Jänschwalde – drittgrößtes Kraftwerk Deutschlands vor dem Aus?
Deutsche Umwelthilfe und Grüne Liga setzten mit einem Eilantrag vor Gericht einen Stopp des Braunkohletagebaus Jänschwalde durch.
Bis zum 15. Mai muss der Abbau angehalten werden, weil der Betreiber seit Jahren mehr Grundwasser abpumpt als die wasserrechtliche Erlaubnis gestattet. Mit Beschluss vom 16. März entschied das Verwaltungsgericht Cottbus, dass der Hauptbetriebsplan des Tagebaus gegen die wasserrechtliche Erlaubnis verstößt.
Betreiber von Jänschwalde ist das größte Energieunternehmen im Osten Deutschlands, die Lausitzer Energie, kurz LEAG. Die LEAG betreibt sowohl Bergbau als auch Kraftwerke. Die im Kraftwerk Jänschwalde produzierte Strommenge reicht aus, um etwa 3 Millionen Haushalte rund um die Uhr mit Strom zu versorgen.
Stopp der Kohleförderung und Bezahlbarkeit von Energie
LEAG Bergbauvorstand Phillipp Nellessen bedauert die Gerichtsentscheidung. Angesichts der aktuellen angespannten Situation auf den Energiemärkten und weiterhin steigenden Energiepreisen sieht er einen Stopp der Kohleförderung im Tagebau Jänschwalde sehr kritisch. „Wer jetzt die Kohleförderung in Jänschwalde zum Erliegen bringt, der reduziert die gesichert verfügbare Menge an heimischer Braunkohle und damit auch an gesicherter Stromerzeugung.“
Nun gelte es, „gemeinsam nach Lösungen zu suchen, um die Versorgungssicherheit und die Bezahlbarkeit von Energie in Deutschland nicht weiter zu gefährden“, mahnt Nellessen. Gerade vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges stehe die Versorgung mit Energie in Frage. Zudem bringe der Tagebau-Stopp „gravierende Auswirkungen für die Natur und die Strukturentwicklung in der Region“ mit sich.
Nellessen kündigt an, den Beschluss genau prüfen und gegebenenfalls Beschwerde einlegen zu wollen. „Das Verwaltungsgericht folgte im Kern der Argumentation der DUH, wonach eine Tabelle mit Jahreswerten maßgeblich sei und nicht die in der wasserrechtlichen Erlaubnis gestattete maximale Grundwassernutzung von 4,8 m³/s“, kommentierte die Lausitzer Energie.
Trotz des ungeplanten Tagebaustopps muss Grundwasser weiterhin gehoben werden, um die geotechnische Sicherheit des Tagebaus zu gewährleisten. Nicht vor Ort benötigte Mitarbeiter im Rahmen des Sicherheitsbetriebes sollen auf andere Tagebaue verteilt werden.
DUH: Schutz der umliegenden Flora und Fauna
Der Deutschen Umwelthilfe geht es in diesem Verfahren um „den Schutz der umliegenden Flora-Fauna-Habitat-Gebiete, die zunehmend unter dem Grundwasserentzug durch den Tagebaubetrieb leiden“, wie in einer Pressemitteilung veröffentlicht wurde.
Es seien jahrelang illegal „enorme Mengen“ Wasser abgepumpt wurden. Das sei „ein Skandal und es ist unbegreiflich, dass erst ein Gericht eingreifen muss, damit geltendes Recht eingehalten wird. Nun instrumentalisiert der Betreiber auch noch den Krieg in der Ukraine und behauptet, man müsse den Tagebau für die Energiesicherheit weiter betreiben.“ Nach Ansicht von Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH, ist das falsch. Die Kraftwerke könnten „natürlich aus anderen Quellen versorgt und betrieben werden.“
Rechtsanwältin Cornelia Nicklas, Leiterin Recht der DUH, fasst zusammen: „Das Verwaltungsgericht Cottbus hat unseren Vortrag vollumfänglich bestätigt: Die Zulassung des Betriebsplanes für den Tagebau Jänschwalde verstößt eklatant gegen die geltende wasserrechtliche Erlaubnis und kann damit keinen Bestand haben.“
Wirtschaftsminister: Kein Verschulden der LEAG
Grundlage für die wasserrechtliche Genehmigung, die im Jahr 1996 erteilt wurde, war eine damals geplante Beendigung des Tagebaus im Jahr 2019. Die Genehmigung war bis 2022 befristet und sah ab 2018 geringere Wasserentnahmen vor. Für 2020 wurden ein Abpumpen von 42 Millionen Kubikmeter Wasser erlaubt, tatsächlich wurden es 114 Millionen Kubikmeter.
