Die Geschäfte „nach Sortiment zu öffnen, das habe ich noch nie begriffen“ – „Planungssicherheit gibt es überhaupt nicht mehr“

Es herrscht Chaos in der Corona-Politik der Bundesregierung. Für viele Unternehmer und Geschäftsinhaber ist das allerdings kein Spaß, sondern bitterer Ernst. Ihre Existenz steht auf dem Spiel.
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Lars Rosendahl, Geschäftsführer von Wikinger-Möbel in Klipphausen bei Dresden.Foto: Epoch Times
Von 31. März 2021

Ganze neun Tage durfte das Möbelhaus Wikinger-Möbel in diesem Jahr schon seine Pforten öffnen – mit Terminvergabe und Kundenregistrierung. Doch dann kletterte der 7-Tage-Inzidenzwert im sächsischen Kreis Meißen wieder über hundert und das Geschäft mit seinen 3000 Quadratmetern musste aufgrund der „Notbremse“-Verordnung vom 22. März erneut komplett schließen.

Für Inhaber Lars Rosendahl ist es besonders bitter, da er täglich mit ansehen muss, wie sich der Parkplatz füllt, aber nicht mit seinen Kunden, sondern mit den Kunden des angrenzenden Baumarktes. Dort traten die verschärften Regelungen nämlich nicht in Kraft. Die Türen stehen offen, einzige Bedingung ist, die AHA-Regeln einzuhalten.

Für den Unternehmer ist das nicht nachvollziehbar, dass hier offenbar mit zweierlei Maß gemessen wird. Epoch Times traf ihn zum Gespräch.

Epoch Times: Herr Rosendahl, Sie hatten in den neun Tagen, die Sie in diesem Jahr schon öffnen durften, rund 4 Kunden pro Tag auf 3000 Quadratmetern und das mit Termin. Das heißt, die Gefahr, dass es zu einer Virusverbreitung aufgrund eines größeren Kundenansturms kommen könnte, liegt bei Ihnen so gut wie bei null. Trotzdem sind Sie – anders als der Baumarkt nebenan –  erneut von einer Komplettschließung betroffen. Wie geht es Ihnen damit?

Lars Rosendahl: Das ist schon demotivierend, wenn man sieht, dass der Parkplatz voll ist, aber eben nur für den Baumarkt nebenan. Um mich nicht falsch zu verstehen, ich freue mich natürlich für das Geschäft nebenan, aber was ich nicht verstehe, ist die Entscheidung nach Sortiment. Der eine darf aufmachen, der andere nicht. Das ergibt für mich keinen Sinn. Hinzu kommt, dass die Kunden dort größtenteils ältere Menschen sind, die auch zur Risikogruppe gehören. Da fühlt man sich schon etwas ungerecht behandelt, vor allem, weil es ja keine logische Erklärung dafür gibt.

Es gibt eine Entscheidung und einen Stempel darauf, aber keine Argumente dafür. Und wenn man dann schrittweise öffnet, dann verstehe ich die Reihenfolge nicht. Ich verstehe nicht, warum man zuerst an die älteren Menschen denkt, anstatt an die jüngeren, die ein viel geringeres Risiko haben.

Ich verstehe die Entscheidungen ganz am Anfang letzten Jahres, als man nicht wusste, was auf einen zukommt. Da hieß es gegenüber den Jüngeren, bleibt zu Hause für eure Großeltern. Das konnte ich noch nachvollziehen. Aber in unserer jetzigen Situation, wo es um schrittweise Wiedereröffnungen geht, da tut mir das in der Seele weh, wenn ich sehe, dass für unsere Kinder und Jugendlichen so gut wie gar nichts geöffnet wird. Die Schulen bleiben teilweise zu, während die ältere Generation in Scharen in Baumärkten und Gartenmärkten anzutreffen ist. Also da fehlt mir das Verständnis. Ich finde das unehrlich. Wenn man nur gezielt öffnen will, dann müsste man eben auch dort öffnen, wo es am wenigsten gefährlich ist. Und die Kinder und Jugendlichen sind nun mal so gut wie gar nicht gefährdet.

