Miscanthus: Mehr als nur eine Energiepflanze

Heizen mit Gras: Miscanthus ist ein alternativer Brennstoff für Hackschnitzel-Heizungen. Zudem punktet es am Bau und in der Papierindustrie. Warum wird es nicht häufiger verwendet?
Miscanthus: Mehr als nur eine Energiepflanze
Miscanthus x giganteus – Elefantengras ist eine grüne Energiequelle.Foto: iStock
Von 28. September 2022

Bis vier Meter hoch, viel Biomasse und als Brennstoff in Deutschland noch wenig genutzt: Miscanthus mausert sich von einer Zierpflanze zur Nutzpflanze.

Die Artengruppe Miscanthus wird auch Chinaschilf genannt, stammt ursprünglich aus Japan und kam über Dänemark nach Europa. Pro Hektar kann die schnellwüchsige Art der Pflanze nicht nur 15 bis 20 Tonnen Trockenmasse produzieren und als Brennstoff rund 3.000 bis 7.000 Liter Heizöl ersetzen – sondern ist auch als Rohstoff für die Bauindustrie oder im Gartenbau interessant.

Zunächst zur Energieerzeugung: Für einen 2-Personen-Haushalt wird durchschnittlich von 1.520 Liter Heizöl pro Jahr ausgegangen, ein 4-Personen-Haushalt braucht rund 1.680 Liter. Wer vor der Entscheidung steht, seine Heizung oder seinen Heizkessel zu erneuern, könnte im ländlichen Bereich das hochwachsende Gras in Erwägung ziehen.

Aktuell wird Miscanthus x giganteus in Deutschland auf schätzungsweise 7.000 Hektar angebaut und ist als Greening-Kultur EU-weit gelistet. Damit erhalten die Landwirte beim Anbau eine entsprechende Prämie.

Fast die Hälfte des Brennwertes von Erdgas

Miscanthus wird zwischen März und April gepflanzt, indem Rhizome (Wurzelstücke) wie Kartoffeln in den Boden gelegt werden. Zwei Jahre später kann das erste Mal geerntet werden – und anschließend noch bis zu 20 weitere Jahre. Besondere Anforderungen an den Standort, Wärme oder Niederschlag stellt die horstbildende Pflanze nicht. Sie wuchert nicht unkontrolliert wie Bambus, sondern ist standorttreu und ist sehr widerstandsfähig gegen Schädlinge. Pflegeaufwand entsteht nur geringfügig in den ersten beiden Jahren. Miscanthus gedeiht auf vielen Böden, günstig sind die, auf denen auch Mais wachsen würde.

Das hohe Gras bleibt über den Winter auf dem Feld stehen und trocknet ab. Es bietet vielen nützlichen Insekten und Kleintieren einen Rückzugsraum in einer im Winter eher wenig bewachsenen Kulturlandschaft. Wenn im April mit einem normalen Feldhäcksler (wie für Mais) geerntet wird, beträgt die Feuchtigkeit unter 15 Prozent, was eine Nachtrocknung erspart. Schon im April ist damit das Heizmaterial für den kommenden Winter gesichert – vorausgesetzt, man hat eine genügend große Scheune zum Lagern oder ein gut abgedecktes Feldlager.

Während der Ernte auf einem der Miscanthus-Felder in Deutschland.
Foto: Georg Völkering (Universität Bonn)

Die Rhizome, die im Boden bleiben, treiben neu aus. Das Erntegut kann als Häckselgut im Hackschnitzelverfahren verfeuert werden, bei einer Pressung zu Pellets oder Brikett würde noch mal Energie verbraucht. Der Heizwert von Miscanthus liegt bei 19,1 Megajoule pro Kilogramm. Zum Vergleich: Heizöl hat einen Heizwert von 42,6 MJ/kg, Erdgas liegt bei 42 MJ/kg, trockenes Holz bei 8-16, Braunkohlebriketts bei 8-15 MJ/kg.

Im Bundesimmissionsschutzgesetz § 3 ist Miscanthus als Brennstoff der Gruppe 8 zugelassen und kann in Hackgutkesseln und Pelletöfen eingesetzt werden, in Kamin- oder Kachelöfen nicht. In herkömmlichen Kesseln kann es bis zu einer Menge von 30 bis 50 Prozent problemlos mitverfeuert werden.

Die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen erklärt auf Anfrage der Epoch Times, dass Miscanthus in der Tat ein günstiger Brennstoff ist. Prädestiniert sei die Pflanze für größere Biomassefeuerungsanlagen in der Nähe des Anbauortes, da der Transport größerer Mengen aufgrund des geringen Schüttgewichtes eher umständlich ist.

