Ifo-Institut: „Rezession in Deutschland angekommen“

Im September äußerte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) noch, dass von einer Krise in Deutschland nichts zu sehen sei. Doch die aktuelle "Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder" zeigt anderes. Der Trend in einigen Bundesländern im ersten Halbjahr 2019 lautet: Schrumpfen und Stagnation der Wirtschaft.
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Das Wirtschaftswachstum in Deutschland sieht mau aus. Nahezu alle Bundesländer liegen im Halbjahresvergleich 2018/2019 unter den Vorjahreswerten. Das Münchner Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (ifo-Institut) hat die "volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen der Länder" ausgewertet.Foto: iStock
Epoch Times29. September 2019

Bundesländer mit Export-Industrie leiden besonders stark unter dem derzeitigen Abschwung, zeigt eine Auswertung des Münchner Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (ifo-Institut) der „volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Länder“. Danach liegt das Wirtschaftswachstum der einzelnen Bundesländer im ersten Halbjahr 2019 deutlich unter den Vorjahreswerten.

Exportabhängige Bundesländer besonders betroffen

Die weltwirtschaftliche Schwäche belastet vor allem Bundesländer, deren Unternehmen einen Großteil ihrer produzierten Güter exportieren“, sagt Konjunktur-Experte des Ifo-Instituts, Robert Lehmann.

Am schlechtesten hat Rheinland-Pfalz abgeschnitten. Rheinland-Pfalz war 2018 das drittstärkste Export-Bundesland mit 40 Prozent Exporten. Das Wirtschaftswachstum schrumpfte 2019 um 0,9 Prozent. 2017/2018 stieg es noch um 1,7 Prozent.

Bremen belegt den zweiten Platz im Abschwung. Während das Wirtschaftswachstum 2017/2018 noch 2,1 Prozent betrug, schrumpft das Wirtschaftswachstum 2019 um minus 0,4 Prozent. Die Hafenwirtschaft war im Jahr 2018 die Nummer 1 bei den Exporten mit 60 Prozent. Auch die Wirtschaft des exportstarken Saarlands schrumpft um 0,4 Prozent.

In vier weiteren Ländern stagniert das Wirtschaftswachstum nahezu. In Sachsen und Baden-Württemberg war das Wachstum gleich Null. Nordrhein-Westfalen und Brandenburg hatten Mini-Steigerungen von 0,1 bzw. 0,2 Prozent. Hier die Länderzahlen im Überblick:

Quelle: https://www.ifo.de/node/45900

Vor allem Autoindustrie betroffen

Die Entwicklung des Wirtschaftswachstums hängt von der industriellen Struktur der Bundesländer ab, erklärte Stefan Kooths, Leiter des Kieler Prognosezentrums am Institut für Weltwirtschaft, gegenüber der „Welt“.

Vor allem Deutschlands Autoindustrie hat zu kämpfen, wie aus der Auswertung des ifo-Instituts hervorgeht. Weltweit geht die Automobilproduktion zurück. Dazu kommen notwendige Investitionen in neue Technologien im Antriebsbereich bei gleichzeitiger Verschärfung der Abgasgesetze.

Besonders stark auf Automobilindustrie fokussiert sind Baden-Württemberg, Niedersachsen und Sachsen, so das ifo-Institut. Baden-Württembergs Wirtschaft stagniert. Dort haben zum Beispiel Daimler und Porsche, aber auch viele Automobilzulieferer ihren Firmensitz.

Niedersachsen hat zwar noch ein Plus von 0,4 Prozent beim Wirtschaftswachstum, doch im Vergleich zu 2017/2018 (Zuwachs von 1,1 Prozent) zeichnet sich ein Abwärtstrend ab. Niedersachsen steht für Volkswagen und Continental.

Conti: Weltweit bis zum 20.000 Jobs streichen

Der Hannoveraner Automobilzulieferer reagierte kürzlich auf die Krise. Bis 2029 sollen weltweit 20.000 der 244.000 Arbeitsplätze gestrichen werden. Davon entfallen 7000 auf Deutschland (mit 62.000 Arbeitsplätzen).

Bis Ende 2023 sei bereits ein Abbau von 5000 Stellen geplant, unter anderem bei den Standorten Babenhausen (2200 Stellen), Roding (320 Stellen) und Limbach-Oberfrohna (860 Stellen), teilte die AFP-Nachrichtenagentur kürzlich mit.

Dienstleistungsmetropolen machen (noch) Plus

Die Metropolen Berlin und Hamburg zeichnen derzeit die Spitze des Wachstums aus. Berlin hatte bundesweit den stärksten Zuwachs von 1,9 Prozent. Hamburg machte immerhin noch ein Plus von 1,6 Prozent.

Diese Stadtstaaten sind stark auf Dienstleistungen fokussiert, was maßgeblich für den wirtschaftlichen Erfolg sei, so das ifo-Institut. Auch der Bausektor laufe nach wie vor gut und sei ein entscheidender Motor, sagte Jens Südekum, Professor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, gegenüber der Welt.

Wird Hamburg und Berlin etwas genauer untersucht, dann zeigt das Wachstum ebenfalls einen Abwärtstrend auf. In den Jahren 2017/2018 hatte Berlin noch einen Zuwachs von 3,1 Prozent, Hamburg von 1,7 Prozent.

Wollmershäuser (ifo-Institut): Zu viele Enttäuschungen, Besserung nicht erwartet

Trotz „No-no-deal Brexit-Verhandlungen“ und Fortschritten im Handelskrieg USA-China rechnet Prof. Timo Wollmershäuser vom Ifo-Institut nicht mit einer rosigen Zukunft. Wenn in der Vergangenheit Verbesserungen in Aussicht waren, sei man letztlich immer enttäuscht worden, sagte er in einem Interview gegenüber der „Welt“.

Neben der Krise in der Automobilindustrie färbe der industrielle Abwärtstrend auf andere Wirtschaftsbereiche ab. Bereits seit 4 Monaten steige die Arbeitslosigkeit – und das „nach vielen Jahren des Jobwunders“. Und deshalb sei die Rezession in Deutschland angekommen.

Der Abwärtstrend wird durch die volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen der Länder bestätigt. Der bundesweite Wirtschaftszuwachs beträgt im Jahr 2019 nur noch 0,4 Prozent, in den Vorjahren 2017/2018 hingegen 1,4 Prozent. Auch der aktuelle Geschäftsklimaindex des Ifo-Instituts, der auf Befragungen von 9000 repräsentativen Unternehmen beruht, zeigt einen klaren Abwärtstrend.

Droht jetzt Kurzarbeit?

Für den Arbeitsmarkt jedenfalls werden schwierigere Zeiten erwartet, ergab eine Umfrage des Ifo-Instituts: Deutsche Industrieunternehmen greifen stärker auf Kurzarbeit zurück. Kurzarbeit bedeutet für die Arbeitnehmer weniger Gehalt, nur einen Teil der Gehaltseinbußen werden vom Staat bezuschusst.

12,4 Prozent der befragten Unternehmen wollen in den kommenden drei Monaten von Kurzarbeit Gebrauch machen. Zum Vergleich: Im Juni waren es 3,8 Prozent und im September 5,5 Prozent.

Damit hat die Anzahl der Unternehmen mit Kurzarbeit ein Niveau erreicht, das zuletzt auf dem Hochpunkt der Rezession 2012/13 gemessen wurde, sagt Timo Wollmershäuser, Leiter der Ifo-Konjunkturprognosen.

2013 gab es rund 190.000 Kurzarbeiter. (bm mit Material der Agenturen)



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