Kampf gegen Inflation: EZB könnte Zinsen kräftig erhöhen
Am kommenden Donnerstag findet das Treffen des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB), des obersten Beschlussorgans, statt. Mit Spannung wird diesmal darauf geschaut, in welchen Schritten die Zentralbank die Zinsen anheben wird: Erwartet werden allgemein 0,25 Prozentpunkte. Diese Hoffnung auf eine kleine Zinsanhebung könnte sich als trügerisch erweisen. In der vergangenen Woche berichtete das „Handelsblatt“, dass EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf der letzten Zinssitzung weitere Zinserhöhungen um 0,5 Prozentpunkte angekündigt hat. Damit möchte die Zentralbank die Inflation in den Griff bekommen und die Teuerungsrate wieder an das EZB-Ziel von mittelfristig zwei Prozent heranführen.
Dieses Ziel hatte gerade erst EZB-Ratspräsident Klaas Knot, der niederländische Notenbankpräsident, beim Treffen in Davos bekräftigt. Auch François Villeroy de Galhau, ein weiteres Ratsmitglied, sprach sich in Davos für eine Zinserhöhung um 0,5 Punkte aus.
Schwer zu sagen, wann das Tempo herausgenommen werden kann
In einem Interview mit dem Sender WNL legte Knot dann noch einmal nach. Er rechne im Februar wie auch im März mit einer Leitzinsanhebung von jeweils 0,5 Prozentpunkten. Auch danach, so die Prognose des niederländischen Notenbankpräsidenten, werde die EZB mit weiteren Zinserhöhungen nachlegen. Im März sei man noch nicht durch. Weitere Schritte würden im Mai und Juni folgen. Schon im Dezember wurde der Zinssatz um 0,5 Prozent angehoben.
Wie der Sommer aussehen werde, das kann im Moment noch niemand abschätzen. Gegenüber der italienischen Zeitung „La Stampa“ sagte Knot, es sei noch zu früh, um zu sagen, ob die EZB im Sommer das Tempo herausnehmen könne. Das passiere dann, wenn die Risiken für die Inflation nachließen. Dann könnten die Zinserhöhungen beispielsweise um 0,25 Punkte erfolgen statt jetzt um 0,5 Punkte. „Davon sind wir aber noch weit entfernt.“
Chefvolkswirt prognostiziert „Leitzinserhöhungspausen“
Während der Preisanstieg im Oktober mit 10,4 Prozent den höchsten Stand seit 70 Jahren erreicht hatte, lag sie im Dezember bei 8,6 Prozent. Für Carsten Mumm, Chefvolkswirt der Privatbank Donner & Reuschel, sind das Signale, die ihn zuversichtlich stimmen. Auf dem Portal der „Börse München“ sagt er für dieses Jahr gute Zukunftsaussichten voraus. Das Jahr 2022 ginge als das Jahr der Zinswende in die Geschichte ein. Damit schaffe es eine erste gute Voraussetzung für bessere Wertentwicklungen, da „ein ähnlich drastischer Zinsanstieg vorerst nicht mehr zu erwarten ist“. Die Notenbanken, so die Prognose Mumms, werden im ersten Quartal zumindest teilweise „Leitzinserhöhungspausen einlegen“, um die volle Wirkung der bisherigen geldpolitischen Straffung auf die Wirtschaftsdynamik und damit auf die Inflation abzuwarten. Worauf sich die Prognose des Volkswirts stützt, bleibt im Dunkeln.
Lagarde sagt etwas anderes
EZB-Präsidentin Lagarde hatte am 15. Dezember laut dem Wirtschaftsmagazin „Capital“ am Rande der Vorstellung der geldpolitischen Beschlüsse der EZB weitere Zinserhöhungen ins Spiel gebracht. Damals hatte die Zentralbank eine Zinsanhebung um 0,5 Prozent beschlossen. Gleichzeitig machte Lagarde deutlich, dass das nicht das „neue Normal der Geldpolitik“ sei. Trotzdem könnten es noch einmal im Februar 0,5 Punkte Zinserhöhungen werden. Was bedeutet das aber nun ganz konkret für die Wirtschaft und für Privathaushalte?
Entscheidungen treffen Gesamtwirtschaft
Die Zinsen der Zentralbanken haben einen großen Einfluss auf die Gesamtwirtschaft, damit auch auf Sparer, Kreditnehmer und Anleger. Der Leitzins beeinflusst aber auch den Euro-Wechselkurs, den Immobilienmarkt und die Börse. Deshalb sind Zinsentscheidungen der Zentralbanken Entscheidungen, auf die sehr genau geschaut wird.
Sparer können aufatmen
Für Sparer war die Zinswende im vergangenen Jahr ein Grund zum Aufatmen. Wurden sie vorher für das Sparen noch mit Negativzinsen bestraft, lohnt sich Sparen nun langsam wieder. Banken zahlen inzwischen wieder Zinsen um die zwei Prozent auf Tagesgeld. Allerdings kommen nicht selten nur Neukunden in diesen Genuss. Bei anderen Banken bewegt sich nichts. Eine neue Auswertung des Verbraucherportals Biallo, die der „Bild“ vorliegt, zeigt sogar auf, dass jede fünfte Sparkasse in Deutschland noch immer null Prozent für Tagesgeld bietet.
