Investmentberater will Druck auf „schmutzige“ Firmen erhöhen
Keine Waffen, kein Tabak, keine Kohle – nachhaltige Geldanlagen werden immer beliebter. Ein Investmentberater setzt nun auf die geballte Macht von Investmentfonds, um den Druck auf Unternehmen weiter zu erhöhen, die dennoch „schmutzige“ Produkte anbieten.
„Wir wollen eine Gemeinschaft gleichgesinnter Investoren aufbauen“, sagte Rich Nuzum, Chef-Investmentberater für Großkunden beim Beratungsunternehmen Mercer, dpa.
Wenn ein Fonds alleine sich aus nicht nachhaltigen Anlagen zurückziehe, werde sich nichts ändern. „Wenn aber genügend Fonds mitmachen, falls die Standardindizes etwa die Investitionen in Kohle verringern oder aus Militärinvestments aussteigen, aus Waffen, dann würden die Kapitalkosten für diese Unternehmen steigen“, sagte Nuzum am Rande der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums in Davos.
Das hätte zur Folge, dass Firmen höhere Preise verlangen müssten oder Löhne senken müssten. Das operative Geschäft werde schwieriger, sagte Nuzum. Er verwies als Beispiel auf Fonds, die Ende der 1980er, Anfang der 1990er wegen der Apartheidspolitik in Südafrika auf Firmenanteile aus diesem Land verzichtet hatten. „Letztlich wurde die Wirtschaft getroffen und die Politik änderte sich“, sagte Nuzum.
Wichtige Rolle von Staatsfonds
Eine wichtige Rolle bei nachhaltigen Anlagen komme milliardenschweren Staatsfonds zu, etwa aus Norwegen, sagte der Berater. „Indem ein Staatsfonds eine Investition tätigt, löst er Innovationen aus, die die Kosten für einen graduellen Wandel zu kohlenstoffarmer Wirtschaft verringern und macht diesen wahrscheinlicher und schneller.“
Gerade Fonds von Staaten, die von Öl- und Gaseinnahmen abhingen, müssten in nachhaltige Anlagen investieren. Dabei gehe es nicht nur um Diversifizierung, sondern auch darum, das Risiko eines Preises für Kohlenstoff zu minimieren, so Nuzum.
Auch von Regierungen erwartet der Investmentexperte Hilfe. „So könnten etwa Sicherheitsregulatoren verlangen, dass Unternehmen über Kohlenstoffemissionen, Arbeitspraktiken oder Wasserverbrauch berichten“, sagte er. „Mehr Einheitlichkeit würde wirklich helfen.“
Gefragt seien vor allem Länder mit großer Marktmacht wie die USA oder China, aber auch einzelne Regionen wie der US-Bundesstaat Kalifornien könnten einiges bewirken. „Wenn Kalifornien beispielsweise seine Emissionsstandards über die US-Norm erhöht, hat das Auswirkungen, denn Autobauer werden nicht auf diesen Markt verzichten wollen.“
Wichtig sei für Investmentfonds aber, zusammen mit Indexanbietern einen Index zu erstellen, der klare Kriterien festlege, sagte Nuzum. Dafür seien wichtige Fragen zu klären. Wann sei ein Konzern etwa ein Waffenhersteller – wenn Waffen 5, 10 oder 50 Prozent vom Umsatz ausmachten? Ziele man auf den Endhersteller oder auch auf Zulieferer?
Noch schwieriger sei es bei Kohle. Hier sei ein sofortiger Ausstieg kompliziert, dies werde noch 20 bis 30 Jahre dauern. Möglich sei eher, Unternehmen zu belohnen, die versuchten, Kohle so sauber wie möglich zu verbrennen.
„Wenn man gute Absichten in einem schmutzigen Sektor belohnt und andere Unternehmen folgen, tut man vielleicht mehr für die Emissionen“, sagte Nuzum. „Ja, man investiert in Kohle, aber schafft Anreize für den Kohlesektor, sauberer zu sein, das könnte in Hinsicht auf Emissionen helfen. Der Teufel liegt im Detail.“
Nachhaltige Geldanlagen werden in Deutschland immer beliebter
Nach Angaben des Fondsverbands BVI hat sich das verwaltete Vermögen in nachhaltigen Publikumsfonds, in die private und Profi-Anleger investieren dürfen, binnen fünf Jahren mehr als verdoppelt: Von 15 Milliarden Euro Ende September 2014 auf 31 Milliarden Euro im Herbst 2019.
Dazu kommen gut 50 Milliarden Euro in offenen Spezialfonds rein für Großinvestoren. Bislang sind nachhaltige Fonds aber eine Nische: Gemessen am Gesamtvermögen in Publikumsfonds von 1,079 Billionen Euro Ende September kamen sie auf rund 3 Prozent Marktanteil.
Auch die Politik macht Druck. So will die EU den Ausstoß an Treibhausgasen in der EU bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent senken. Laut Schätzungen müssten dafür jährlich etwa 180 Milliarden Euro klimafreundlich investiert werden.
Bankberater könnten nach EU-Plänen schon 2021 verpflichtet sein, Sparer zu fragen, ob sie ihr Geld nachhaltig anlegen wollen. Auch zwingende Hinweise auf mögliche Klimafolgen von Investments werden diskutiert. (dpa)
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