Höchste Zahl an Insolvenzen seit Finanzkrise – Deutlichen Zuwachs für Bayern und Baden-Württemberg
Allein im September 2024 mussten 1.303 Personen- oder Kapitalgesellschaften in Deutschland Insolvenz anmelden. Das geht aus dem aktuellen Insolvenztrend des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hervor. Gegenüber dem Monat zuvor stellt dies lediglich ein Plus von zwei Prozent dar.
Allerdings ist es ein Plus von 28 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Im Vergleich zum September-Durchschnitt der Vor-Corona-Jahre 2016 bis 2019 sind es sogar um 44 Prozent mehr.
IWH weist deutlichen Zuwachs für Bayern und Baden-Württemberg aus
Betrachtet man die Zahlen des dritten Quartals, sieht die Situation noch besorgniserregender aus. Mit 3.991 Insolvenzen von Unternehmen war in diesem Zeitraum ein neuer Höchststand seit 14 Jahren zu verzeichnen. Im Jahr 2010, als im zweiten Quartal 4.071 Unternehmen Insolvenz anmelden mussten, befand sich Deutschland noch inmitten der Folgewirkungen der Weltfinanzkrise.
Gegenüber dem Vorjahresquartal betrug der Zuwachs 31 Prozent. Einen besonders hohen Zuwachs hatten dabei zwei Bundesländer zu verzeichnen, die gemeinhin zu den wirtschaftlich stärksten des Landes gerechnet werden. In Bayern betrug der Anstieg der Insolvenzen in den Sommermonaten 56 Prozent und in Baden-Württemberg 42 Prozent.
Mit einem Plus von 69 Prozent war die Immobilienbranche am stärksten von dem Zuwachs der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung betroffen. Bei den „unternehmensnahen Dienstleistungen“ betrug der Anstieg mit 31 Prozent fast ein Drittel.
Fünfstellige Anzahl an Jobs ging im September verloren
Nicht nur die Zahl, sondern auch die Größe der betroffenen Unternehmen lässt aufhorchen. Allein im September hatte diese Entwicklung Auswirkungen auf eine fünfstellige Anzahl an Jobs. So waren allein in den größten zehn Prozent der betroffenen Unternehmen fast 23.000 Arbeitsplätze betroffen.
Gegenüber August 2024 war das ein Plus von mehr als 50 Prozent bei insolvenzbedingten Jobverlusten. Verglichen mit dem Vorjahresmonat gingen sogar um 75 Prozent mehr Arbeitsplätze verloren. Verglichen mit der Corona-Pandemie ist es sogar das Dreieinhalbfache. Von den Branchen her waren die unternehmensnahen Dienstleistungen und das verarbeitende Gewerbe am stärksten betroffen.
Im gesamten Jahr 2023 waren 10.619 Beschäftigte in Personengesellschaften und 152.468 in Kapitalgesellschaften von Insolvenzen betroffen. Der bisherige Höchststand seit 2006 war im Jahr 2009 zu verzeichnen. Damals hatten 23.623 Menschen aufgrund der Insolvenz einer Personen- und 227.190 als Beschäftigte von Kapitalgesellschaften ihre Beschäftigung verloren.
IWH rechnet mit weiterem Anstieg bei den Insolvenzen
Der Leiter der Abteilung für Insolvenzforschung beim IWH, Steffen Müller, spricht von einem „deutlich erhöhten Niveau“ beim Insolvenzgeschehen. Zum Teil habe dies noch mit Nachholeffekten der Corona-Pandemie zu tun. Damals konnten einige Unternehmen aufgrund von staatlichen Hilfsprogrammen noch eine Situation der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung vermeiden.
Ein Beispiel dafür sei das kürzlich eröffnete Insolvenzverfahren von FTI Touristik. Das Reiseunternehmen hatte in der Corona-Zeit insgesamt fast 600 Millionen Euro an staatlichen Hilfen erhalten. In Bitterfeld-Wolfen meldete erst zu Beginn der Woche das Textilunternehmen Soex mit etwa 400 Mitarbeitern Insolvenz an.
Allerdings sei das Ende der Fahnenstange offenbar noch nicht in Sicht. Müller rechnet auf der Grundlage der Frühindikatoren, mit denen das IWH arbeitet, auch für die kommenden Monate mit weiter steigenden Insolvenzzahlen.
Lindner-Berater sieht anhaltendes „stagnatives Umfeld“
Das IWH wertet für seine Analysen die Insolvenzbekanntmachungen der deutschen Registergerichte aus. Diese verknüpft sie mit den Bilanzkennzahlen der betroffenen Unternehmen. Der Insolvenztrend bildet eigenen Angaben zufolge im Regelfall mehr als 90 Prozent der von Unternehmensinsolvenz betroffenen Arbeitsplätze und 95 Prozent der Forderungen ab.
Lars Feld, der persönliche Wirtschaftsberater von Bundesfinanzminister Christian Lindner, sieht ein „toxisches Gemisch erhöhter Kosten“, die Unternehmen belasteten. Gegenüber RTL und ntv sprach er von strukturell schlechten Rahmenbedingungen für die deutsche Wirtschaft. Dazu komme, so der frühere Wirtschaftsweise, dass die Konsumenten Ausgaben scheuten, „weil sie Sorge haben, was da in Zukunft passiert“.
Mit einer kurzfristigen Besserung rechnet er nicht. Auch, wenn es keine schwere Rezession sei, die das Land erlebe, befinde sich die Wirtschaft in einem „stagnativen Umfeld“. Es sei gut möglich, dass die Bundesregierung oder die Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Wachstumsschätzungen noch nach unten korrigierten.
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