Inflation sinkt europaweit: Deutschland kann erstmals seine Zahlen nicht veröffentlichen
Am vergangenen Donnerstag erhöhte die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins um 0,5 Prozent. Damit liegt dieser nun bei 3 Prozent. Die Entscheidung der Zentralbank kam nicht überraschend. Die Währungshüter begründeten ihren Schritt auch bei der neuen Erhöhung damit, der Inflation Einhalt gebieten zu wollen.
Langsamer Anstieg der Energiepreise ausschlaggebend
Einen kleinen Schritt scheint die EZB vorangekommen zu sein: In der Eurozone ist die Teuerung in den letzten drei Monaten etwas zurückgegangen. Die Verbraucherpreise erhöhten sich im Januar gegenüber dem Vorjahresmonat um 8,5 Prozent. Das teilte das Statistikamt Eurostat in Luxemburg am Mittwoch mit. Das war leicht weniger, als erwartet wurde: Experten hatten eine Rate von 8,9 bis 9 Prozent erwartet. Die jetzt veröffentlichten Zahlen sind die bisher niedrigsten Zahlen seit Mai 2022. Die Zentralbank dürfte zufrieden sein. „Der langsamere Anstieg der Energiepreise war hierfür maßgeblich“, sagte Experte Jens-Oliver Niklasch von der Landesbank Baden-Württemberg. Er verwies unter anderem auf die Entwicklung des Preises für Erdgas, der zuletzt deutlich gefallen ist.
Im Dezember hatte die Inflationsrate 9,2 Prozent betragen. Im Oktober erreichte die Inflationsrate mit 10,6 Prozent den Rekordwert. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte schon bei der Vorstellung der sogenannten Jahresprojektion am 25. Januar darauf hingewiesen, dass seiner Meinung nach die Inflation aufgrund staatlicher Subventionen für Energie zurückgeht. In der Pressemitteilung des Ministeriums kann man lesen:
Die Dezember-Soforthilfe für Gas und Wärme dürfte für den Rückgang im Dezember eine entscheidende Rolle gespielt haben.“
„Die Energiepreisbremse werden wir erst ab März in den Daten sehen.“
Damals bezog sich diese Aussage auf die Zahlen aus dem Dezember. Experten widersprachen dem Wirtschaftsministerium. „Wenn die Inflation wirklich so stark gesunken ist, hat das weniger mit der Energiepreisbremse zu tun als viel mehr mit den deutlich gesunkenen Öl- und damit auch Benzinpreisen“, sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. „Die Energiepreisbremse werden wir erst ab März in den Daten sehen.“ Der Staat hat im Dezember die Abschlagszahlungen für Erdgas übernommen. Für Privatverbraucher von Gas, Strom und Fernwärme gilt ab März zudem ein gesetzlich festgelegter Höchstpreis für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs – dieser Preisdeckel wird rückwirkend für Januar und Februar angerechnet.
Wegen technischer Probleme keine Zahlen aus Deutschland
Aktuellere Zahlen aus dem Januar liegen leider im Moment nicht vor. Eurostat hatte bei den Verbraucherpreisdaten für Deutschland eine Schätzung vorgenommen. Das Statistische Bundesamt musste wegen eines technischen Problems die Veröffentlichung der Januar-Daten verschieben. Diese sollen im Zusammenhang mit einer „Revision“ aufgetreten sein, einer regelmäßig vorgenommenen Rebasierung für den Verbraucherpreis-Index. Schon die einzelnen Bundesländer hatten Schwierigkeiten, ihre Inflationsraten zu berechnen.
Die Inflationssituation in Euroraum ist sehr unterschiedlich. So stieg die Rate beispielsweise in Lettland von 20,7 auf 21,6 Prozent. Auch in Spanien und Frankreich legte die Rate zu, in Italien dagegen ging sie zurück, von 12,3 auf 10,9 Prozent.
Dass die Teuerungsrate im Januar zurückging, dürfte auch dieses Mal weniger auf den staatlichen Eingriff in den Energiemarkt zurückzuführen sein. Hauptgrund ist vermutlich eher die eingetretene Beruhigung bei den Energiepreisen. Im Vergleich zum Vormonat waren diese abermals um 0,9 Prozent gesunken.
Leicht rückläufig waren auch die Preise für Dienstleistungen mit minus 0,2 Prozent und die für Industriegüter ohne Energie mit minus 1,8 Prozent. Lebensmittel dagegen stiegen weiter im Preis. Gegenüber dem Vormonat lag der Anstieg bei 1,4 Prozent, gegenüber dem Vorjahresmonat bei 14,1 Prozent.
