„Historischer Fehler“: Schweizer Großreederei kauft 49,9 Prozent der Hamburger Hafen AG

Den geplanten Einstieg des von Chinas KP kontrollierten Konzerns COSCO in den Containerterminal Tollerort hatte die Bundesregierung auf 24,99 Prozent beschränkt. Nun steht ein weiterer umstrittener Einstieg in den Hamburger Hafen insgesamt an: Die Großreederei MSC übernimmt fast zur Hälfte die HHLA.
Container werden auf dem Terminal Tollerort der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) umgeschlagen.
Container werden auf dem Terminal Tollerort der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) umgeschlagen.Foto: Christian Charisius/dpa
Von 2. September 2024

Der Hamburger Hafen bleibt ein Streitpunkt in der lokalen Politik der Hansestadt und darüber hinaus. Im Vorjahr setzte die Bundesregierung eine Beschränkung des Einstiegs des von Chinas KP gesteuerten Konzerns COSCO in den Containerterminal Tollerort durch. Die regimenahe Unternehmensgruppe konnte 24,99 Prozent der dortigen Anteile erwerben.

Nun steht ein Teilverkauf des Terminalbetreibers selbst an: Die Schweizer Großreederei MSC strebt eine Übernahme von 49,9 Prozent der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) an, und stößt damit auf Widerstand. Am 4. September steht eine Beratung der Hamburger Bürgerschaft dazu an.

Aktionärsverband und Opposition fordern Stopp des Verkaufs von HHLA-Anteilen

Im Juni hatte der „Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre“ im Vorfeld der Hauptversammlung an den Senat appelliert, den Deal zu stoppen. Die Aktionärsgruppe befürchtet Umweltschäden durch veraltete Containerschiffe und einen Abbau der Rechte Beschäftigter.

Zwischen 2005 und 2020 war es auf MSC-Schiffen weltweit mehrfach zu Havarien oder sogar absichtlichen Verstößen gegen Umweltbestimmungen im Zusammenhang mit der Einleitung von Ölschlamm oder verunreinigtem Wasser gekommen.

In der Bürgerschaft hat sich unterdessen eine ungewöhnliche Koalition aus CDU, Linkspartei, FDP und AfD gebildet, um den Deal zu verhindern. Einhellig hatte man ihn im Juli als „historischen Fehler“ bezeichnet.

Der Senat würde „das Tafelsilber verscherbeln“. Auch einige Grüne sollen Bedenken gegen den geplanten Verkauf von Anteilen geäußert haben. In erster Lesung hat jedoch eine Mehrheit dem geplanten Verkauf zugestimmt. Der Hamburger Hafen hat im Vergleich zur europäischen Konkurrenz in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung eingebüßt.

Wer steckt hinter der MSC?

Die Mediterranean Shipping Company (MSC) steht im Eigentum der italienischen Milliardärsfamilie Aponte. Familienoberhaupt Gianluigi Aponte soll über ein Vermögen von 20,6 Milliarden US-Dollar verfügen und damit Platz 79 unter den reichsten Menschen der Welt bekleiden. Im Jahr 1970 gründete Aponte das italienische Reedereiunternehmen Mediterranean Shipping Company (MSC), das später seinen Firmensitz ebenfalls nach Genf verlegte.

Das 1970 gegründete Unternehmen startete als Anbieter im Bereich der sogenannten Trampschifffahrt, einer Art Charterfrachtschifffahrt ohne feste Routen und Fahrpläne. Später weitete MSC sein Geschäft auf Liniendienste mit gebrauchten Stückgutschiffen aus. Noch in den 1980er-Jahren stieg man mit gebrauchten Containerschiffen zum weltweit tätigen Anbieter auf. Zugleich startete MSC auch im Kreuzfahrtgeschäft durch.

Seit 1996 ist MSC auch mit neu gebauten Containerschiffen unterwegs, mittlerweile ist sie die weltweit größte Linienreederei vor der dänischen APM-Maersk und der französischen CMA CGM Group. Heute beschäftigt MSC etwa 100.000 Mitarbeiter und ist an mehr als 200 Hafenterminals weltweit beteiligt.

Der Umsatz von MSC betrug italienischen Medien zufolge im Jahr 2022 nicht weniger als 86,4 Milliarden Euro, der Gewinn habe bei 36,2 Milliarden gelegen. Die Großreederei verfüge über Barreserven in Höhe von 63 Milliarden Euro. Das sind etwa 26 Milliarden mehr als der Doppelhaushalt Hamburgs für 2023 und 2024.

Senat beim Teilverkauf der HHLA „über den Tisch gezogen“?

