Italienische Energieregulierungsbehörde gewinnt gegen Stromanbieter
Wenn ein Elektrizitätsunternehmen in der EU von seinen Kunden Beträge verlangt hat, die gegen die Auflagen des Verbraucherschutzes verstoßen, kann die nationale Energieregulierungsbehörde befugt sein, die Rückerstattung der Beträge zu verlangen. Das hat der Europäische Gerichtshof (EUGh) in Luxemburg am 30. März entschieden.
Grund für Rückzahlungsaufforderung „unerheblich“
Nach Ansicht der EUGh-Richter gehört neben der Erfüllung der Transparenzanforderungen auch der Verbraucherschutz zu den Aufgaben der Regulierungsbehörden, wie sie in Artikel 37 der EU-Richtlinie 2009/72/EG festgelegt seien. Der genaue Grund für eine Rückzahlungsaufforderung gegenüber einem Energieunternehmen durch die Behörde sei dabei unerheblich (Pressemitteilung EUGh, PDF)
Hintergrund ist ein Rechtsstreit aus Italien aus dem Jahr 2019. Dort hatte der Strom- und Erdgasversorger Green Network seinen Endkunden Gelder in Rechnung gestellt, die als „Verwaltungskosten“ deklariert waren.
Behörde verhängte 655.000 Euro Bußgeld
Die italienische Regulierungsbehörde „Autorità di Regolazione per Energia Reti e Ambiente“ (ARERA) erkannte darin eine Verletzung der Anforderungen an die Tariftransparenz. Die entsprechende Vertragsklausel sei rechtswidrig. So verlangte die Behörde die Rückzahlung der – ihrer Meinung nach zu Unrecht eingetriebenen – knapp 14 Millionen Euro an die Kunden. Außerdem verhängte sie ein Bußgeld in Höhe von 655.000 Euro gegen Green Network.
Der Energieanbieter wollte das nicht widerspruchslos hinnehmen und focht den Behördenbescheid vor dem Verwaltungsgericht an. Ohne Erfolg.
Versorger wehrte sich
Also ging Green Network vor dem Staatsrat („Consiglio di Stato“) in Berufung: Es sei der staatlichen Regulierungsbehörde nach italienischem Recht nicht erlaubt, die Rückerstattung von Beträgen zu verlangen, die Kunden in Rechnung gestellt worden waren, argumentierte der Versorger. Green Network berief sich dabei auf die Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG (ABl. 2009, L 211, S. 55).
Der „Consiglio di Stato“ schaltete daraufhin am 3. Januar 2022 den EUGh ein. Dieser sollte zwei strittige Fragen klären:
- Wie weit gehen die Befugnisse der Regulierungsbehörden nach Art. 37 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 2009/72/EG?
- Und welche Grenzen gelten für Maßnahmen, die die EU-Staaten nach Anhang I derselben Richtlinie zum Verbraucherschutz treffen dürfen?
Der Europäische Gerichtshof entschied, dass beide Textstellen in der Richtlinie gegen die Interpretation von Green Network sprechen.
Qualität der Dienstleistung spielt keine Rolle
Der Staat Italien besitze wie jedes andere EU-Land das Recht, seiner nationalen Regulierungsbehörde die Befugnis zu übertragen, Elektrizitätsunternehmen anzuweisen, ihren Endkunden den Betrag jener Gegenleistung zurückzuzahlen, die die Kunden aufgrund einer von dieser Behörde für rechtswidrig gehaltenen Vertragsklausel als „Verwaltungskosten“ gezahlt haben. Dies gelte auch in Fällen, bei denen die Behörde eine Verletzung von Tariftransparenzanforderungen festgestellt habe. Die Qualität einer erbrachten Dienstleistung spiele dabei keine Rolle.
Der EUGh stützte sich konkret auf die Ausführungen in Artikel 37 Absatz 1 Buchstabe i und n, die die Aufgaben der Regulierungsbehörden in Bezug auf die Erfüllung von Transparenzanforderungen beziehungsweise den Verbraucherschutz regelt. Außerdem auf Artikel 37 Absatz 4 Buchstabe d, der die Befugnisrechte einer Regulierungsbehörde betrifft, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen gegen Elektrizitätsunternehmen zu verhängen.
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