Gaspreis bedroht LKW-Verkehr – AdBlue-Produktion ruht

Der größte Produzent von AdBlue hat wegen der Gasumlage seine Anlage abgeschaltet. Auch die Düngemittelherstellung macht Probleme. Der Bundesverband Gütertransport und Logistik (BGL) warnt vor massiven Auswirkungen auf die Branche und Versorgungsengpässen in Deutschland.
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Moderne Dieselfahrzeuge wie LKW und Busse sind auf AdBlue angewiesen.Foto: iStock
Von 8. September 2022

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Nachdem das Unternehmen SKW Stickstoffwerke Piesteritz (SKWP) aus Wittenberg (Sachsen-Anhalt) in der vergangenen Woche seine Produktion eingestellt hat, stehen die Zeichen auf Alarm.

SKW ist deutschlandweit der größte Hersteller von AdBlue, einem Zusatzstoff, den fast alle Lastwagen brauchen. „Knapp 90 Prozent benötigen AdBlue“, sagt Martin Bulheller, Sprecher beim Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) auf Anfrage von Epoch Times am 6. September.

Täglich verbrauchen Lastwagen in Deutschland rund 2,5 Millionen Liter AdBlue, so der Sprecher. Alle Dieselfahrzeuge zusammen verbrennen jeden Tag fünf Millionen Liter. Dazu zählen auch moderne PKWs, Busse und Baufahrzeuge.

Kaum Möglichkeiten für Vorratshaltung

Möglichkeiten zur Lagerhaltung hätten kleine bis mittelständischen Transportunternehmen nicht, sie werden als erste stehen bleiben. Viele sind Zulieferanten für andere Speditionen, könnten diese dann nicht mehr beliefern.

Und das hätte fatale Folgen: „Es genügt, wenn an einer Stelle die Kette reißt, dann ist es völlig egal, ob der davor oder danach noch AdBlue hat, wenn der in der Mitte keins mehr hat, ist die Sache in die Grütze gegangen“, beschreibt Bulheller die prekäre Situation. 

Bei SKW Piesteritz steht der Betrieb mittlerweile komplett still, sagt Unternehmenssprecher Christopher Profitlich im Gespräch mit Epoch Times.

Die Ammoniakanlage, das Herz der Produktion, sei abgeschaltet. Grund sind die extrem hohen Gaspreise und die Gasumlage. Die Abgabe würde das Unternehmen monatlich 30 Millionen Euro kosten. Finanziell sei das nicht zu bewältigen. Ändert sich an den derzeitigen Rahmenbedingungen nichts, dann droht den rund 850 Mitarbeitern ab Oktober die Kurzarbeit.

Vorschläge an die Regierung

Für die ohnehin strukturschwache Region eine alarmierende Entwicklung. Denn SKWP ist für die Region in Sachsen-Anhalt das, was Politiker gerne als „Leuchtturm“ bezeichnen. Rührt sich die Politik oder fällt der Gaspreis massiv, dass es aus Sicht des Unternehmens wieder wirtschaftlich wird, geht SKWP sofort wieder an den Start, versichert Profitlich.

Die Gasumlage trifft SKWP besonders hart, „weil wir viel Gas abnehmen, das wir nicht substituieren können. Gas ist ein Rohstoff, den wir verarbeiten“, führt der Sprecher aus. Durch die Gasumlage sei die Situation aus Sicht des Unternehmens dann eskaliert.

Die Geschäftsführung habe der Bundesregierung verschiedene Vorschläge zur Lösung unterbreitet, eine Antwort stehe aber noch aus. „Wir sind auch bereit, für eine gewisse Zeit Verluste hinzunehmen, wenn wir wissen, dass das Problem gelöst wird“, betont Profitlich. 

Staatliche Unterstützung gefordert

Unterstützung bekommt Christopher Profitlich von BGL-Sprecher Martin Bulheller. Er fordert staatliche Unterstützung, „das Unternehmen muss als systemrelevant angesehen werden“.

Insgesamt bezeichnet Bulheller die Situation als schwierig. Es gebe für Mitglieder des Bundesverbandes zwar ein „gewisses Kontingent, doch das ist natürlich auch endlich“. Er hoffe, dass die Produktion bald wieder aufgenommen werden kann. Es gebe zwar noch andere AdBlue-Produzenten in Deutschland, aber die könnten nicht die Mengen produzieren, wie das bei SKWP möglich sei.

Der AdBlue-Tank an der BP-Tankstelle am Autobahnrastplatz in Flachau, Österreich. AdBlue ist eine Dieselabgas-Reinigungsflüssigkeit für Lkw und Busse. Foto: iStock

Russland produziert extrem günstig 

Harnstoff ist ebenfalls Teil der Produktpalette bei SKWP. Aus Erdgas, Luft und Wasser wird in einem speziellen Verfahren zunächst Ammoniak und schließlich Harnstoff als Dünger für die Landwirtschaft hergestellt. Doch würde die Produktion bei dem Wittenberger Unternehmen jetzt laufen, dann würde es möglicherweise auf seinem Erzeugnis sitzen bleiben.

Denn trotz Erdgas-Embargo werden weiter große Mengen aus Russland nach Deutschland geliefert, sagt der Unternehmenssprecher. Und das zu wesentlich günstigeren Preisen. In Russland sei Gas extrem billig und es gelten andere Umwelt- und Sozialstandards als in Deutschland. Man lasse also Lieferungen in die Europäische Union zu, die man unter diesen Bedingungen eigentlich nicht haben wolle.

So werfen die Sanktionen gegen Russland durchaus weitere Fragen auf, „denn wir importieren Gas in anderer Form, und wollten uns eigentlich doch von russischem Gas lösen“. 

Doch so einfach ist das nicht. Das ZDF-Magazin „frontal“ hatte Ende April darüber berichtet, dass die Bundesregierung durch bis zu 30 Jahre währende Langzeitverträge an das russische Unternehmen Gazprom gebunden ist. Die Verträge enthalten sogenannte „Take or Pay“-Klauseln.

„Das heißt, es muss eine Mindestmenge an Gas abgenommen werden“, erklärt Jack Sharples vom Oxford Institute for Energy Studies gegenüber „frontal“. Wird die Mindestmenge unterschritten, bittet Gazprom für die Differenz zur Kasse. 

Speditionen bunkern, sofern sie können

Paul (vollständiger Name ist der Redaktion bekannt) ist Spediteur, er hat ein kleines Unternehmen mit derzeit fünf Fahrzeugen in Düsseldorf. In der Branche hat sich die drohende AdBlue-Krise bereits herumgesprochen.

Die Spediteure versuchten nun, Reserven anzulegen – je nach Größe und Platz, denn nicht jedes Unternehmen hat Raum für eigene AdBlue-Lager. Pauls Fahrer beziehen den Zusatzstoff an der Tankstelle.

Wie lange es noch reicht, kann er nicht sagen: „Das hängt davon ab, wie viel die jeweiligen Tankstellen noch haben und wie viel sie verkaufen“, sagt er im Gespräch mit Epoch Times. Auch kommt es darauf an, wie viele Kilometer die Laster unterwegs sind. Viele Fragen gibt es, die man derzeit nicht konkret beantworten kann, sagt er.

Für seine Fahrzeuge gilt: Wenn er die letzte Ladung AdBlue an der Tankstelle bekommen hat, reicht das noch für 2.500 bis 3.000 Kilometer. Dann müssen seine Laster auf dem Gelände in Düsseldorf stehen bleiben. 



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