Für Festgeld sieht es im Moment sogar noch besser aus. Bei einer Geldanlage mit einer Laufzeit von einem Jahr gibt es bereits drei Prozent Zinsen.
Was auf den ersten Blick gut klingt, erweist sich bei genauem Hinsehen als trügerisch: Weil die Inflation deutlich höher ist, sind die Realzinsen noch tief im Minus. Wer bei einer Inflationsrate von neun Prozent für sein Geld zwei oder drei Prozent Zinsen erhält, verliert in einem Jahr immer noch sechs bis sieben Prozent Geldwert.
Experten erwarten aber für dieses Jahr, dass sich diese Schere langsam schließt. So rechnet das Portal „Finanztip“ damit, dass sich die Sparzinsen zunächst parallel zu den Leitzinsen entwickeln. Sie könnten daher ebenfalls noch einmal in naher Zukunft um 0,5 Prozentpunkte steigen.
Häuserbauer haben Nachsehen
Verlierer der Zinswende sind allerdings Menschen, die in naher Zukunft planten, ein Haus zu bauen. Schon 2022 haben sich die Bauzinsen vervielfacht. Im Dezember wurden für Kredite mit 10- oder 15-jähriger Zinsbindung vier Prozent fällig. Zum Jahresanfang sind die Hypothekenzinsen leicht in Richtung 3,5 Prozent gefallen.
Schaut man sich allerdings den langfristigen Vergleich an, so sind die Bauzinsen heute immer noch niedrig. Trotzdem hat der starke Anstieg die Kalkulationen vieler Bau- und Kaufwilligen regelrecht weggefegt. Am Immobilienmarkt sinkt seitdem die Nachfrage.
„Dass die Bauzinsen im ersten Halbjahr 2023 weiter steigen, ist wahrscheinlich“, meint Michael Neumann, Zinsexperte von Dr. Klein. So erwartet er für das erste Halbjahr, dass die Zinsspanne für ein 10-jähriges Immobiliendarlehen sich zwischen 3,5 bis 4,5 Prozent bewegt. Wobei diese Aufwärtsbewegung in der Zinsentwicklung vor dem Hintergrund einer drohenden Rezession nicht geradlinig verlaufen sollte, vielmehr ist mit Schwankungen der Bauzinsen zu rechnen.
Bestehende Kredite sind erst einmal nicht betroffen. Im Gegensatz zum Ausland haben Immobilienkredite in Deutschland eine lange Zinsbindung. Wer also gerade eine Immobilie abbezahlt, ist nicht sofort von den Entwicklungen betroffen. Eines steht aber fest: Die Zeit von spottbilligen Baukrediten ist vorbei.
Wie sich die Zinswende auf die Preise von Kaufimmobilien auswirkt, ist im Moment noch nicht abzusehen. Laut dem Baufinanzierer Interhyp sind die Preise zurückgegangen. Der Preis für den Bau oder Kauf einer finanzierten Immobilie inklusive Nebenkosten betrug im dritten Quartal 2022 durchschnittlich 512.000 Euro. Im zweiten Quartal waren es noch 535.000 Euro. „Unsere Zahlen zeigen, dass sich das zunehmende Angebot und die Rückgänge von Angebotspreisen auf den Portalen auch in realen Transaktionen widerspiegeln“, so Jörg Utecht von Interhyp. Eine neue Balance zwischen Angebot und Nachfrage müsse sich erst noch einspielen. Die aktuellen Preisrückgänge bieten neue Chancen und Spielräume für die Preisverhandlung.
Kredite werden teurer
Die Kreditzinsen und der Leitzins der Europäischen Zentralbank sind sehr eng verbunden. Mit der Erhöhung des Leitzinssatzes steigen die Kosten der Banken, wenn diese sich Geld bei der Zentralbank leihen. Diese Kosten geben sie dann weiter. Konsumenten- und Dispokredite werden in Zukunft daher teurer werden.
Auch auf den Aktienmarkt haben erhöhte Leitzinsen durch die EZB eine Wirkung. Diese drücken aus zwei Gründen auf die Kurse. Zum einen werden andere Anlagen mit geringeren Risiken dann im Vergleich zu Aktien attraktiver. Damit fließt weniger Geld in den Aktienmarkt, vor allem in riskantere Titel wie Techaktien. Zum zweiten dämpfen höhere Zinsen die Konjunktur und damit die Geschäftschancen der an der Börse notierten Unternehmen.
Zinserhöhung stößt auf Abschwung
Die Wirtschaft bekommt ebenfalls Zinserhöhungen zu spüren. Die Konjunktur wird dadurch gedämpft. Höhere Zinsen machen Kredite für Investitionen teurer und sie machen Sparen im Vergleich zum Konsum attraktiver. Daher setzen Zentralbanken das Mittel der Zinserhöhung meistens ein, um eine heiß laufende Konjunktur zu dämmen. Dieses Mal ist das aber völlig anders: Deutschland bewegt sich gerade am Rande einer Rezession. In diesen Abschwung stoßen nun die Zinserhöhungen. Das birgt daher nicht nur Chancen, sondern auch Risiken. Eine sich im Schrumpfungsprozess befindende Wirtschaft könnte schnell noch mehr unter Druck geraten.
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