Wenn die Nachfrage steige, würden Landwirte in der Region auch verstärkt diese Kulturen anbauen. Damit das Gras großflächiger eingesetzt werden kann, „würde es zum Beispiel helfen, Miscanthus als Regelbrennstoff in Heizungen zuzulassen“, schreibt die Landwirtschaftskammer. „Auch Förderungen der Kohlenstoffspeicherung in Böden würde den Anbau von Miscanthus begünstigen.“

Um die Vorgaben der aktuellen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) einzuhalten und EU-Prämien zu erhalten, seien Landwirte verpflichtet, „mindestens 5 Prozent ihrer Ackerflächen als Ökologische Vorrangflächen bereitzustellen. Das können sie zum Beispiel durch den Anbau von Miscathus tun.“

Mehrfachnutzung der Pflanze

Seit den 90er-Jahren forscht das Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz (INRES) der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn auch an Miscanthus. Das Team um Professor Dr. Ralf Pude verheizt in seiner Biomasseheizung ebenfalls Miscanthus, verwendete es als „natürliches Polystyrol“ im Unterputz für die Wand eines 15 bis 16 Meter langen Kühlhauses und plädiert für eine Kaskadennutzung der vielseitigen Pflanze.

„Kaskadennutzung bedeutet Mehrfachnutzung“, sagte Versuchstechniker Georg Völkering im Gespräch mit der Epoch Times, der dem Team angehört. „Nach der Ernte kann Miscanthus zunächst im Gartenbau eingesetzt werden. Beispielsweise als Substrat im Tomaten- und Gurkenanbau, der bisher auf Steinwollmatten oder Kokosgemisch geschieht.“ Es biete sich auch als Einstreu an. „Anschließend kann es immer noch verbrannt werden“. Selbst die Asche kann als Dünger wieder aufs Feld.

Warum wird das Gras kaum genutzt?

Gesetzliche oder rechtliche Hürden für den Anbau gibt es nicht. Die Pflanze sei mittlerweile gut erforscht, was fehle, seien Industriepartner und Marketingexperten, die den Ball mit ins Rollen bringen. „Die Hälfte der Landwirte würde Miscanthus x giganteus anbauen, wenn sie einen geregelten Absatz hätten“, schätzt Völkering. Zumal Miscanthus neben der Wärmeerzeugung und anderem auch für die Papier- und Verpackungsindustrie passt, vor allem bei Kartonagen.

Einerseits seien Beimengungen von bis zu 50 Prozent zum frischen Zellstoff ohne weiteres heute schon möglich. Andererseits würden große Mengen Miscanthus benötigt – und die Landwirte würden es erst anbauen, wenn die Industrie es auch abnimmt. Diese zeigte sich allerdings bisher nicht unbedingt interessiert.

2018 stellten die Forscher Miscanthus und seine vielfältigen Arten der Nutzung in der Villa Hammerschmidt dem Bundespräsidenten vor, auch Olaf Scholz besuchte (in seiner Zeit als OB von Hamburg) den Hof des Forschungsbereiches Nachwachsende Rohstoffe. Völkering: „Sie fanden es toll, und auch alle anderen Politiker, die da waren. Aber passiert ist anschließend nichts.“

Alle Initiativen bisher brachten die Landwirte selbst in Gang. Laut verschiedenen Ansprechpartnern scheiterte eine umfassende Verbreitung von Miscanthus bislang an der starken Lobby der Saatgut-, Dünge- und Pflanzenschutzmittelindustrie. Die Staude wird einmal gepflanzt, der Landwirt kann alle paar Jahre sein eigenes Saatgut entnehmen (Rhizome) und muss lediglich einmal im Jahr aufs Feld, um zu ernten. Für den Landwirt sei sie eine sehr bequeme Pflanze mit vielen Vorteilen, doch groß verdienen könnte die Industrie daran nicht, erfuhr Epoch Times unter vier Ohren.

Hochwasserschutz und CO₂-Speicher

Im gewissen Sinn kann Miscanthus sogar zum Hochwasserschutz beitragen. Da die Pflanze auch im Boden viel organisches Material aufbaut, kann mehr Wasser gespeichert und aufgenommen werden.

Das Team um Professor Dr. Ralf Pude vom INRES betreibt in der Region Bonn Forschungsflächen, die von den Überflutungen im Juli 2021 betroffen waren. Die Forscher beobachteten auch, dass ein Streifen Miscanthus bei punktuellen Starkniederschlägen das Wasser sehr stark aufnahm und erst über eine längere Zeit verzögert abgab. Häuser, die unterhalb des Miscanthus-Feldes standen, hatten keine Schwierigkeiten, während durch die Maisfelder daneben das Wasser den Hang hinunter schoss und die Häuser in Mitleidenschaft zog.

Auch die Kohlenstoff-Bilanz von Miscanthus ist gut. Die oberirdische Pflanzenmasse, die jedes Jahr neu aufwächst, kann bei einem Ernteertrag von 20 Tonnen Trockenmasse pro Hektar und Jahr circa 30 Tonnen Kohlendioxid speichern. Werde diese beispielsweise in Baustoffen genutzt, dann könnte das CO₂ dauerhaft als Rohstoff dienen. Georg Völkering: „Damit können zig-Tonnen CO₂ gespart und dauerhaft gebunden werden, das kann bei intelligenter Nutzung in langlebige Produkte locker in den siebenstelligen Bereich gehen.“ Ob das in der Politik schon angekommen sei, wäre jedoch unklar.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 63, vom 24. September 2022.



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