Freihandelsabkommen der EU mit Mercosur scheitert – von der Leyen sagt Reise ab

Europa wird in der Welt ein weiteres Stück einsamer: Wie Verhandler durchklingen lassen, wird das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten scheitern. Widerstand gab es etwa aus Brasilien und Argentinien – aus unterschiedlichen Gründen.
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Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten steht vor dem Scheitern. (Archivbild).Foto: iStock
Von 5. Dezember 2023

Am Mittwoch, 6.12., sollte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Rio de Janeiro das seit Langem angestrebte Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten unterzeichnen. Noch am Dienstag hatten Bundeskanzler Olaf Scholz und der skeptische brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva einen Rettungsversuch unternommen.

Mittlerweile ist die geplante Reise der EU-Delegation nach Brasilien abgesagt. Wie „table.media“ aus Verhandlungskreisen erfahren haben will, ist das Abkommen geplatzt. Die EU-Kommission selbst soll zur Erkenntnis gelangt sein, dass eine Einigung zum gegebenen Zeitpunkt als aussichtslos erscheint. Und das, obwohl Kernbereiche bereits seit 2019 als fertig ausverhandelt gelten.

Brasilien sah „keine Ausrede der EU, Abkommen mit Mercosur nicht zu unterschreiben“

Unmittelbar hatten zuletzt Brasilien selbst, Paraguay, aber auch Frankreich ihre Widerstände gegen einen Abschluss des Abkommens zum Ausdruck gebracht. Argentiniens scheidender Präsident Alberto Fernández hatte im Hinblick auf den bevorstehenden Machtwechsel im Land von einer Unterzeichnung Abstand genommen. Am 10. Dezember wird der Libertäre Javier Milei das Amt übernehmen – und er gilt als entschiedener Gegner des Abkommens.

Die Begründungen für die Abkehr von dem geplanten Deal, der eine Freihandelszone für mehr als 720 Millionen Menschen schaffen und fast 20 Prozent der Weltwirtschaft abdecken sollte, sind unterschiedlich.

Brasilien war zuletzt den Europäern bezüglich ihrer Forderungen nach einem Ende der Abholzung des tropischen Regenwaldes entgegengekommen. Präsident Lula hat „Euractiv“ zufolge einen Abholzungsstopp bis 2030 in Aussicht gestellt. Seiner Umweltministerin Marina Silva zufolge sei diese in zehn Monaten um 49 Prozent zurückgegangen. Aus ihrer Sicht gäbe es vonseiten der EU „keine Ausreden mehr“, das Abkommen nicht zu unterzeichnen.

Frankreich stellt Schutz eigener Landwirte über Konsens mit Mercosur

Hingegen hatte sich Lula verständnislos über die Pläne der EU geäußert, eine sogenannte Grenzsteuer einzuführen. Diese soll de facto einen Klimazoll darstellen und Drittstaaten mittels CO₂-Bepreisung dazu veranlassen, die eigenen Exportprodukte zu verteuern. Der brasilianische Präsident warf Europa im Umfeld des EU-Mercosur-Treffens in Buenos Aires im August „grünen Neokolonialismus“ vor. Auch aus Paraguay kam damals ein klares „Nein“ zu europäischen Forderungen.

Deutschland soll diesbezüglich Bereitschaft zum Einlenken signalisiert haben. Dies wiederum brachte Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron auf die Palme. Dieser hatte die eigenen Landwirte und Industriellen im Blick, denen man Regeln zur Dekarbonisierung auferlege. Man könne, so Macron gegenüber der „Financial Times“, nicht alle Zölle aufheben, „um die Einfuhr von Produkten zu ermöglichen, die diese Regeln nicht anwenden“. Der CEO der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), Guntram Wolff, spricht von einem Ausdruck des Protektionismus im europäischen Agrarbereich.

Argentiniens künftige Außenministerin, Diana Mondino, erklärte, das Land unterstütze grundsätzlich das Handelsabkommen, das „eines Tages, irgendwie“ verabschiedet werde. Allerdings ist fix davon auszugehen, dass Präsident Milei dazu nicht zu den Bedingungen der Europäer bereit sein wird.

Verurteilung des „russischen Angriffskriegs“ für EU nötig

Während sich Milei klar für eine möglichst starke wirtschaftliche Anbindung an die USA ausspricht, könnte ein Scheitern des Abkommens anderen Akteuren nutzen. Guntram Wolff rechnet, wie er gegenüber dem „Deutschlandfunk“ deutlich macht, mit einer stärkeren Hinwendung von Ländern wie Brasilien zu den BRICS. Dies würde de facto eine zunehmende Orientierung an China mit sich bringen – und auch dem Umweltschutz massiv schaden.

Für die EU scheint es nicht nur immer schwieriger zu werden, Partner zu finden, die bereit sind, deren umweltpolitischem Sendungsbewusstsein Rechnung zu tragen. So scheiterte in den 2010er-Jahren der Versuch, ein transatlantisches Freihandelsabkommen (TTIP) abzuschließen, hauptsächlich an Europa.

Dort waren Vorbehalte gegen „Chlorhühner“ oder gentechnologisch optimierte Agrarprodukte so hoch, dass ein Vertrag mit den Amerikanern nicht zustande kam. Aber auch die Überfrachtung geplanter Wirtschaftsabkommen mit woken politischen Anliegen steigert die Chancen auf Abschlüsse nicht.

So forderte Brüssel von den Mercosur-Staaten in Buenos Aires eine Verurteilung des „russischen Angriffskriegs“ in der Ukraine. Dazu war jedoch beispielsweise Brasilien nicht bereit. Seit dem Brexit hat hingegen Großbritannien bereits mehrere Freihandelsabkommen abgeschlossen, an denen die EU zuvor gescheitert war.



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