Gutachten zur Emissionsregeln: Verstößt die EU gegen ihr eigenes Recht?
Mit einer brisanten, inhaltlich jedoch nicht neuen Einschätzung wartet ein Gutachten im Auftrag des UNITI Bundesverband EnergieMittelstand e. V. auf. Der Verband, der die Interessen des Energiehandels und der E-Fuel-Hersteller vertritt, geht davon aus, dass die CO₂-Flottenregulierung der EU gegen Unionsrecht verstößt.
Autor des jüngst präsentierten Gutachtens ist Prof. Dr. Martin Kment. Er ist geschäftsführender Direktor des Instituts für Umweltrecht der Universität Augsburg. Zudem hat er dort den Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht, Umweltrecht und Planungsrecht inne.
Bereits Wulff und Söder äußerten Bedenken zu Flottenregulierung
Derzeit stützt sich die Flottenregulierung der EU-Kommission auf die EU-Verordnung 2023/851 zur Verschärfung der CO₂-Emissionsnormen für Pkw und neue leichte Nutzfahrzeuge. Auf deren Grundlage verhängt sie auch Strafzahlungen von Fahrzeugherstellern bei Überschreitung der Flottenziele. Die dadurch erlangten Mittel führe sie dem allgemeinen EU-Haushalt zu.
Prof. Kment zufolge verstößt die Verordnung jedoch gleich in mehrerer Hinsicht gegen grundlegende Prinzipien des Unionsrechts. Brüssel habe keine europarechtliche Legitimation, derartige Strafzahlungen einzufordern und sich in weiterer Folge anzueignen. Dies hatten auch bereits 2008 Politiker wie der damalige bayerische Europastaatssekretär Markus Söder und Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff moniert.
Wie auch zahlreiche Juristen steht Kment auf dem Standpunkt, dass es den Mitgliedstaaten obliege, Strafbestimmungen für den Fall der Überschreitung von Flottenregeln zu erlassen. Auch die daraus erzielten Erlöse stünden den Mitgliedstaaten zu. Erstmals hatte Brüssel im Jahr 2009 Strafzahlungen gegen Autohersteller wegen Überschreitung der Flottenziele erhoben.
Kritik an Messmethodik der Flottenregulierung
Das von UNITI vorgelegte Gutachten kritisiert zudem die Messmethodik, die der Flottenregulierung zugrunde liegt. Der sogenannte Tailpipe-Ansatz stelle einseitig auf die unmittelbaren Emissionen beim Betrieb eines Fahrzeugs ab und missachte die Summe aller Emissionen über den gesamten Lebenszyklus hinweg.
Dieser Ansatz sei dafür verantwortlich, dass die EU in ihrer Verkehrsstrategie einseitig auf das E-Auto setze – auf Kosten energieeffizienter Verbrennermodelle, aber auch der sogenannten E-Fuels. Diese seien über den gesamten Lebenszyklus hinweg klimaneutral, weil die Treibstoffe bei der Herstellung so viel an CO₂ aus der Luft saugen, wie sie beim Betrieb freisetzen. Allerdings gelten sie derzeit als nicht klimaneutral, weil sie überhaupt CO₂ freisetzen.
Kment äußert, dass der Tailpipe-Ansatz nicht nur veraltet und ineffektiv sei. Er verstoße zudem gegen mehrere EU-Bestimmungen zur unternehmerischen Freiheit, zum Umweltschutz und zur Gleichheit vor dem Gesetz. In gleichem Sinne sei auch die Lkw-Flottenregelung bereits zeitnah zu überprüfen und anzupassen. Derzeit soll es eine solche Überprüfung erst 2027 geben.
Woraus leitet die EU ihre Kompetenz zur Flottenregulierung ab?
Die EU selbst leitet ihre Gesetzgebungsbefugnis in diesem Bereich aus den Kompetenzbestimmungen des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union her. Während die EU nur in Bereichen wie der Zollunion und der Handelspolitik ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis aufweist, fallen Energie- und Umweltpolitik in den Bereich der geteilten Zuständigkeit (Artikel 4 AEUV).
Die Mitgliedstaaten können in einzelnen Bereichen nur dann tätig werden, wenn die EU dies nicht getan habe. Gleichzeitig können sie Gesetzgebungsakte anfechten, wenn die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit verletzt worden seien.
Bezüglich der Flottenregelungen stützt sich Brüssel auch auf die Artikel 192 und 114 AEUV. Diese regeln zum einen die Zuständigkeit, Maßnahmen zur Erreichung der Umweltziele zu ergreifen, einschließlich der Bekämpfung des Klimawandels, zum anderen geht es dort um die Harmonisierung von Rechtsvorschriften im Binnenmarkt, was für die Festlegung einheitlicher Emissionsnormen für Fahrzeuge wichtig sei.
Diese rechtlichen Grundlagen ermöglichen es der EU, verbindliche Vorschriften zur Reduzierung der CO₂-Emissionen von Fahrzeugen zu erlassen, um so zur Erreichung der Klimaziele beizutragen.
Jedes Jahr zu Unrecht mehr Milliarden von Autoherstellern kassiert?
UNITI-Hauptgeschäftsführer Elmar Kühn fordert eine dringende Überarbeitung der Flottenregulierung. Es gelte, „sämtliche rechtswidrigen Regulierungsinhalte zu ändern, die beispielsweise im Jahr 2035 zu einem vollständigen Neuzulassungsverbot für Verbrenner führen“.
Im Vorfeld der EU-Wahlen hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auch Reformen in diesem Bereich angekündigt. So soll das geplante Verbrennerverbot 2026 auf seine Sinnhaftigkeit überprüft werden. Dabei soll es auch erstmals eine über den gesamten Lebenszyklus gehende Betrachtung der jeweiligen Emissionsbilanz unterschiedlicher Kraftfahrzeugtypen gehen.
Inwieweit es eine Überprüfung der Praxis der EU geben wird, selbst Strafgelder wegen diverser Verstöße gegen ihre Flottenregulierung zu verhängen, ist noch unklar. Dem Kment-Gutachten zufolge beläuft sich die Abgabe, die sich Brüssel einverleibt, pro Gramm Kohlendioxid und Kilometer je 95 Euro. Allein im Jahr 2022 wären das für die Hersteller insgesamt 3,68 Milliarden Euro gewesen.
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