Hinter der Bühne des Ölpreis-Theaters

Vor den US-Kongresswahlen
Von 10. Oktober 2006

Nachdem der Ölpreis im Juli $78,40 mühelos erreichte, fiel er seitdem stetig, wenn auch langsam nach unten. Die Sorte Brent liegt bei nur mehr knapp über $ 60.-, ein zuletzt im Frühjahr gesehener Preis. Natürlich freut sich fast jeder über den unerwarteten und plötzlichen Einbruch der hohen Preise, die sowohl die Wirtschaft als auch die Verbraucher schwer belasteten.

Wenn man aber nach den Hintergründen des Preisverfalls fragt, so gibt es alle möglichen Antworten: genannt werden die ausbleibenden Hurrikane, die scheinbare Ruhe im Verhältnis USA – Iran und natürlich die Spekulanten. Was letztere anbelangt, ist dies sicher ein Teil der Wahrheit. Insbesondere ein Hedge-Fonds namens Amaranth machte dadurch Schlagzeilen, dass er die unglaubliche Summe von über fünf Mrd. Dollar verlor. Die Verluste passierten bei Spekulationen mit Erdgas; Amaranth setzte auf steigende Preise und ging umfangreiche Long-Positionen ein. Als der Preis nicht – wie erwartet – weiter stieg, war Amaranth gezwungen, seine Long-Positionen auf den Markt zu werfen, um einen Totalverlust zu vermeiden. Nun, Amaranth war sicher nicht der einzige Fonds, der davon betroffen war, Gerüchte an der Börse wollen von etlichen weiteren solchen Fällen, auch bei Rohöl, wissen. Durch das plötzliche Überangebot an Spekulationen mussten die Preise sinken, im Falle von Erdgas verfielen sie nachgerade.

Hinzu kommt der Umstand, dass Öl im vierten Quartal erfahrungsgemäß am billigsten ist.

„Big Oil“ – Öl und Politik

Aber ursächlich und verstärkend ist ein anderer Faktor, nämlich „Big Oil“, wie man es in den USA nennt; die Verknüpfung von Öl und Politik. Alle wichtigen Führungspolitiker in den USA stammen aus dem Ölgeschäft und wissen darum, wie wichtig der Ölpreis für die Stimmung der Wähler ist. Der Börsenanalyst und Harvard-Absolvent Bud Conrad untersuchte einmal die Zustimmungsrate des Präsidenten im Vergleich zum Ölpreis und kam zu dem Ergebnis, dass diese sich genau spiegelverkehrt zur Erhöhung des Ölpreises verhält, und das mit einer unglaublichen Präzision.

In den letzten Jahren wurde der Börsenmarkt von stets umfangreicheren Interventionen, vor allem der Zentralbank, geprägt, es ist also nicht ausgeschlossen, dass im Falle des Ölpreises genau das Gleiche passiert.

Angesichts der fast 1:1-Korrelation der Zustimmungswerte und des sinkenden Ölpreises, stellte sich für viele Ölpreisbeobachter die Frage, ob diese Interventionen auch beim Öl vorkommen können.

Gibt es hierfür Möglichkeiten? Die strategische Ölreserve wäre solch ein bekannter Fall. Nach der Hurrikan-Katastrophe in New Orleans verhinderte die Freigabe dieser Reserve einen exorbitanten Anstieg der Ölpreise. Die US-Regierung gab bekannt, diese Reserve gegenwärtig nicht weiter zu erhöhen, ein wichtiges Signal für die Märkte. Ein gegenwärtig beobachtbarer, aber wenig wahrgenommener Faktor ist der sogenannte „Krack-Aufschlag“. Dies ist die Gewinnspanne der Rohölverarbeiter, der Raffinerien, die sie für die Verarbeitung von Rohöl in kurzkettige Kohlenwasserstoffe erhalten.

Die „U.S. Energy Information Administration“ verkündete eben erst, dass dieser Aufschlag gegenwärtig auf „ungewöhnlich niedrigem“ Niveau sei.

Einfacher gesagt: die Raffinerien in den USA verkaufen ihre Produkte gegenwärtig kaum teurer als sie das Rohöl einkaufen. Von einer betriebswirtschaftlichen Sicht aus macht es keinen Sinn, die Raffinerien müssten ihre Preise eigentlich schleunigst erhöhen.

Es macht aber dann einen Sinn, wenn man davon ausgeht, dass der Ölpreis absichtlich niedrig gehalten werden soll.

Würden die Firmen, wenn auch nur kurzfristig, auf ihre Gewinne verzichten? Niemand weiß es genau, aber wenn man davon ausgeht, dass die Partei des Präsidenten, die durch den Irak-Krieg und den erzwungenen Rücktritt eines Abgeordneten aus Florida, der Minderjährige im Kongress belästigt haben soll, in der Defensive ist, und wenn man die engen Beziehungen sowohl des Präsidenten als auch des Vizepräsidenten zu „Big Oil“ berücksichtigt, so glauben mittlerweile etliche Analysten, dass der Ölpreisverfall vor der Kongresswahl kein Zufall ist. So haben die Wahlen in den USA einen globalen Bonus für die Weltwirtschaft erbracht.

Wenn dem wirklich so ist, dann kann man erwarten, dass irgendwann nach den Wahlen in den USA die Ölpreise das machen, was sie seit Jahren tun – klettern.



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