Krach bei Thyssenkrupp: Vorstand Sigmar Gabriel und Stahlchef werfen hin

Bei Thyssenkrupp ist der Streit eskaliert, das Chaos groß. Drei der fünf Vorstände der Stahlsparte gehen, vier Aufsichtsräte ebenfalls. Den Mitarbeitern von Thyssenkrupp Steel wünscht der bisherige Aufsichtsratschef Gabriel alles Gute – „und bessere Eigentümer, als ihr derzeit habt“.
Der Aufsichtsrat der Thyssenkrupp-Stahlsparte hat am Freitag über den geplanten Umbau gesprochen.
Sigmar Gabriel geht: Der Aufsichtsrat der Thyssenkrupp-Stahlsparte hat am Freitag über den geplanten Umbau gesprochen. Doch Konzernchef López plante anderes.Foto: Bernd Thissen/dpa
Epoch Times30. August 2024

Beim Industriekonzern Thyssenkrupp ist der Streit um die Abspaltung der Stahlsparte eskaliert. Die Spitzen sowohl des Aufsichtsrats als auch des Vorstands des Tochterunternehmens Stahl kündigten am Donnerstag ihren Rücktritt an.

Aufsichtsratsvorsitzender Sigmar Gabriel verwies auf „Differenzen“ mit dem Chef des Gesamtkonzerns, Miguel López. Gabriel kritisierte eine „beispiellose Kampagne“, die dieser in den vergangenen Wochen gegen den Vorstand der Stahlsparte betrieben habe. Es handle sich um einen „schweren Vertrauensbruch“.

Es gibt seit längerem Unstimmigkeiten über die finanzielle Ausstattung und Zukunft der Stahlsparte. Konzernchef Miguel Lopez drängt auf stärkere Sparmaßnahmen, während Stahlchef Bernhard Osburg mehr Geld für den klimafreundlichen Umbau der Stahltochter fordert. Lopez möchte die Stahltochter in die Selbstständigkeit entlassen – um Risiken für den Mutterkonzern zu minimieren.

Vier Vorstände gehen, nachdem drei andere Vorstände rausgeworfen wurden

Nun ziehen sich der Vorsitzende des Aufsichtsrates, Sigmar Gabriel, der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Detlef Wetzel sowie die weiteren Mitglieder Wilfried Schäffer und Elke Eller „fristgerecht“ aus dem Aufsichtsrat der Stahlsparte zurück.

Grund für ihren Rücktritt ist der vorangegangene Rauswurf von drei Mitgliedern des Vorstands der Stahlsparte durch den Chef des Mutterkonzerns, Miguel López: Thyssenkrupp-Steel-Chef Bernard Osburg, sowie die weiteren Vorstandsmitglieder der Sparte, Markus Grolms und Heike Denecke-Arnold, legten danach ihre Mandate nieder.

Arbeiter von Thyssenkrupp Steel Europe protestieren gegen die Zukunftspläne des Aufsichtsrats.

Arbeiter von Thyssenkrupp Steel Europe protestieren gegen die Zukunftspläne des Aufsichtsrats. Foto: Fabian Strauch/dpa

Sigmar Gabriel betonte in einer Pressekonferenz nach der Aufsichtsratssitzung, dass die nun geschassten Vorstände die richtigen Konzepte für die Zukunft des Stahlkonzerns gehabt hätten. Er warf López vor, mit seinem Vorgehen auf den Rücktritt des Vorstandes des Tochterunternehmens gedrängt zu haben.

„Und dies, obwohl der Vorstand der Thyssenkrupp Steel Europe AG die Interessen des Stahlunternehmens engagiert wahrgenommen und sich gegen, aus seiner Sicht, nicht vertretbare Einflüsse auf seine Arbeit mit Erfolg gewehrt hat.“

Scharfe Kritik an López

Zur Rolle des Konzernvorsitzenden Miguel Lopez sagte Betriebsratsvorsitzende am Standort Duisburg/Beeckerwerth, Ali Güzel, gegenüber dem WDR: „Miguel Lopez eliminiert hier drei Fachleute, die einen Businessplan erstellt haben, uns genau beschrieben haben, was wir brauchen, um diese Stahlsparte zu verselbständigen. Dieser Mensch ist beauftragt worden, uns in die Insolvenz zu treiben und uns loszuwerden aus dem Konzern. Da muss irgendjemand langsam die Hand drauflegen.“

Auch der Bezirksleiter der IG Metall in Nordrhein-Westfalen, Knut Giesler, kritisierte die Führung der Thyssenkrupp AG scharf. Das Management habe „diesen Konzern in ein noch nie dagewesenes Chaos geführt“. Das sei „völlig verantwortungslos“ gegenüber allen Beschäftigten, insbesondere denen der Stahlsparte.