Jörg Steinbach (SPD), Wirtschaftsminister Brandenburgs, sieht im Stopp des Tagebaubetriebs kein Verschulden des Energiekonzerns. Vielmehr sei zwischenzeitlich die Kohleförderung bis 2024 verlängert worden, während das für die wasserrechtliche Genehmigung nicht geschehen sei, „den Fehler müssen wir an dieser Stelle zugeben“. Ein Tagebau sei jedoch keine Fabrik, die „Wasser verbraucht“, es werde Grundwasser entnommen und dem Oberflächenwasser wieder zugeführt. In diesem Sinne sei es kein „Verbrauch“ von Wasser.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, Beschwerden an das Oberverwaltungsgericht sind möglich. Für die weitere Entwicklung ist das Landesbergamt der nächste Ansprechpartner, dessen Präsident Sebastian Fritze kündigte an, die Entscheidung zu prüfen.
Auf Frage der Epoch Times, ob nun eine vorfristige Stilllegung des Tagebaus droht, antwortete die Pressestelle der LEAG: „Ja, dieses Szenario ist wahrscheinlich“.
Rekultivierung neu planen
Neu geplant werden muss laut René Schuster von der Grünen Liga auch die Folgelandschaft des Tagebaus. Das Rekultivierungskonzept fehle und müsse „unverzüglich vorgelegt“ werden. Ziel sollte sein, dass „der Tagebau auf den letzten Metern nur noch den geringstmöglichen Schaden an den umliegenden Schutzgebieten und dem Wasserhaushalt anrichtet.“
Die Bergbaufolgelandschaft müsse jetzt möglicherweise vollständig neu geplant und genehmigt werden, erklärt die LEAG. Das würde etwa fünf Jahre in Anspruch nehmen.
Franziska Uhlig-May, Leiterin der Geotechnik der LEAG, weist darauf hin, dass „mit einem möglichen sofortigen und ungeplanten Tagebaustopp die DUH in Kauf nimmt, die Wasserhebung im Tagebau Jänschwalde zeitlich zu verlängern und damit die Umweltauswirkungen im Vergleich zum gegenwärtigen Zustand zu verschlechtern.“
In diesem Zeitraum müssten die Tagebaubetreiber etwa 500 Millionen Kubikmeter Wasser heben, was sie gern vermeiden würden. „Ebenso bedauern wir, wenn die Anwohner ihre Planungen für die Nutzung der Bergbaufolgelandschaft um fünf Jahre verschieben müssten“, sagt Nellessen.
In der Rekultivierung sieht die LEAG bisher ein 3-Seen-Konzept vor, dass möglicherweise durch den Tagebaustopp auf der Kippe steht. „Unsere Zielvorgabe im Braunkohlenplan sieht einen sich weitgehend selbst regulierenden Wasserhaushalt vor. Zum Schutz wasserabhängiger Landschaftsteile soll dieser dem vorbergbaulichen Zustand möglichst nahekommen“, erläutert Uhlig-May. Diese Vorgabe sei dann aber nicht mehr einzuhalten, so Uhlig-May, denn es würden sich gravierende Abweichungen zum vorbergbaulichen Zustand einstellen.
Das Kraftwerk Jänschwalde soll 2028 vollständig vom Netz
Das Bundeskartellamt hob im kürzlich erschienenen Marktmachtbericht für das Jahr 2021 die Rolle der LEAG bei der Deckung der Stromnachfrage als „unverzichtbar“ hervor.
Das Kraftwerk Jänschwalde, etwa 15 Kilometer nördlich von Cottbus, verarbeitet Braunkohle aus dem Tagebau in unmittelbarer Nachbarschaft, ebenso aus den Tagebauen Welzow-Süd und Reichwalde. Neben Strom liefert es Wärme für Cottbus und Peitz. Gleichzeitig ist das Kraftwerk ein Entsorgungsfachbetrieb für die Mitverbrennung aufbereiteter Abfälle – und das warme Kühlwasser dient als Fischzucht für jährlich 60 Tonnen Karpfen, 60 Tonnen Lachsforellen, Saiblinge und andere.
Insgesamt hat das Kraftwerk noch vier aktive Blöcke. Die ersten beiden wurden 2018 und 2019 vom Netz genommen. Im Jahr 2020 wurde beschlossen, Ende 2025 und 2027 weitere Blöcke auszuschalten. Ende 2028 soll das Kraftwerk Jänschwalde vollständig stillgelegt werden. Alle Kraftwerksblöcke wurden mit Umweltschutztechnik nachgerüstet, die vorgegebenen Emissionsgrenzwerte werden deutlich unterschritten.
Die LEAG fördert Braunkohle in den vier Lausitzer Tagebauen und veredelt diese im Industriepark Schwarze Pumpe. Zur Energiesparte gehören die Lausitzer Braunkohlekraftwerke und der Block R des Kraftwerks Lippendorf bei Leipzig. Neben dem Kraftwerk Schwarze Pumpe errichtete die LEAG zudem ein BigBattery-Projekt, das auf Hochspannungsebene in 13 Containern Lithium-Ionen-Batterien beherbergt. Der Speicher ist für eine nutzbare Kapazität von 53 MWh ausgelegt. Das Projekt ist in seiner Konstellation bislang einzigartig in Europa.
Der Artikel erschien zuerst in der Wochenzeitung Ausgabe 36 am 25. März 2022.
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