„Kostet Zeit und Nerven“ – Die Prozeduren bei Coronahilfen
Einzelhandel, Gastronomie, Hotels, Kinos und Konzertveranstalter – diese und andere Branchen sind besonders von Corona-Beschränkungen betroffen und beklagen Umsatzeinbrüche.
Der Staat kommt Unternehmen zu Hilfe und zahlt erhebliche Coronahilfen aus. Mindestens 78 Milliarden Euro flossen bisher, wie das Wirtschaftsministerium unlängst vorrechnete. Zu dieser Riesensumme kommen im Kampf gegen die Krise noch rund 55 Milliarden Euro Kredite und Milliardenausgaben für Kurzarbeitergeld.
„In der Kürze der Zeit ist den Unternehmen schnell geholfen worden“, bilanziert Torsten Stockem von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY (Ernst & Young), die zu den Großen der Branche gehört. Einzelfälle, bei denen nicht schnell ausgezahlt wurde, habe es aber auch gegeben, sagte der in Hamburg tätige Berater. Antragsteller, die Hilfen erhalten wollen, müssen einen sogenannten prüfenden Dritten einschalten – zu ihnen gehören neben Wirtschaftsprüfern auch Steuerberater, Rechtsanwälte und vereidigte Buchprüfer.
„Wer einen monatlichen Umsatzeinbruch von über 30 Prozent hat, der nachweislich durch die Corona-Pandemie ausgelöst wurde, ist antragsberechtigt“, erzählt EY-Berater Tobias Kreiter aus Freiburg. Erstattet werden fixe Betriebskosten wie Mieten und Pachten oder Ausgaben für Strom und Versicherungen. Auch große Unternehmen könnten sich melden.
Noch keine Zahlungsunfähigkeit registriert
Bis zur Auszahlung dauere es im Schnitt zwei bis drei Monate, berichtet Kreiter. „Bisher ist kein Kunde zahlungsunfähig geworden, weil zu spät ausgezahlt wurde.“ EY betreue vor allem große Mandanten, bei denen es dann rasch um Millionenbeträge gehe. „Die Förderbestimmungen sind immer komplexer geworden. Die Expertise ist auf Unternehmensseite nicht da.“
Die Prozeduren sind mitunter langwierig, wie Kreiter festgestellt hat. Mit Behörden könne er ausschließlich per E-Mail kommunizieren. Ein Anruf wie im Finanzamt sei nicht möglich. Sein Fazit nach zwei Jahren Pandemie: „Es kostet Zeit und Nerven, die Ansprüche durchzusetzen.“ Manch ein Berater wünscht sich mehr Digitalisierung. Dabei geht es beispielsweise um automatisierte Prüfmethoden, um festzustellen, ob Zahlen tatsächlich plausibel sind.
Die staatlichen Finanzhilfen wurden erst in der zurückliegenden Woche offiziell bis Ende Juni verlängert. Die sogenannte Überbrückungshilfe IV sollte ursprünglich bereits Ende März enden. In der Corona-Pandemie stehen die Zeichen aber generell auf Öffnung und Lockerung von Beschränkungen.
Schlussabrechnungen stehen aus
„Die Anträge werden sich irgendwann erledigt haben“ – davon ist der Berater der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte, Torsten Kempe, überzeugt. „Dann folgen aber die Schlussabrechnungen, die überhaupt noch nicht begonnen haben.“ EY-Berater Kreiter weist darauf hin, dass die Hilfen nur mit einem Vorbehalt ausgezahlt werden.
Die Frage sei letztlich, ob Umsatzrückgänge tatsächlich coronabedingt seien, berichtet Kempe. „Wenn beispielsweise Lieferketten wegen Corona unterbrochen sind und Unternehmen deshalb Umsatzeinbrüche verzeichnen, dann muss beurteilt werden, ob dieser Umsatzrückgang als coronabedingt einzustufen ist.“ Das könne noch Debatten auslösen, die möglicherweise juristisch geklärt werden müssten, warnt Kempe, der seit 1995 bei Deloitte arbeitet und dort sogenannter Partner ist.
Bei den Schlussabrechnungen soll auf der Basis tatsächlicher Umsatzzahlen geklärt werden, ob Hilfen regelkonform ausgezahlt wurden. Notfalls stehen dann am Ende auch Rückzahlungen an. Genauigkeit ist gefragt, denn bei den Milliardenhilfen handelt sich um Steuergelder. Mitnahmeeffekte? Die soll es nicht geben. Bund und Länder wollen nach eigenem Bekunden alles tun, um einen kriminellen Missbrauch der Wirtschaftshilfen zu verhindern. Im Paragraf 264 des Strafgesetzbuches wird der Subventionsbetrug seit langem explizit ins Visier genommen. (dpa/red)
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