Finanzkollaps in Sicht? EZB meldet alarmierende Risiken für Europas Wirtschaft

Die EZB schlägt Alarm: In ihrem jüngsten Finanzstabilitätsbericht warnt sie vor den möglichen Folgen eines schwachen Wirtschaftswachstums in Europa, das durch die drohende Gefahr eines Handelskriegs mit den USA weiter verschärft werden könnte. Eine solche Negativspirale könnte die Wirtschaft erheblich belasten und sowohl Unternehmen als auch Privathaushalte hart treffen. Es gibt nur eine Lösung.
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Die EZB warnt vor einem Teufelskreis in Europa.Foto: Kirill Kudryavtsev/AFP via Getty Images
Von 21. November 2024

Die Europäische Zentralbank (EZB) warnt angesichts des schwachen Wirtschaftswachstums und der zunehmenden Konflikte im Welthandel vor einer erhöhten Verwundbarkeit des Finanzsystems im Euroraum. „Die Aussichten für die Finanzstabilität werden durch erhöhte makrofinanzielle und geopolitische Unsicherheit sowie zunehmende Unsicherheit in der Handelspolitik getrübt“, sagte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos am Mittwoch bei der Vorstellung des halbjährlich veröffentlichten Finanzstabilitätsberichts der Europäischen Zentralbank.

Das Wachstum bleibt weiterhin fragil. In einem von Unsicherheiten geprägten geopolitischen Umfeld kommen nun auch noch Sorgen um die Aussichten für den Welthandel hinzu. „Neben geopolitischer und politischer Unsicherheit wachsen die Spannungen im Welthandel“, schreibt de Guindos dazu im Vorwort zum Bericht. Das erhöhe das Risiko unvorhersehbarer, aber extremer Ereignisse, so de Guindos.

Notenbanker blicken mit Besorgnis auf die USA

Mit Sorge blicken die Zentralbanker in die USA, wo Donald Trump die Präsidentschaftswahl gewonnen hat. Im Wahlkampf hatte der designierte Präsident wiederholt höhere Einfuhrzölle angekündigt. Sollte Trump seine Androhungen wahr machen, hat auch die EU bereits Gegenmaßnahmen angekündigt. Ein solcher Handelskrieg, vor dem die Zentralbanker warnen, dürfte in der Folge die Wirtschaft im Euroraum schwer treffen.

Bisher haben sich die Finanzmärkte nach Einschätzung der EZB-Banker als widerstandsfähig erwiesen. Allerdings haben Schwankungen an den Börsen wieder zugenommen. Hohe Börsenkurse und die Konzentration von Risiken – insbesondere an den Aktienmärkten – machen die Finanzmärkte derzeit anfälliger für plötzliche Kurskorrekturen nach unten. Eine solche befürchtete Korrektur könnte eintreten, wenn Marktteilnehmer ihre Bewertung von Aktien oder anderen Finanzinstrumenten schnell ändern. Solche Veränderungen werden oft durch geänderte wirtschaftliche Aussichten oder unvorhersehbare externe Ereignisse ausgelöst.

Mit ihrer Warnung vor Schwankungen an den Börsen schlägt die EZB einen deutlich negativeren Ton an als noch im Frühjahrsbericht zur Finanzstabilität. Damals schrieb Luis de Guindos im Vorwort des Berichts:

Die Bedingungen für die Finanzstabilität haben sich seit der Veröffentlichung der letzten Ausgabe des Finanzstabilitätsberichts verbessert.“

Das kurzfristige Risiko einer „tiefen Rezession mit steigender Arbeitslosigkeit“, das sechs Monate zuvor noch ein „Hauptgrund zur Sorge“ gewesen sei, sei „aus heutiger Sicht viel geringer“, hieß es damals im Bericht. Parallel dazu habe auch die „Desinflation Fortschritte gemacht“.

In Europa sei der Inflationsdruck gesunken, heißt es auch im aktuellen Bericht der EZB. Dafür befürchten die Finanzmärkte jedoch, dass das Wachstum schwächer als erwartet ausfallen könnte, schreibt de Guindos.

Hohe Staatsverschuldung wird zum Risiko

Schwache Staatshaushalte in einigen Ländern und das schleppende Wachstum erhöhen das Risiko, dass an den Märkten erneut Sorgen über die Schuldentragfähigkeit aufkommen könnten. Unter den Ländern, bei denen die Zinszahlungen im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sind, nennt der Bericht in einer Übersicht neben Italien auch Frankreich.

Die hohe Verschuldung in mehreren Euroländern schränkt den politischen Spielraum der Regierungen ein, auf negative Schocks zu reagieren, warnt die EZB. Die Gesamtverschuldung im Euroraum ist jedoch im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) seit dem Höchststand zu Corona-Zeiten zurückgegangen. Viele Länder weisen jedoch weiterhin Haushaltsdefizite auf. Angesichts der schwächer als erwarteten wirtschaftlichen Erholung stehen die Regierungen vor der Herausforderung, die Reduzierung der Schuldenquote auf ein vertretbares Maß mit der Förderung des Wirtschaftswachstums in Einklang zu bringen. In diesem Zusammenhang kritisiert EZB-Vizepräsident de Guindos die mangelnde Disziplin einiger Staaten bei der Reduzierung der Schuldenquote.

