Flugbranche im Sinkflug: Verliert Deutschland durch hohe Kosten den Anschluss?

Gestrichene Flugverbindungen, reduzierte Sitzplatzzahlen, steigende Ticketpreise. Deutsche und Deutschland anfliegende Airlines sind dabei, ihre Kapazitäten zu reduzieren. Der Flughafen Hamburg steht exemplarisch für den Sinkflug der Branche. 
Titelbild
Passagierspirale abwärts – Kostenspirale aufwärts. Lufthansa streicht immer mehr Flüge.Foto: Nate Hovee/iStock
Von 11. Dezember 2024

Anfang November hatten mit Ryanair, Condor und Eurowings gleich drei namhafte Airlines innerhalb kurzer Zeit angekündigt, ihre Präsenz an deutschen Flughäfen zu reduzieren. Billigflieger Ryanair hat sogar erklärt, jeden zehnten Flug von und nach Deutschland aus dem Angebot zu nehmen. Auch die Lufthansa-Tochter Eurowings leistet ihren Anteil an der Abwärtsspirale, allein in Hamburg sollen über 1.000 Flüge gestrichen werden. Das sind drei pro Tag.

Nach Bekanntwerden der Nachricht erklärte laut NDR Eurowings-Chef Jens Bischof zu den Streichungen:

Die Pläne des Flughafens für eine völlig unverhältnismäßige Erhöhung der Entgelte lassen uns keine Wahl.“

Das reduzierte Angebot werde die Anbindung Hamburgs deutlich schwächen und Fliegen spürbar verteuern, prognostizierte Bischof.

Es gebe gute Gründe für die Erhöhung, sagte Hamburgs Airport-Chef Christian Kunsch: Kosten für Energie, Personal und Fremdleistungen seien deutlich gestiegen. Außerdem wolle der Flughafen mit der Entgelterhöhung „starke umweltpolitische Anreize für die Fluggesellschaften“ setzen. Je lauter und später Flugzeuge flögen, desto höher fielen Entgelte und Zuschläge aus.

Flughafenwirtschaft in Turbulenzen

Hamburg ist kein Einzelfall. Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) gibt aktuell einen deutlichen Einbruch der Passagierzahlen an Deutschlands Flughäfen bekannt. In den letz­ten bei­den Novem­ber­wo­chen schrumpfte das Pas­sa­gier­auf­kom­men um minus 2,6 Pro­zent und das auf einem ohne­hin deut­lich nied­ri­ge­ren Niveau als in den Nach­bar­län­dern. Das Pas­sa­gier­auf­kom­men an den deut­schen Flug­hä­fen bleibt selbst hin­ter den Zah­len des schwa­chen Vor­jah­res zurück, das Gesamtaufkommen der an allen deutschen Airports abgefertigten Fluggäste liegt wöchentlich bei nur noch knapp drei Millionen.

Zudem, so der Flughafenverband, sei die Recovery-Rate (Erholungsrate) an deutschen Flughäfen alarmierend, diese habe sich seit Beginn des Winterflugplans deutlich reduziert: Noch zum Ende des Som­mer­flug­plans (Ende Oktober) erreichte sie 91,4 Pro­zent. Jetzt rutschte sie auf einen neuen Tiefst­wert von unter 75 Pro­zent ab – das ist ein Ein­bruch um fast 17 Pro­zent­punk­te.

Deutschland abgehängt im europäischen Luftverkehr?

Zum ersten Halbjahr 2024 hatte der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft attestiert, dass die Erholung des Luftverkehrs in Deutschland nach der Corona-Pandemie deutlich hinter der Entwicklung im restlichen Europa zurück hing. Europaweit hatte das Angebot mit 99 Prozent fast das Niveau von 2019 wieder erreicht, Deutschland hinkte mit nur 83 Prozent hinterher. Ohne die Berücksichtigung Deutschlands hätte Europa sogar 102 Prozent, ein Plus von neun Prozent, des Vor-Corona-Niveaus erreicht.

„Immer mehr Airlines kehren Deutschland den Rücken: ist Habecks Politik schuld?“, fragte „Investmentweek“ schon vor Bekanntwerden des desaströsen November-Einbruchs der Flughafenzahlen. Wesentliche Gründe für den Einbruch seien hohe staatliche Gebühren und Steuern, die die Luftfahrt von deutschen Flughäfen weniger attraktiv machten.