Kerninflation unverändert hoch
Trotz positiver Entwicklungen gibt es im Moment kein Grund, die Arme zu verschränken. „Die Inflationszahlen zu Jahresbeginn zeigen es einmal mehr: Die Zielmarke von 2 Prozent liegt für die EZB noch in weiter Ferne“, kommentiert die Chefvolkswirtin der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), Fritzi Köhler-Geib die Zahlen. Bei dieser Größenordnung sei am Ende unerheblich, dass Anpassungen des Wägungsschemas für die Inflationsberechnung und Änderungen bei den staatlichen Energiemarktinterventionen die Preismessung im Januar stark beeinflusst hätten.
Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, sieht die Gründe der gefallenen Inflation ebenfalls vor allem bei den Energiepreisen. Auf Twitter kommentierte er:
INFLATION: Die Inflation im Euroraum ist nur gefallen, weil die Energiepreise auch wegen staatlicher Eingriffe langsamer zulegten. Aber die Kerninflation blieb bei 5,2%, sie sollte in den kommenden Monaten hartnäckig hoch bleiben. Es gibt noch keine Entwarnung für die EZB.“
Pauschalreisen doppelt gewichtet – Anstieg der Kerninflation verhindert
Krämer verweist hier auf ein tatsächliches Problem. Die Kerninflation, bei der die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Lebensmittel herausgerechnet werden, verharrte im Januar auf 5,2 Prozent.
Dass die Kerninflation im letzten Monat unverändert blieb und nicht angestiegen ist, hängt nach Aussagen von Jörg Krämer damit zusammen, dass Eurostat den Warenkorb aktualisiert hat. Der sogenannte Warenkorb beinhaltet eine möglichst repräsentative Auswahl verschiedener Güter zur Ermittlung des Preisindex und der Inflation. Hier haben die Statistiker aber immer einen gewissen Spielraum bei der Bewertung.
Bei der Berechnung der Kerninflation aus dem letzten Monat wurde der übliche starke Rückgang der Preise für Pauschalreisen mit doppelter Gewichtung berechnet. Deshalb stieg die Kerninflation nicht auf 5,3 Prozent. Sie liegt damit aber immer noch auf dem höchsten Wert seit der Euro-Einführung und zeigt, dass der Preisauftrieb nicht nur Energie und Rohstoffe betrifft. Energie wiederum wurde um 17,2 Prozent teurer, nach 25,5 Prozent im Dezember.
Ökonomen legen auf die Kernteuerung besonderen Wert, weil sie auf die Kostenweitergabe von den Unternehmen an die Verbraucher schließen lässt. Hieraus können sich Zweitrundeneffekte in Form höherer Lohnforderungen ergeben, was letztlich in eine Preis-Lohn-Spirale münden kann.
Inflation könnte noch mal steigen
Experten rechnen damit, dass sich die Inflation, zumindest im ersten Jahresquartal, bei um die 8 Prozent einpegeln könnte. „In den kommenden Monaten könnte die Inflation durchaus auch noch mal steigen“, sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski laut dem Portal „Finanzen.net“ gegenüber der Nachrichtenagentur „Reuters“. Die gestiegenen Gas- und Strompreise bekämen viele Verbraucher erst im Januar präsentiert. Auch Nahrungsmittel könnten teurer werden, da in der Landwirtschaft häufig die Preise im Januar neu verhandelt würden. „Andererseits kann die nachlassende Nachfrage durchaus dafür sorgen, dass Händler ihre Waren zu Niedrigpreisen loswerden wollen“, prognostiziert Brzeski.
Prof. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, prognostizierte kürzlich in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, dass das Tal der Inflation erreicht sein könnte. „Wir haben einige Indikatoren, die darauf hinweisen, dass der Peak der Inflationsentwicklung erreicht ist“, sagte Hüter im Dezember.
Dass die Teuerung in diesem Jahr erheblich sinkt, davon gehen die meisten Ökonomen im Moment nicht aus. Hoffnungen machen uns die Ökonomen aber trotzdem. Die EZB rechnet laut einem Bericht des ZDF mit über sechs Prozent. Die Bundesbank liegt etwas höher und geht in ihrem Szenario sogar von rund sieben Prozent aus. Wir werden also noch eine ganze Weile mit der Teuerung leben müssen.
Inflationsrückgang erst 2024
Bundesbankpräsident Joachim Nagel sieht keine schnelle Rückkehr zu dem von der Europäischen Zentralbank (EZB) angestrebten Inflationsziel. Gegenüber dem Fernsehsender „ntv“ sagte Nagel im Dezember, dass es noch etwas dauern würde, bis das Inflationsziel der EZB von zwei Prozent erreicht sei. „Ab dem Jahr 2024 werden die Inflationsraten dann deutlich zurückgehen“, sagte der Bundesbank-Präsident weiter. Zinserhöhungen hätten Wirkungsverzögerungen von 18 Monaten bis zu zwei Jahren: „Deswegen muss ich an dieser Stelle noch um Geduld bitten.“
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