Frühere Cum-Ex-Ermittlerin fordert Steuerbetrüger heraus
Nach ihrem Wechsel zur Bürgerbewegung Finanzwende sagt die frühere Cum-Ex-Chefermittlerin Anne Brorhilker Finanzkriminalität abermals den Kampf an. Ihre neue Rolle bei der Nichtregierungsorganisation bedeute eine geänderte Strategie, erklärte sie. „Ich kenne die Täter und weiß, wie sie arbeiten. Dieses Wissen will ich jetzt nutzen, um kriminelle Geschäfte zu verhindern, bevor sie überhaupt passieren können.“
Brorhilker will als neue Geschäftsführerin bei Finanzwende mit öffentlichem Druck auf die Politik dafür kämpfen, dass gestohlene Steuergelder zurückgezahlt werden. Sie sei nun nicht mehr an politische Zurückhaltung gebunden, sagte sie in einem Pressegespräch. Finanzkriminalität werde in Deutschland zu häufig als Kavaliersdelikt angesehen. „Es geht aber um Milliarden, die uns allen fehlen und die wir endlich zurückholen müssen.“
Mühsamer Kampf gegen Steuerkriminalität
Die frühere Kölner Oberstaatsanwältin galt als wichtigste Ermittlerin im Cum-Ex-Steuerskandal, bei den Banken den deutschen Staat mithilfe illegaler Aktiendeals um geschätzt mindestens zehn Milliarden Euro prellten. In rund 120 Cum-Ex-Verfahren wurde in Köln unter Brorhilkers Führung gegen 1700 Beschuldigte ermittelt. Im April bat Brorhilker überraschend um Entlassung aus dem Staatsdienst – verbunden mit scharfer Kritik an der aus ihrer Sicht unzureichenden Aufarbeitung des Steuerskandals.
Bei Cum-Ex-Deals wurden Aktien mit und ohne Ausschüttungsanspruch rund um den Dividendenstichtag zwischen Beteiligten hin- und hergeschoben. Am Ende erstatteten Finanzämter nicht gezahlte Kapitalertragssteuern. Erst 2012 wurde die Gesetzeslücke geschlossen. 2021 entschied der Bundesgerichtshof, dass Cum-Ex-Geschäfte als Steuerhinterziehung zu werten sind. Inzwischen wurden manche Täter verurteilt, darunter Cum-Ex-Architekt Hanno Berger.
Schwere Vorwürfe an Finanzbehörden und Bankenlobby
Bei Finanzwende setzt sich Brorhilker unter anderem für die Verfolgung von Cum-Cum-Geschäften ein, die artverwandt mit Cum-Ex-Deals sind. Obwohl der Steuerschaden bei Cum-Cum mit geschätzt 28,5 Milliarden Euro viel größer sei als bei Cum-Ex, hätten die Finanzbehörden bisher nur einen Bruchteil zurückgeholt. Seit einem Urteil des Bundesfinanzhofs 2015 sei „unzweifelhaft klar, dass die Geschäfte steuerrechtlich nicht in Ordnung sind“, sagte Brorhilker. Knapp zehn Jahre später sei kaum etwas passiert.
Ein Missstand aus Brorhilkers Sicht: Ein Schreiben aus dem Bundesfinanzministerium 2016 habe die klare Faktenlage so weit verkompliziert, dass es die Banken vor einer Rückzahlung der Profite aus den illegalen Geschäften geschützt habe. Erst 2021 sei das Papier korrigiert worden. Finanzwende wolle wissen, wie das passieren konnte. Auf Anfragen bei Finanzbehörden habe man bislang keine befriedigende Antwort bekommen. Daher habe der Verein Klage auf die Herausgabe von Dokumenten eingereicht.
Die Finanzbranche sieht Brorhilker als mächtigen Gegner. Sie sei eine „große, sehr gut vernetzte Branche“, die ein großes Interesse daran habe, effektive Kontrollen und Strafverfolgung zu Cum-Geschäften verhindern. Offenbar komme sie damit durch. Maßgeblich dafür sei die „Blockadehaltung“ betroffener Behörden, kritisierte Brorhilker. Man habe den Eindruck, „dass die Finanzministerien der Finanzlobby näher stehen als dem Bürger“. (dpa/red)
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