Deutschlands größter Stahlerzeuger Thyssenkrupp Steel steht vor einem Umbau.

Lautstarke Proteste bei Deutschlands größter Stahlerzeuger Thyssenkrupp Steel gab es Anfang August 2024. Foto: Federico Gambarini/dpa

Sigmar Gabriel machte auch dem Aufsichtsratsvorsitzenden des Thyssenkrupp-Konzerns, Siegfried Russwurm, schwere Vorwürfe. Insgesamt habe er nicht mehr den Eindruck, dass Vorstand und Aufsichtsrat der Thyssenkrupp AG den ursprünglichen Plan einer Abspaltung bei zugleich weitgehendem Erhalt der Stahlsparte noch weiterverfolgen würden, erklärte er.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst (CDU), hatten Gabriel noch um eine Verschiebung der Sitzung um vier Wochen gebeten, um weitere Gespräche über die Zukunft der Stahlsparte zu ermöglichen.

Zu diesem Vorschlag hatte Russwurm jedoch „keine Meinung“, wie Gabriel erklärte. Das wiederum habe ihn dazu veranlasst, von einer Verschiebung abzusehen.

Grüne: Trauriger Höhepunkt „menschlicher Unanständigkeiten und sachlichen wie strategischen Irrsinns“

Felix Banaszak (Grüne) sprach von einem „traurigen Höhepunkt einer Aneinanderreihung menschlicher Unanständigkeiten und sachlichen wie strategischen Irrsinns“.

Der Weggang der Vorstände und der Aufsichtsräte sei eine „schwere Hypothek“ für das Unternehmen, erklärte das Mitglied des Wirtschaftsausschusses des Bundestags. Der „rabiate Konfrontationskurs“ des Konzernmanagements füge dem Stahlstandort Deutschland „schweren Schaden zu“.

Thyssenkrupp-Mitarbeiter führen am 9. August mehrere Protestaktionen gegen den Abbau von Arbeitsplätzen und die Reduzierung der Produktion in Deutschland durch. Foto: Ina Fassbender/AFP via Getty Images

IG-Metall-Bezirksleiter Giesler forderte Thyssenkrupp auf, „wieder zur Vernunft zu kommen“. Er forderte ein belastbares Finanzierungskonzept für den Stahlbereich. Die IG Metall werde eine Restrukturierung der Sparte mittragen, allerdings nur ohne betriebsbedingte Kündigungen und Standortschließungen.

Thyssenkrupp will die Stahlsparte abspalten

Thyssenkrupp treibt die Abspaltung der Stahltochter voran. 20 Prozent wurden bereits an die Firma EPCG des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky verkauft. Geplant ist, weitere 30 Prozent an EPCG abzutreten. Streit gibt es unter anderem über die weitere Finanzierung der Stahlsparte.

Der Mutterkonzern ist die Thyssenkrupp AG, eine Aktiengesellschaft mit Doppelsitz in Essen und Duisburg. Die Konzernzentrale befindet sich in Essen.

Thyssenkrupp ist seit dem 1. Oktober 2023 in fünf Hauptsegmente gegliedert: Automotive Technology (Zulieferer und Engineering-Partner der internationalen Automobilindustrie), Decarbon Technologies (Schlüsseltechnologien für grüne Transformation), Materials Services (Globaler Handel mit Roh- und Werkstoffen), Steel Europe (Fokus auf Stahlproduktion und -verarbeitung in Europa) und Marine Systems. Die beiden letzten sind zur Verselbstständigung vorgesehen. 

Zwei Servicegesellschaften, Thyssenkrupp Services GmbH und Thyssenkrupp Information Management GmbH, bieten übergreifende Dienstleistungen für die Geschäfte und die Zentrale. Thyssenkrupp ist in 48 Ländern aktiv und beschäftigt weltweit rund 100.000 Mitarbeiter. (afp/red)



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