Für Unmut und Unsicherheit sorgt der Deal auch in den Reihen der etwa 6.800 Beschäftigten und der Gewerkschaft ver.di. Diese hat bereits erste Proteste organisiert. Im Vertrag mit dem Senat der Freien und Hansestadt Hamburg wurde für fünf Jahre ein Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen vereinbart, auch an bestehenden Tarifverträgen werde nicht gerüttelt.

Allerdings gibt es keine Gewissheit mehr darüber, was danach kommt. Die seit 2007 dort notierende HHLA soll anschließend von der Börse genommen werden, die Anteile in eine Dachgesellschaft wandern. Dort soll allerdings eine Tochtergesellschaft mit dem Namen SAS Shipping Agencies Services anstelle der MSC als Vertragspartner erscheinen.

Die Opposition in der Bürgerschaft wirft dem Senat außerdem vor, die HHLA-Anteile unter deren tatsächlichem Wert zu verkaufen. Zwar bot die MSC 16,75 Euro pro Aktie, was einen Aufschlag von 48 Prozent gegenüber dem Börsenkurs zum Abschluss des Deals bedeutete, insgesamt würde das jedoch einer Bewertung der gesamten HHLA mit 1,2 Milliarden Euro entsprechen – was vielen als zu niedrig erscheint.

Immerhin wurde bereits die 100-prozentige Tochtergesellschaft Metrans im Jahr 2022 mit 1,5 Milliarden Euro bewertet. Bereits 2023 warf der frühere Chef des Unternehmensverbandes Hamburger Hafen, Gunther Bonz, MSC vor, den Senat „über den Tisch gezogen“ zu haben.

Hamburgs Senat erteilte vor dem Deal mit MSC noch Kühne eine Absage

Bereits im September 2023 hatte der Logistikunternehmer und Berichten zufolge reichste Deutsche, Klaus-Michael Kühne, Interesse an einer Übernahme der HHLA bekundet. Die Containerreederei Hapag-Lloyd, an der Kühne mit 30 Prozent beteiligt ist, sollte dabei eine entscheidende Rolle spielen. Konkurrenzunternehmen könnten, so bot er damals an, an einzelnen Terminals beteiligt werden.

Aus dem Senat kam damals relativ zügig eine eindeutige Absage. Ein Grund dafür war offenbar, dass Kühne geplant hatte, eine Mehrheit der Anteile zu erwerben.

Senatssprecher Marcel Schweitzer äußerte damals, man beabsichtige nicht, „die Mehrheit der HHLA an Investoren zur Verfolgung privater Geschäftsinteressen zu verkaufen“. Allerdings hatte es zwischen Kühne und dem Senat bereits zuvor Unstimmigkeiten gegeben. Diese hingen unter anderem mit Zusagen und öffentlicher Kritik des Unternehmers gegenüber Hamburgs politischer Führung zusammen.

Mit dem 49,9-prozentigen Einstieg der MSC hat man im Senat augenscheinlich deutlich weniger Bauchschmerzen. Die Aponte-Familie hatte schon früh signalisiert, sich damit zufriedenzugeben.

Ein Verkauf der Mehrheit der Anteile des Senats wäre potenziell Munition für die Opposition im Bürgerschaftswahlkampf gewesen. Im Februar 2025 wird diese neu gewählt. Bis dato gehören 70 Prozent der Anteile der Freien und Hansestadt Hamburg, der Rest befindet sich im Streubesitz. Künftig will die Stadt 50,1 Prozent behalten.

CEO Toft warb mit Aufwertungsmaßnahmen für den Hamburger Hafen

Bereits im Frühjahr 2023 sollen Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard und Finanzsenator Andreas Dressel an den Firmensitz von MSC nach Genf gereist sein. Dort hätten sie umfangreiche Vorgespräche mit CEO Sören Toft geführt. In weiterer Folge habe man auch mit Vertretern der Milliardärsfamilie Aponte verhandelt.

Toft warb im September 2023 im Rathaus persönlich für einen Deal. Er kündigte eine Verdoppelung des Containergeschäfts in Hamburg bis 2031 auf etwa eine Million an. Zudem werde es eine neue MSC-Deutschlandzentrale in der Hafencity geben. Zusammen mit der Stadt werde das Unternehmen das Eigenkapital der HHLA um 450 Millionen Euro aufstocken.

Am 10. Juli segnete die Bürgerschaft in erster Lesung mit den Stimmen der rot-grünen Regierungsmehrheit das Vorhaben dem Grunde nach ab. Es ist aber noch die Abstimmung in zweiter Lesung ausständig. Auch der Bund könnte sich noch querstellen, da es sich um kritische Infrastruktur (KRITIS) handelt. Ob dies geschehen wird, ist noch unklar.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion