Gastgewerbe vor großen Herausforderungen

Die Explosion der Energiepreise könnte für manche Restaurants fatal sein. Doch in einer der größten Krisen im Gastgewerbe gibt es auch Zuversicht.
Gastgewerbe vor großen Herausforderungen
Ob die Gastronomie die steigenden Kosten für Energie, Lebensmittel und Personal wohl noch lange ausbalancieren kann? (Symbolbild).Foto: iStock
Von 27. Oktober 2022

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„Christina Chefin im Ruhestand“, steht auf dem Shirt von Christina Amanatidis. Sie bedient die Besucher in der schmucken Pizzeria La Perla innerhalb der mittelalterlichen Stadtmauer von Bad Neuenahr-Ahrweiler. „Zuerst war Corona, dann kam die Flut, das haben wir alles mit vereinten Kräften gemeistert, aber die Energiepreiserhöhung könnte zu viel sein“, sagt sie. Das Vier- bis Fünffache müsse demnächst für Gas bezahlt werden. Ein Großteil der Kosten könne nicht an die Kundschaft weitergegeben werden. „Eine Pizza für zwanzig Euro ist nicht zu vermitteln“, glaubt sie.

Wie Amanatidis scheinen sich viele Gastronomen und Hoteliers Sorgen um ihre Zukunft zu machen.

Laut einer kürzlich veröffentlichten Umfrage des Gastgewerbe-Bundesverbands DEHOGA haben die steigenden Energiekosten für Strom und Gas drastische Auswirkungen auf das Gewerbe. Ab Oktober 2022 erhöhen sie sich um durchschnittlich 55 Prozent, ab Januar 2023 um 96 Prozent. Für 92,3 Prozent der Betriebe stellen die extremen Energiekostensprünge die größte aktuelle Herausforderung dar.

Das ist aber noch nicht die einzige Belastung. Neben den steigenden Energiekosten machen steigende Lebensmittelpreise, Arbeitskräftemangel und die Unsicherheit bezüglich der Corona-Situation im Herbst und Winter den Betrieben im Gastgewerbe zu schaffen.

Steigende Energiepreise

Michael Pirl, Hoteldirektor des Hotels zum Stein in Wörlitz in der Nähe des weltberühmten Gartenreiches, befürchtet, dass hohe Kosten auf ihn zukommen. Das Hotel mit Badelandschaft sowie das Restaurant verbrauchen viel Energie. „Die Stromkosten könnten sich vervierfachen, die Gas-Tarife sogar verzehnfachen“, sagt er gegenüber dem „Mitteldeutschen Rundfunk“. Die Mehrkosten könnten sich im schlimmsten Fall auf mehrere Hunderttausend Euro pro Jahr belaufen.

Der Fernsehkoch und Restaurantbesitzer Tim Mälzer erläutert auf „Hogapage“, warum es für seine Restaurants kaum Einsparpotenzial gibt: „Ich habe die Lüftung, die auch aus Arbeitsschutzgründen läuft. Ich habe die Kühlung, die ich nicht einfach an und aus machen kann. Ich kann nicht weniger kühlen. Das darf ich nicht. Sicherlich kann ich mein Licht im Klo ausmachen, aber grundsätzlich hab ich nicht so viel Einsparpotenzial, wenn ich mein Geschäft am Laufen halten will.“

Gastwirte und Hoteliers in Nordrhein-Westfalen denken derweil über eine zeitlich befristete Schließung in den Wintermonaten nach, um Kosten zu reduzieren. Wie die WAZ berichtete, habe ein Duisburger Hotelier dies vor. Es könnte wirtschaftlich notwendig werden, den Betrieb während der kalten Jahreszeit zu schließen, sagte der DEHOGA-Präsident von NRW, Patrick Rothkopf, der dpa.