„Grundsätzlich erholen sich die Primärsalden in normalen Zeiten tendenziell, was eine direkte Folge der konjunkturellen Verbesserung und ihrer Auswirkungen auf die Staatseinnahmen ist“, heißt es in dem Bericht. Dies würde es den Regierungen ermöglichen, die Ausgaben als Reaktion auf negative Schocks zu erhöhen. „Allerdings dürften die Primärsalden in vielen Euroländern derzeit unter dem Niveau bleiben, das typischerweise in Krisenzeiten beobachtet wird, was bedeutet, dass der finanzpolitische Spielraum zur Reaktion auf solche Schocks wahrscheinlich begrenzt sein wird“, heißt es weiter im Bericht.

Die hohen Primärdefizite würden, so die EZB, auch die Bereitstellung zusätzlicher Investitionen zur Bekämpfung „struktureller Herausforderungen wie Klimawandel, Verteidigung und niedriger Produktivität“ erschweren.

Weiter prognostiziert der Bericht, dass die Staatsschulden zukünftig steigen könnten, da das Zinsniveau, zu dem sich Staaten heute verschulden können, gestiegen ist. Auch die Zinssenkungen der Vergangenheit würden daran nichts ändern. Heute auslaufende Staatsanleihen könnten nur zu einem höheren Preis umgeschuldet werden. EZB-Vizepräsident de Guindos warnt in seinem Bericht, dass Investoren wieder stärker auf die Staatsverschuldung achten würden. Damit deutet er an, dass Investoren von hoch verschuldeten Staaten künftig noch höhere Zinsen verlangen könnten.

Trübe Wachstumsaussichten belasten Unternehmen

Diese hohen Kreditkosten, gepaart mit den trüben Wachstumsaussichten, belasten auch Unternehmen. Insgesamt, so die Einschätzung der EZB, seien die Kreditrisiken jedoch nur graduell gestiegen. Kleine und mittlere Unternehmen, aber auch ärmere Privathaushalte, könnten jedoch unter Druck geraten, sollte sich das Wirtschaftswachstum weiter abschwächen.

Die Krise bei den Staatsschulden könnte jedoch auch auf einem anderen Weg auf Unternehmen übergreifen: Die Preise für Unternehmensanleihen orientieren sich ebenfalls an den Preisen für Staatsanleihen. Konkret bedeutet das, dass Unternehmen höhere Zinsen für Kredite zahlen müssen, wenn sie in einem Land tätig sind, dessen Staatsverschuldung gestiegen ist. Wenn diese Unternehmen sich nur zu noch höheren Zinsen verschulden können oder Umschuldungen nur noch zu ungünstigeren Konditionen möglich sind, könnte die Zahl der Insolvenzen steigen.

Ein schwächeres Wachstum, verbunden mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit, hätte auch Auswirkungen auf private Haushalte: Diese hätten es dann aus Sicht der Notenbank schwerer, ihre Kredite weiter zu bedienen.

Immobilienmarkt bleibt Sorgenkind

Ein Sorgenfaktor für die EZB sind weiterhin die Immobilienmärkte. Zwar haben sich die Preise für Wohnimmobilien im Berichtszeitraum stabilisiert, aber die Herausforderungen auf dem Markt für Gewerbeimmobilien bestehen weiterhin. Insbesondere nennt der Bericht hier Telearbeit und E-Commerce als Gründe, warum der Markt für Gewerbeimmobilien im Euroraum unter Druck steht.

Insgesamt geht der Finanzstabilitätsbericht davon aus, dass die Zahl der Kreditausfälle im Bereich der gewerblichen Immobilien steigen wird. Für Banken, die sich auf gewerbliche Immobilien konzentrieren, wäre dies eine erhebliche Belastung.

EZB wirbt für Kapitalmarktunion

Als einen wichtigen Schritt, wie der Euroraum die Finanzstabilität verbessern könnte, nennt der Bericht mögliche Fortschritte bei der Kapitalmarktunion.

Schon im Mai dieses Jahres hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf einer Veranstaltung der in Paris ansässigen EU-Börsenaufsicht ESMA mit Nachdruck für eine Kapitalmarktunion geworben. Unter anderem berichtete damals die FAZ (hinter Bezahlschranke). In ihrer Rede forderte die EZB-Chefin von der Europäischen Union, durch die Aufhebung von Hindernissen für den gemeinsamen Kapitalmarkt die Produktivität zu steigern, damit Ersparnisse besser in Unternehmen und Innovationen fließen könnten. Lagarde sagte damals:

Wir können uns nicht länger als losen Zusammenschluss unabhängiger Volkswirtschaften betrachten.“

Diese Sichtweise sei in einer Welt, die sich in geopolitische Blöcke rund um die größten Volkswirtschaften aufteile, überholt, sagte Lagarde weiter. „Heute müssen wir uns als eine einzige, große Volkswirtschaft mit überwiegend gemeinsamen Interessen verstehen.“



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