Insolvenzrekord in Europa – Corona-Nachwehen treffen auf neue Krisen

Energiekrise, Zinswende und ein Corona-Nachholeffekt gehören zu den Hauptgründen zahlreicher Unternehmensinsolvenzen in Europa im Jahr 2023. Die Auskunftei Creditreform weist in einer aktuellen Veröffentlichung unter anderem auf schlechte Erträge und schwierige Finanzierungen hin.
Im Oktober meldeten 722 Unternehmen Insolvenz an - im September waren es noch 760.
Mit staatlichen Hilfen sind viele Betriebe in den vergangenen Jahren vor der Zahlungsunfähigkeit bewahrt worden. Symbolbild.Foto: Peter Kneffel/dpa
Von 21. Mai 2024

Die Wirtschaftskrise in der EU schlägt sich auf gesamteuropäischer Ebene in einer signifikanten Steigerung der Zahl der Unternehmensinsolvenzen in ganz Europa nieder. Die Auskunftei Creditreform hat dazu die Entwicklung im Jahr 2023 in West- sowie in Mittel- und Osteuropa unter die Lupe genommen. Vor allem im westeuropäischen Untersuchungsgebiet ist die Zahl der Insolvenzen deutlich angestiegen.

Zahl der Insolvenzen stieg in Westeuropa stärker als im Osten

Creditreform hatte für seine Bestandsaufnahme die EU-14-Staaten sowie Norwegen, die Schweiz und Großbritannien der Westeuropagruppe zugeordnet. In diesem Bereich ist die Zahl der Insolvenzen von Unternehmen im Vorjahr von 140.168 auf 169.496 angewachsen, was einem Plus von 20,9 Prozent entspricht.

Das ist der höchste Wert seit 2016 und übertrifft damit auch das Vor-Corona-Niveau. In Mittel- und Osteuropa blieb die Zahl verhältnismäßig stabiler. Sie kletterte um etwa acht Prozent auf 64.866. Dabei war die Zahl der Insolvenzen jedoch in zwölf untersuchten Ländern rückläufig. Lediglich eine höhere Anzahl an Liquidationen in Ungarn und eine deutliche Steigerung in Estland – allerdings von einem zahlenmäßig niedrigen Niveau – trugen zum Gesamtwachstum bei.

In Deutschland stieg die Zahl der Insolvenzen von Unternehmen im Vorjahr um 22,9 Prozent auf 18.020. Im Bereich zwischen 20 und 30 Prozent waren auch Schweden, Irland, Finnland und Norwegen angesiedelt.

Zinserhöhungen im Kampf gegen die Inflation schwächen ebenfalls Kaufkraft und Investitionen

Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung in Neuss, spricht von einem Insolvenzgeschehen im Zeichen der Rezession:

„Inflation, Zinsen, Energiekosten und auch die Nachwehen von Corona haben viele Unternehmen massiv belastet. Jetzt sehen wir die Auswirkungen auch deutlich in den Zahlen.“

Gerhard Weinhofer von Creditreform Österreich verweist zudem auf verschärfte Bedingungen, die durch die Wechselwirkung zwischen diesen Faktoren entstünden. Die hohen Energiekosten treiben die Inflation, schwächen die Kaufkraft und lähmen die Investitionstätigkeit.

Die EZB versucht sich an der Eindämmung der Inflation. Ihre Zinserhöhungen sorgen jedoch für größere Schwierigkeiten für Unternehmen, an leistbare Kredite zu gelangen. Darüber hinaus schlagen sie jedoch auch auf Konsum und Investitionen. Für Weinhofer steht fest:

„So konnten die Unternehmen kaum Erträge erwirtschaften.“

Warum sind die Insolvenzen in Griechenland so stark gestiegen?

Mit Frankreich (55.996 Insolvenzen; plus 35,6 Prozent), den Niederlanden (2.871; plus 54,9 Prozent) und Griechenland (1.412; plus 2.969,6 Prozent) ragten drei der untersuchten Länder besonders deutlich heraus.

In Frankreich waren es vor allem der Handel und der Bausektor, die zu dem überdurchschnittlichen Anstieg beitrugen. Bereits im Jahre zuvor hatte das Land einen erheblichen Anstieg bei den Unternehmensinsolvenzen zu verzeichnen. Ähnlich wie im Fall der Niederlande spielte in Frankreich auch ein verzögerter Corona-Effekt eine Rolle.

In den Niederlanden war 2021 mit 1.818 Fällen noch eine weit unterdurchschnittliche Anzahl an Insolvenzen zu verzeichnen. Auf dem Höhepunkt der Eurokrise 2013 waren es im Vergleich dazu noch 9.431 gewesen. Zudem hatte eine verhältnismäßig große Zahl an Unternehmen nach der Pandemie ihre Tätigkeit neu aufgenommen. Kreditversicherer Atradius geht auch für 2024 noch von einem Zuwachs der Insolvenzzahlen aus.

In Griechenland war die prozentuale Explosion der Unternehmensinsolvenzen hingegen die Konsequenz aus einer neuen Insolvenzordnung. Diese machte es deutlich einfacher und sowohl für Schuldner als auch für Gläubiger lohnender, den Weg zum Insolvenzgericht zu gehen. Griechenlands Wirtschaft selbst hat sich seit dem Ende der Austeritätsmaßnahmen stabil zum Positiven entwickelt.

Unterschiedliche Rechtsvorschriften und Praktiken verzerren die Datenlage

Creditreform weist darauf hin, dass unterschiedliche gesetzliche Vorschriften und Voraussetzungen eine gewisse Unschärfe bezüglich der Vergleichbarkeit der Situation in den unterschiedlichen Ländern nach sich ziehen. Entsprechend gebe es auch Unterschiede in den Insolvenzquoten und in der Insolvenzbetroffenheit:

„Dabei ist ein geregeltes Insolvenzverfahren nur eine Möglichkeit des Marktaustritts. Teilweise, wie beispielsweise in Südeuropa, sind Insolvenzverfahren dafür nicht der typische Weg. Im Gegenteil: Schließungen und sonstige Liquidationen werden in der Regel gewählt und verzerren den europaweiten Vergleich der Insolvenzquoten.“

Branchenspezifisch sind die Insolvenzzahlen in allen Hauptwirtschaftsbereichen zweistellig gestiegen. Am stärksten waren die Anstiege im Handel (plus 24,8 Prozent) und im Bausektor (plus 21,7 Prozent). Im Verarbeitenden Gewerbe lag er bei 19,8 und im Dienstleistungsgewerbe bei 16,2 Prozent. Im Verarbeitenden Gewerbe blieben die Zahlen damit jedoch immerhin unter dem Wert von 2019.



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