Existenzsorgen

Nach zehn Wachstumsjahren in Folge erlitt das Gastgewerbe 2020/21 den größten wirtschaftlichen Einbruch in der Nachkriegszeit. Insgesamt neun Monate Lockdown und eine Vielzahl von Einschränkungen und Auflagen führten zu nie gekannten Umsatzverlusten und existenziellen Sorgen.

In der genannten DEHOGA-Umfrage gaben im September 66 Prozent der Betriebe an, um ihre Existenz zu bangen. Im Vormonat lag der Wert noch um fast 30 Prozent niedriger. Explodierende Kosten und sinkende Umsätze bringen so manche Existenz ins Wanken. 29,6 Prozent der Betriebe fürchten in diesem Jahr Verluste einzufahren, für 2023 gibt das mehr als jeder zweite Betrieb an (53,5 Prozent).

„Gaspreisbremse“ noch bis 2024

Die Politik hat auf die hohen Energiepreise reagiert. Nachdem die Gasumlage gestrichen wurde, die zu einem Anstieg des Gaspreises geführt hätte, wurde am 29. September die „Gaspreisbremse“ beschlossen; die reduzierte Umsatzsteuer auf Gas von sieben Prozent bleibt bis zum Frühjahr 2024. Die durch einen „Rettungsschirm“ in Höhe von 200 Milliarden Euro Steuergeldern finanzierte Maßnahme subventioniert für Verbraucher sowie kleine und mittlere Unternehmen einen sogenannten Basisverbrauch. Für den darüber hinausgehenden Verbrauch wird der aktuelle Marktpreis angelegt.

Nach dem am 10. Oktober vorgestellten Vorschlag der „ExpertInnen-Kommission zur Entlastung der Mieterhaushalte“ soll die Gaspreisdeckelung aus organisatorischen Gründen erst ab März 2023 greifen. Eine Einmalzahlung „als finanzielle Brücke bis zur regulären Einführung der Gaspreisbremse“ soll im Dezember ausgezahlt werden.

Nach Einschätzung der Bundesnetzagentur wird der Gaspreisdeckel mindestens für einen Zeitraum von fast zwei Jahren gebraucht. Netzagentur-Präsident Klaus Müller geht davon aus, dass Deutschland bis Sommer 2024 „in irgendeiner Art von angespannten Situation“ sein wird, da eine „riesengroße“ Menge an russischem Gas ersetzt werden müsse. Das sagte Müller in einem Podcast des baden-württembergischen Finanzministers Danyal Bayaz (Grüne).

Da der Gaspreis zuletzt wieder nachgegeben hat, bleibt die Entwicklung abzuwarten. Eine „Strompreisbremse“ wurde bereits am 4.9. beschlossen.

Angespannter Arbeitsmarkt

Weiter förderte die DEHOGA-Umfrage zutage, dass sich Lebensmittel um 26 Prozent und Personal um 19 Prozent gegenüber dem August verteuert haben.

Hotelier Pirl vom Wörlitzer Hotel zum Stein hat einen Preisanstieg für Fleisch, Fisch, Gemüse und für Back- und Molkereiprodukte von 50 bis 100 Prozent festgestellt. Das Hotelrestaurant hat deshalb seine Speisekarte geändert. Um Kosten zu sparen, wurde sie verstärkt regional ausgerichtet. Anstatt Lachs gibt es deshalb Saibling, der aus der Region bezogen wird. Auch veganes Essen sei im Trend und preislich attraktiv.

An der Gans zum Martinsfest wird aber festgehalten, auch wenn sich der Einkaufspreis dafür um 80 Prozent erhöht habe. Eine Gans für vier Personen werde dann um die 140 Euro kosten – 35 Euro für ein Gericht –, für Pirl die Schmerzgrenze nach oben.

Auch der Arbeitsmarkt im Gastgewerbe ist angespannt: In der Zeit des Lockdowns und nach dem Ende der Kurzarbeit haben sich viele Mitarbeiter nach sichereren Arbeitsplätzen in anderen Branchen, zum Beispiel im Einzelhandel umgeschaut. Diese verloren gegangenen Mitarbeiter sind nach Ansicht vieler nur schwer wieder zurückzugewinnen. Nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft hätten Hotels und Gaststätten allein im Jahr 2020 rund 216.000 Beschäftigte verloren.