Und noch einmal, was die Auswahl der Geschäfte betrifft: Ich verstehe nicht, warum das eine mehr systemrelevant sein soll als das andere. Es sollte ganz egal sein, was man verkauft. Man könnte Auflagen machen, die jeder erfüllen muss, egal welche Art Geschäft er hat. Zum Beispiel Schlangenbildung oder zu viele Kunden auf engstem Raum zu vermeiden. Dann kann jeder selbst entscheiden, ob das für ihn Sinn ergibt und ob er das erfüllen möchte und kann. Aber nach Sortiment zu öffnen, das habe ich noch nie begriffen.

ET: Welchen Unterschied gab es für Sie zwischen dem ersten Lockdown vergangenes Jahr und dem diesmaligen zweiten Lockdown?

Rosendahl: Der erste war ein ziemlicher Schock. In dem Moment, als wir zugemacht wurden, da dachte ich wirklich, das war’s. Also vom Staat zugemacht zu werden, das habe ich tatsächlich nicht in der Schule gelernt. Da war ich wirklich ratlos und das ging schon fast in Richtung Panik. Allerdings hatten wir das Glück, dass wir das, was wir in den zwei Monaten Total-Lockdown verloren hatten, danach wieder reinholen konnten. Vielleicht lag es auch daran, dass die Leute weniger verreisen konnten und deshalb ihr Geld dann mehr für zu Hause ausgegeben haben.

Dieses Mal ist es aber ganz anders. Es war nicht so ein Schock. Wir hatten zwar gehofft, dass man bis dahin innovative Lösungen findet, aber man hatte schon ein bisschen damit gerechnet, dass sowas wieder kommen könnte. Als es dann tatsächlich kam, war es nicht die größte Überraschung, aber es kam zu einer Zeit, zu der wir normalerweise sehr viele Möbel verkaufen. In den Wintermonaten machen wir den meisten Umsatz und jetzt hat das schon drei Monate gedauert. Das werden wir nicht wieder aufholen können.

ET: Bekommen Sie Unterstützungsgelder vom Staat?

Rosendahl: Nein, bisher war es mit unserer Größe und unserer Struktur gar nicht möglich, Hilfsgelder zu beantragen. Darlehen ja, aber Unterstützung nicht. Kurzarbeit als Modell hat uns geholfen, aber das ist ja nur Kostenreduzierung. Alle anderen Kosten wie Miete, Strom und so weiter müssen wir ja trotzdem weiter bezahlen.

Wir haben oft das Problem, dass wir zu klein sind, um groß zu sein, und zu groß, um klein zu sein. Wir liegen also irgendwo dazwischen und fallen damit durch das Raster. Es gibt noch ein Wikinger-Möbelhaus in Rostock und eins in Potsdam, allerdings ist jedes Geschäft eine eigenständige GmbH. Da wir aber denselben Namen tragen, bezeichnet man uns als einen Konzern. Nun sind aber die Pandemie-Bedingungen in Rostock anders als in Potsdam und wiederum anders als hier in Sachsen und somit ist es uns unmöglich, Gelder zu beantragen.

ET: Wie sieht ihr Geschäftsmodell aus?

Rosendahl: Wikinger-Möbel setzt von je her auf Qualität. Man findet bei uns Massivholzmöbel, die natürlich ihren Preis haben. Aber wir haben gelernt, dass die Deutschen auf Qualität setzen und dafür gern auch ein bisschen mehr Geld ausgeben. Dieses Konzept funktioniert für uns schon seit 20 Jahren. Wir kaufen auch keine Billigwaren aus China, sondern kaufen zu neunzig Prozent in Europa ein.

Wir sind ja Dänen mit deutschem Unternehmen. Natürlich haben wir zuerst mit dänischen Herstellern angefangen. Allerdings war es dann auch nicht viel anders als in Deutschland, wo vor ungefähr 15 Jahren viele ihren Produktionsstandort nach Osteuropa verlegt haben. Inzwischen ist es so, dass die Preise in Polen höher sind als hier. Also wir kaufen dort nicht mehr ein, um Geld zu sparen, sondern weil die Waren dort inzwischen teilweise besser sind als hier.

