Logistik-Branche: Corona ist gut fürs Geschäft – „Eine Jahrhundertchance, die Zukunft zu gestalten“
Das Leben muss auch in Zeiten der Corona-Krise weitergehen – für viele Menschen heißt das: Kaufen, kaufen, kaufen. Sehr zur Freude der Logistik-Branche, die allein im ersten Halbjahr 2020 ein Plus von über 80 Prozent verzeichnete.
Um der unzähligen Bestellungen Herr zu werden, sprießen zudem Logistik-Immobilien wie Pilze aus dem Boden. Die 2020 neu bebaute Fläche umfasst mehr als 740 Fußballfelder. Besonders beliebt sind die Regionen Frankfurt am Main, Berlin und Düsseldorf, aber auch abgelegenere Regionen profitieren vom Corona-induzierten Bauboom.
Corona ist gut fürs (online-)Geschäft … und Logistik-Immobilien
Während Deutschland sich im Frühjahr 2020 weitgehend verbarrikadierte, ächzte die Logistik unter der plötzlichen Nachfrage nach Desinfektionsmitteln, Nudeln und Klopapier. Aber auch andere Waren, einschließlich frischem Obst und Gemüse, wurden zunehmend online nachgefragt und mussten irgendwie zu den Kunden kommen.
Bertrand Ehm von der Savills Immobilien-Beratungs GmbH sagte: „Mit knapp 2,7 Milliarden Euro ist das Transaktionsvolumen um 80 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum [1,5 Mrd. €] gewachsen.“ Mit anderen Worten: Im ersten Halbjahr 2020 haben die Fuhrunternehmen fast so viel transportiert wie im ganzen Jahr 2019 zusammen.
Das wachsende Transportaufkommen beflügelt wiederum die Nachfrage nach Logistik- und Lagerflächen. Allein für das Jahr 2020 rechnet Andreas Schulten mit einem Neubauvolumen von etwa 5,3 Millionen Quadratmetern. Die Hauptinvestoren heißen dabei Garbe Group und Union Investment – beide investierten im ersten Halbjahr 2020 mehr als 500 Millionen Euro – sowie Blackstone, Frasers Property und China Investment Corporation.
Bereits der Zubau 2020 entspricht 742 UEFA-konformen Fußballfeldern. „Das ist ein neuer Höchststand“, zitieren die „VDI Nachrichten“ (Ausgabe 41/2020) den Generalbevollmächtigten des Analyseunternehmens Bulwiengesa. 2019 waren es 4,9 Millionen Quadratmeter. Laut Studie betrage der Bedarf bis 2030 jährlich 6,5 bis 7 Millionen Quadratmeter.
Besonders beliebt sind nach wie vor die Logistikhochburgen Frankfurt/Main – dort entstanden binnen der letzten fünf Jahre knapp 1,9 Mio m² Logistikfläche –, Berlin (1,6 Mio m²) und Düsseldorf (1,4 Mio m²). Außerdem knackten die Region Rhein/Rhur, Hannover/Braunschweig, Dortmund und Hamburg die Eine-Million-Quadratmeter-Marke.
Angesichts des schwindenden Platzangebots erhalten Bauunternehmen zudem immer mehr Anfragen „in peripheren Regionen“, weiß Michael Dufhues, Bauunternehmer aus Paderborn. Ebenfalls gefragt seien ökologisch nachhaltige Konzepte, die beispielsweise Photovoltaik, natürliche Beleuchtungs- und Belüftungskonzepte sowie Blockheizkraftwerke oder Wärmepumpen integrieren.
Der Schlüssel zur Weltwirtschaft
Doch nicht nur die Gebäude werden zusehends mit Technik vollgestopft, auch die Logistik selbst wird immer mehr technisiert. In den Augen von Andres Netsträtter vom Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) in Dortmund wird die Logistik „die erste Branche sein, in der sich Plattformen, Blockchains und Verfahren der Künstlichen Intelligenz massenhaft durchsetzten.“ Institutsleiter Michael ten Hompel sieht darin gar „eine Jahrhundertchance, die Zukunft zu gestalten.“
Erklärtes Ziel des IML ist die plattformunabhängige Bereitstellung aller Instrumente, um Güter, Ladungsträger – einschließlich fahrerloser Systeme und durch geschlossene Verpackungen – sowie Logistikanlagen im Internet der Dinge zu verknüpfen. Technisch sei dies seit Jahren möglich, bislang scheitere es jedoch an der Kommunikation. Sowohl innerhalb als auch zwischen Unternehmen.
Besonders wichtig sei in diesem Zusammenhang die Kompatibilität aller Systeme – von der Europalette bis zur Briefmarke – und die reibungslose Abwicklung. Das IML forscht zudem an Systemen, die selbstständig binnen Sekunden Verträge verhandeln können und Leistungen quittieren. Ein universell einsetzbarer und allen Partnern zugänglicher elektronischer Frachtbrief soll zudem in Echtzeit Daten wie Temperatur der Ladung oder den bereits zurückgelegten Transportweg bereitstellen.
Alles in allem geht es darum, stets „zur richtigen Zeit am richtigen Ort“ zu sein. Nicht nur damit Logistikunternehmen sich an Umschlagplätzen besser aufeinander abstimmen könnten, sondern auch, damit Kunden genau wissen, wann welche Waren bei ihnen ankommen. Denn nach wie vor sind die Lieferbedingungen mitunter entscheidend, etwas online zu kaufen, oder lieber doch in den nächsten (lokalen) Laden zu fahren und die einheimische Wirtschaft zu unterstützen.
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