Bereits in der Urlaubssaison in diesem Sommer habe sich die Personalnot in der Branche stark bemerkbar gemacht, erklärt der DEHOGA-Präsident in Brandenburg, Olaf Schöpe, gegenüber der „Deutschen Presse-Agentur“. Restaurants hätten sogar schließen müssen. Bekannt sei, dass Gaststätten bereits Öffnungszeiten einschränkt oder den Mittagstisch gestrichen haben. Auch bei Weihnachtsfeiern, die in der Gastronomie ausgerichtet werden, befürchtet er Einbrüche.

Ausgabebereitschaft auf dem Land hoch

Hotels in den Städten spüren derzeit eine Zurückhaltung von Unternehmen bei Firmen-Veranstaltungen und Dienstreisen. Laut dem DEHOGA-Hauptgeschäftsführer in Hessen, Julius Wagner, gibt es dafür zwei Hauptgründe: die Sorgen vor einer Ansteckung mit Corona und als Sparmaßnahme wegen der hohen Energiekosten.

Bei privaten Gaststättenbesuchen in Gasthöfen auf dem Land sehe die Situation anders aus: hier sei viel los und die gesamtwirtschaftliche Situation mit der hohen Inflation mache sich kaum bemerkbar.

Mit Zuversicht durch die Krise

Zurück in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Den Staffelstab der Verantwortung hat Christina Amanatidis schon 2014 an ihre zwei Töchter Paddy und Nicki weitergereicht, die das Restaurant seitdem gemeinsam leiten. Die verheerende Flut am 14. Juli 2021 im Ahrtal hatte sie bewogen, aus dem Ruhestand zurückzukehren und Zeit und Geld in die Pizzeria zu investieren. – Dass das Haus in der Nähe des Ahrweiler Marktplatzes nicht versichert war, hatte auch sein Gutes: Die Ex-Chefin musste zwar an ihre Altersrücklagen gehen, die Familie hatte aber keine Wartezeit mit Versicherungen und Gutachtern. Als einer der ersten Betriebe eröffnete La Perla am 19. März die Pforten.

Anders als ihre Mutter sieht Nicki Amanatidis die aktuelle Lage mit den hohen Energiepreisen mit Gelassenheit und Zuversicht. Und das trotz schwieriger Mitarbeitersuche und Provisorien im Betrieb – die Flutschäden sind noch nicht gänzlich überwunden. Man müsse erst mal schauen, was wirklich passiert, wie sich die Preise wirklich entwickeln, erklärt sie.

Die 30-Jährige kann sich nicht vorstellen, dass sich die Situation verschärft, weil sich „die Politik das nicht leisten kann“. Gleichwohl sieht sie die Politik in der Pflicht einzugreifen, weil der Druck immer größer wird und die Leute sonst auf die Straße gehen würden.

„Wenn man sich verrückt macht, geht das in die falsche Richtung“ und man habe den Kopf nicht mehr frei für klare Entscheidungen, sagt sie gegenüber der Epoch Times. Eins habe sie aus der Situation nach der Flut gelernt: Es ergebe keinen Sinn, Schuldige zu suchen. Man müsse Schritt für Schritt vorgehen und das Beste daraus machen.

Allzu negative Berichterstattung über die wirtschaftliche Lage schade auch dem Geschäft. Dann blieben die Leute aus Angst auf ihrem Geld sitzen, glaubt sie. Ihre Gelassenheit scheint sich auf die Kundschaft zu übertragen. Am Samstagabend hat sich eine Schlange vor dem Restaurant gebildet. „Auf die Stammgäste kann ich bauen“, sagt sie.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 67, vom 22. Oktober 2022.



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