ET: Glauben Sie, dass sich die Krise auch positiv auf ihr Geschäftsmodell auswirken kann?

Rosendahl: Das kommt darauf an, wie sich die Dinge weiter entwickeln. In Krisenzeiten ziehen sich die Leute ja eher zurück und kümmern sich mehr um ihr Zuhause. Vielleicht geben die Leute demnächst ja etwas mehr Geld für Möbel aus.

Die andere Seite ist natürlich, dass die Kaufkraft schwindet, wenn immer mehr Menschen ihren Job verlieren oder Unternehmer pleitegehen. Das ist die Kehrseite der Medaille. Also man kann im Moment nur spekulieren, wie sich das alles weiter entwickelt.

ET: Könnten Sie sich mit Online-Handel über Wasser halten?

Rosendahl: Nein, das können wir nicht. Dafür sind wir zu spezialisiert. Unsere Möbel sind sehr beratungsintensiv. Die Kunden kommen meistens 3-4 mal zu uns, bevor sie sich für ein Möbelstück entscheiden. Natürlich können wir auch Kleinigkeiten online verkaufen, aber mit dem Hauptgeschäft geht das nicht.

Es gehört ja zur Grundidee unseres Geschäftes, die Kunden zu beraten, 2-3 stündige Kundengespräche sind keine Seltenheit. Ein online-Handel passt einfach nicht zu unserem Konzept. Zum Beispiel haben wir auch viele hochwertige Ledersofas. Die Kunden wollen das ausprobieren, wollen spüren, auf welchem Sofa sie sich wohlfühlen und auf welchem nicht. Es macht uns ja auch Spaß, den Kunden diese Möglichkeit zu bieten.

Ich habe mich für diese Geschäftsidee entschieden, weil ich der Meinung bin, das ist das Richtige. Dann fange ich nicht morgen an, mein Sortiment zu wechseln oder auf eine völlig andere Art und Weise zu verkaufen. Wenn es ums nackte Überleben geht, dann könnte ich mich vielleicht schon entscheiden, morgen Bananen zu verkaufen, aber vorher nicht.

Ich sehe durchaus auch die Vorteile eines Online-Handels, aber eben auch die Nachteile. Wenn ich nur noch online einkaufe, wenn ich nur noch von zu Hause aus im Homeoffice arbeite und wenn ich mich nur noch digital mit Leuten treffe – wofür soll ich dann noch leben?

Sicher entwickelt sich die Technik immer weiter und irgendwann kann man sicher auch alles in 3D (…). Aber das ist nicht unsere Aufgabe. Unsere Aufgabe ist es, gute Möbel zu verkaufen und dafür zu sorgen, dass es für die Kunden ein Erlebnis ist. Wenn das nicht mehr gegeben ist, dann können wir einpacken.

ET: Viele Unternehmer klagen auch über fehlende Planungssicherheit. Da geht es Ihnen sicher nicht viel anders?

Rosendahl: Das stimmt. Planungssicherheit gibt es überhaupt nicht mehr. Wir müssen ja auch strategisch denken – wie sieht es in sechs Monaten oder in zwölf Monaten aus, aber genauso müssen wir auch an morgen denken. Diesen Spagat kann man derzeit gar nicht schaffen. Das ist wirklich schwierig, vor allem, weil sich die Situation manchmal von einem Tag auf den nächsten verändert.

ET: Sind Klagen eine Option für Sie?

Lars Rosendahl: Das ist von der Tagesform abhängig. Manchmal denke ich auch, ich muss jetzt etwas tun. Ich kann nicht einfach nur dasitzen, während ich an die Wand gefahren werde. Aber das kostet natürlich viel Energie und wenn man es macht, dann muss man es auch richtig machen. Und dann wird das ja nicht gleich morgen entschieden, sondern wäre ein Projekt für die nächsten Jahre. Ich glaube nicht, dass ich die Energie dafür aufbringen könnte.

Epoch Times: Herzlichen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Nancy McDonnell.



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