Corona-Konjunkturpaket: Mittelstand ernüchtert über Mehrwertsteuersenkung
Knapp einen Monat nach Inkrafttreten der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung fällt eine erste Bilanz ernüchternd aus. „Die temporäre Mehrwertsteuersenkung gehört in die Kategorie: gut gedacht, schlecht gemacht“, sagte Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagausgaben). Ohoven kritisierte, die Firmen hätten kaum Vorlaufzeit gehabt, um sich auf die Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes ab dem 1. Juli vorzubereiten.
Maßgebliche Anwendungsschreiben des Bundesministeriums der Finanzen seien erst wenige Tage vor Inkrafttreten des Gesetzes veröffentlicht worden. Teilweise würden noch bis heute Rechnungen mit den alten Mehrwertsteuersätzen erstellt. „Die Folgen sind fatal, weil die Unternehmen dem Fiskus eine zu hoch ausgewiesene Mehrwertsteuer schulden“, so Ohoven. Der Verbandspräsident forderte, dass die reduzierten Mehrwertsteuersätze über den Jahreswechsel hinaus gültig bleiben: „Perspektivisch streben wir einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz von 15 Prozent an.“
Für Firmen, die es nur mit Geschäftskunden zu tun haben, bedeutet die Steuersenkung dem Mittelstandspräsidenten zufolge „nur höhere bürokratische Belastungen und keinerlei Nachfrageeffekt“. Für sie spielt die Steuer als durchlaufender Posten faktisch keine Rolle. Besonders kompliziert werde es etwa bei der Abrechnung von Teilleistungen von Handwerkern. „Die Abgrenzung ist oft schwierig. Bei gleichbleibendem Steuersatz ist das kein Problem, aber bei einer Mehrwertsteuersatz-Senkung nur für sechs Monate eine echte Herausforderung – mit zum Teil gravierenden Folgen“, sagte Ohoven den Funke-Zeitungen.
Bei Gas, Wasser und Strom gelte der bei der Ablesung gültige Steuersatz für den gesamten Zeitraum. Deutschlands oberster Verbraucherschützer Klaus Müller sagte den Funke-Zeitungen, die Steuersenkung sei für Verbraucher im Alltag schlicht „undurchsichtig“, da sich die Händler sehr unterschiedlich verhielten. Lebensmittelhändler geben sie weiter, mal am Regal oder erst an der Kasse, im Onlinehandel seien vor der Senkung Preissteigerungen zu beobachten gewesen.
„Es ist für Kunden schwer einzuschätzen, was bloßes Marketing ist und ob sie am Ende des Monats nun wirklich mehr in der Tasche haben“, sagte der Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). Wie die Preise zustande kommen, sei oft nicht zu durchschauen. „Verbraucher sind dadurch auf den guten Willen der Unternehmen angewiesen.“ Nicht immer komme die Steuersenkung bei Verbrauchern an. „Es gibt Verbraucher, die Verständnis haben, wenn der Wirt oder Modehändler um die Ecke nach der harten Lockdown-Zeit das zusätzliche Geld für sich behält. Das ändert nichts daran, dass die Maßnahme keine Konjunkturhilfe für Unternehmen, sondern eine für Verbraucher sein sollte.“ (dts)
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