Handwerk überreguliert und verärgert – Merkel sagte Treffen mit Verband wegen Coronavirus ab
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat durch die Coronavirus-bedingte Absage ihres Spitzentreffens mit der deutschen Wirtschaft das Handwerk verärgert.
„Diese Veranstaltung hätte gerade jetzt stattfinden müssen“, sagte Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), am Donnerstag in München. Für Politik und Wirtschaft sei es wichtig, gemeinsam ein Stück Normalität aufrecht zu erhalten. „Da muss ein Kanzler oder eine Kanzlerin auch erkennen, dass ein Signal wichtig wäre.“
Merkel trifft üblicherweise am Rande der Internationalen Handwerksmesse die Spitzen der vier großen Wirtschaftsverbände von Handwerk, Industrie, Arbeitgebern sowie Industrie- und Handelskammern. Nachdem die Handwerksmesse in diesem Jahr wegen der Coronavirus-Epidemie nicht stattfindet, war auch das Spitzengespräch abgesagt worden.
Noch kein neuer Termin
Ob dieses nachgeholt wird, ist nach wie vor unklar. „Über einen Alternativtermin kann ich Ihnen zum derzeitigen Zeitpunkt keine Angaben machen, Termine der Bundeskanzlerin geben wir wie üblich am Freitag der Vorwoche bekannt“, erklärte ein Regierungssprecher. „Generell gilt, dass sich die Bundesregierung in verschiedenen Formaten mit Verbandsvertretern austauscht. Dies gilt aktuell insbesondere mit Blick auf die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Epidemie.“
Die Spitzengespräche waren in den vergangenen Jahren nicht immer erfreulich für Merkel, da die vier Wirtschaftsverbände dort regelmäßig Unzufriedenheit mit der Berliner Wirtschaftspolitik äußern.
Überregulierung und Bürokratie belasten das Handwerk
Gesprächsstoff gäbe es nach Einschätzung des Handwerksverbands auch ohne Corona-Ängste mehr als genug. Eine Hauptforderung ist ein „Belastungsmoratorium“ – die Handwerker protestieren gegen die Verschärfung der Regulierung in den vergangenen Jahren und fordern einen Verzicht auf weitere Vorschriften wie die vom EuGH angeordnete Pflicht zur Arbeitszeiterfassung. „Nichts machen, was die Unternehmen zusätzlich zwiebelt“, sagte Schwannecke. „Wenn wir uns die Wirtschafts- und Sozialpolitik der letzten Jahre ansehen, nimmt sie“ – die Bundesregierung – „wenig Rücksicht auf die Unternehmen.“
Als Beispiel einer aus Handwerkssicht unnötigen Vorschrift nannte der ZDH-Generalsekretär die Pflicht für Arbeitgeber, die Führerscheine ihrer Angestellten zu kontrollieren, wenn diese Firmenfahrzeuge fahren. „Es sind die vielen kleinen Dinge“, sagte Schwannecke. Im Januar hatte der ZDH in Berlin mehr 50 Vorschläge zur Entlastung von Bürokratie vorgelegt, darunter Ausnahmen von der Bonpflicht und weniger Dokumentationspflichten beim Mindestlohn.
Nachwuchs fehlt – Jugendliche streben in Bürojobs
Ein zweites großes Thema bleibt der fehlende Nachwuchs im Handwerk. „Wir haben 250 000 Stellen nicht besetzt“, sagte Schwannecke dazu. Akademische und berufliche Bildung seien gleichwertig. Der ZDH fordert deswegen finanzielle Förderung für die berufliche Bildung vergleichbar mit den Mitteln, die in die Hochschulen fließen. „Wenn uns dieser Fachkräftesockel wegbricht irgendwann, dann hat das erhebliche Auswirkungen auf die Bereiche der Daseinsvorsorge, der Versorgung der Bevölkerung mit handwerklichen Leistungen.“
Dessen ungeachtet erwarten die Handwerker in diesem Jahr weiter gute Geschäfte. Im vergangenen Jahr sind die Umsätze im Schnitt um vier Prozent gestiegen. Die Auftragsbücher sind in den meisten Gewerken nach wie vor gut gefüllt, für dieses Jahr rechnet der ZDH mit einem Plus von drei Prozent. Allerdings sind dabei die Auswirkungen der Coronavirus-Epidemie nicht eingerechnet. „Die Auswirkungen auf das Handwerk sind noch nicht absehbar“, sage Franz Xaver Peteranderl, der bayerische Handwerkspräsident. Tatsächliche Einbußen haben wegen der Absage zahlreicher Messen bisher vor allem Messebauer und Schreiner. (dpa)
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