Kunden das dann überhaupt bemerken, da gerade zu Saisonbeginn die Lager voll sind.“ Bei passenden Temperaturen könne gegebenenfalls auch noch Sommerware angeboten werden.

Regierungskritische Demonstranten stürmten am 5. August 2024 den Palast von Premierministerin Sheikh Hasina in Dhaka. Der Armeechef von Bangladesch, Waker-Uz-Zaman, der fast vier Jahrzehnte lang an der Spitze des Militärs stand, sagte am 5. August, er übernehme „die volle Verantwortung“, nachdem Premierministerin Sheikh Hasina gestürzt wurde und geflohen war. Foto: K M Asad/AFP via Getty Images

Der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie verzeichnet aktuell keine spürbaren Auffälligkeiten, die aus der Situation in Bangladesch resultieren. Bisher habe man keinerlei Rückmeldungen über Störungen der Lieferketten, sagte eine Sprecherin. Der Verband vertritt hauptsächlich mittelständische Textil- und Modeproduzenten.

Viele große Unternehmen wie Zara, Hennes & Mauritz (H&M) und Kik lassen in erheblichem Umfang Kleidungsstücke in Bangladesch produzieren.

Ein Sprecher des Textildiscounters Kik sagte auf Nachfrage: „Wir beobachten die Lage in Bangladesch sehr genau.“ Die oberste Priorität gelte in dieser angespannten Situation dem Wohl der Menschen vor Ort. Von Lieferanten in Bangladesch höre man, dass sich die Lage beruhigt habe und der Betrieb in den Fabriken wieder aufgenommen worden sei.

Das Lieferantennetzwerk von Kik umfasst in Bangladesch nach Unternehmensangaben rund 100 Textilfabriken. Im Falle von Lieferausfällen werden man schnelle und unkomplizierte Lösungen finden, hieß es. Warenbestellungen würden demnach langfristig geplant, deshalb könnten Kunden sich darauf verlassen, das volle Sortiment in den Filialen vorzufinden.

Die schwedische Modekette H&M teilte mit: „Nach neuesten Informationen werden die meisten Fabriken allmählich wieder geöffnet. Sicherheit hat weiterhin Priorität.“

Bangladesch: 80 Prozent des Exports sind Kleidung

Bangladesch gehört seit Jahren zu den wichtigsten Lieferländern von Bekleidung, zuletzt wurde das Land für die Modewelt und den Handel in Deutschland jedoch immer bedeutender, wie aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. Der Anteil Bangladeschs an den Importen stieg von 12 Prozent im Jahr 2013 auf zuletzt mehr als 20.

In dem südasiatischen Land gibt es knapp 4.000 Textilfabriken, die mehr als vier Millionen vorwiegend Frauen beschäftigen. Das geht aus Zahlen der Vereinigung der Bekleidungshersteller und -exporteure in Bangladesch hervor.

Pro Jahr erwirtschafte der Sektor demnach mehr als 46 Milliarden Dollar, das sind mehr als 80 Prozent des gesamten Exportvolumens des Landes. Die meisten Textilien werden in die USA und nach Europa geliefert.

Menschen versammeln sich, um den Sturz von Bangladeschs Premierministerin Sheikh Hasina zu feiern. Bangladesch, 5. August 2024. Foto: Anik Rahman/Middle East Images/AFP via Getty Images

Hugo Boss und Intersport wollen raus aus Asien

Was macht die hiesige Modebranche, um die Abhängigkeit von einzelnen Standorten in Krisensituationen abzufedern? Um das Risiko von Lieferengpässen zu minimieren, haben sich Handel und Hersteller bei der Produktion nach eigenen Angaben immer stärker diversifiziert und auf mehrere verschiedene Lieferländer verteilt. Ziel sei es, die Versorgung sicherzustellen.

Mehrere Händler kündigten kürzlich an, ihre Produktion aus Asien weg verlagern zu wollen. Der Modekonzern Hugo Boss will wieder mehr in Europa und Amerika produzieren lassen. Das Verschicken der Ware von einem Kontinent zum anderen sei nicht mehr zeitgemäß, hieß es. Ein weiteres Motiv seien die geopolitischen Spannungen und als Folge daraus der Versuch, Abhängigkeiten zu verhindern.

Auch der Sportartikel-Händlerverbund Intersport will seine Eigenmarken weniger in Fernost produzieren lassen, sondern vermehrt in Europa und auch in Nordafrika. Begründet wurde dies mit schnelleren Lieferungen und einer größeren Unabhängigkeit von Asien. Zudem wolle man die Produktion in Europa unterstützen.  (dpa/red)



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