Durch die Steu­ern und Abga­ben, die es in ihrer Dimen­sion nur in Deutsch­land gibt, mei­den Flug­ge­sell­schaf­ten deut­sche Flug­hä­fen. Im Ergeb­nis wer­den Stre­cken gestri­chen und Flug­zeuge ins euro­päi­sche Aus­land ver­la­gert. Ralph Bei­sel vom Flughafenverband ADV kom­men­tiert die Ent­wick­lung wie folgt: „Wäh­rend Stand­orte im euro­päi­schen Aus­land pro­spe­rie­ren, ver­trei­ben die hohen regu­la­tiv beding­ten Belas­tun­gen die Air­lines. Der Ein­bruch bei den Pas­sa­gie­ren an den deut­schen Flug­hä­fen setzt sich unge­bremst fort. Zum Nach­teil von Privat- und Geschäfts­rei­sen­den ste­hen Ver­bin­dun­gen von deut­schen Flug­hä­fen nicht mehr zur Ver­fü­gung. Wir haben ein kla­res Angebots-, kein Nach­fra­ge­pro­blem. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren wurde die Luft­ver­kehr­steuer mehr­fach erhöht.“

Es sei drin­gend not­wen­dig, dass eine neu­ge­wählte Bun­des­re­gie­rung Maß­nah­men zur Ent­las­tung von Air­lines und Flug­hä­fen ergreift. Deutsch­land sollte sich Schwe­den als Vor­bild neh­men und als erste Maß­nahme die Luft­ver­kehr­steuer ersatz­los strei­chen.

Schon im Oktober hatte der Verband gewarnt und an Beispielen vorgerechnet, in welchen konkreten Zahlen sich der Wettbewerbsnachteil Deutschlands für die Luftfahrtindustrie widerspiegelte. Die Steuern und Gebühren hierzulande seien bis zu viermal höher als in anderen europäischen Ländern.

Teure Standorte – leere Flughäfen.

Die Ergeb­nisse der detaillierten Analyse des Flughafenverbandes ADV zei­gen eine alar­mie­rende Kos­ten­be­las­tung für den Luft­ver­kehrs­stand­ort Deutsch­land im Ver­gleich zu euro­päi­schen Nach­bar­län­dern. Es wurden 49 deut­sche und euro­päi­sche Flug­hä­fen aus 20 Län­dern verglichen.

So sind laut Analyse staat­lich indu­zier­te Stand­ort­kos­ten für Kurz- und Mit­tel­stre­cken­flüge in Deutschland um 173 Prozent höher als in den europäischen Nachbarländern. Deutschland schlägt mit durch­schnitt­lich 3.545 Euro zu Buche, die Nachbarländer hingegen nur mit 1.298 Euro. Bei Langstreckenflügen ist Deutschland noch teurer: Der Kos­ten­un­ter­schied ist in Deutsch­land um circa 300 Prozent höher.

Beispiel: Für die Verbindung Frank­furt nach New York sind 18.303 Euro Standortkosten fällig. Die Kosten ab Paris nach New York hingegen belaufen sich auf circa ein Drittel davon mit 6.413 Euro.

Teures Abheben in Deutschland

Ein großer Kostentreiber ist die Luftverkehrsteuer. Steigende Gebühren für Flugsicherung und Gepäckkontrolle machen das Fliegen ebenfalls teurer. Dazu kommen Start- und Landegebühren sowie Umweltauflagen. Neben dem bestehenden Emissionshandel schlagen etwa schärfere Beimischungsvorschriften für nachhaltig produziertes Kerosin (SAF) zu Buche. SAF kostet aktuell etwa das Dreifache von Kerosin – in Zukunft könnte dadurch eine weitere Kostenexplosion zu erwarten sein. Experten warnen diesbezüglich gleich vor dem Niedergang der ganzen Luftfahrtbranche.

Die Kosten seien in Deutschland deutlich höher als im Ausland, argumentieren die Branchenverbände und sehen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Flughäfen in Gefahr, so die „Berliner Morgenpost“.

Am Ende können Airlines ihre Standorte und auch Abflughäfen in andere europäische Länder verlegen. Die wenigsten Deutschen aber können ihren Abflugstandort verlegen, das kostet nicht nur zusätzliche Zeit, sondern auch mehr Geld für die Anreise bei oft schwieriger Erreichbarkeit. Für die deutschen Reisenden bedeutet diese Entwicklung am Ende weniger Flugangebote und höhere Preise.



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