Zoll wird zu Geheimdienst und Kriminalpolizei

Der Zoll könnte künftig als Behörde der erfüllbaren Wünsche gerankt werden - aus Sicht der anderen Behörden, versteht sich. "Netzpolitik", das Forum für Freiheitsrechte, hat den Entwurf des überarbeiteten Zollfahndungsdienstgesetzes unter die Lupe genommen und festgestellt: Der Zoll darf künftig alles machen, was sich eine Behörde nur wünschen kann.
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Der Zoll klärt Delikte auf wie zum Beispiel Drogenschmuggel, heimliches Einführen von Waffen, Geldwäsche, illegaler Chemiehandel und Schwarzarbeit. Der Entwurf des überarbeiteten Zollfahndungsdienstgesetz (ZFdG) erweitert die Befugnisse des Zolls zugunsten polizeilicher und geheimdienstlicher Befugnisse.Foto: Oliver Berg/dpa
Epoch Times26. September 2019

Telefonate abhören, Chats auslesen, verdeckte Ermittler einsetzen und Bewegungsprofile erstellen – was wie ein Auftrag eines Fahnders der Kriminalpolizei klingt, dürfte beim Zoll bald Realität werden. Das sieht eine Überarbeitung des Zollfahndungsdienstgesetzes im Entwurf vor.

„Der Zoll darf künftig alles machen, was sich eine Behörde nur wünschen kann“, heißt es auf der digitalen Plattform für Freiheitsrechte Netzpolitik. Das Forum hat sich kürzlich zu den erweiterten Eingriffen geäußert.

Kriminalpolizei statt Finanzbehörde

Gepäckkontrollen, lange Warteschleifen an Grenzübergängen und Zölle kassieren an Häfen, Flughäfen oder Binnengrenzen – so mancher mag das vielleicht mit dem Zoll verbinden. „Aber schon längst kümmert sich der Zoll nicht mehr nur um die originäre Aufgabe der Warenkontrolle und Zollerhebung“, schreibt „Netzpolitik“. Und das sei gewollt.

Tatsächlich werde der Zoll zunehmend Geheimdienst und Kriminalpolizei. Tenor des überarbeiteten Gesetzes sei die präventive Vermeidung von Straftaten.

So zählen zu den typischen Grenzdelikten Drogenschmuggel, Waffenschmuggel, Geldwäsche, illegaler Chemiehandel und Schwarzarbeit.

Potenziell künftige Straftat reicht für Überwachung

Anregungen für die Neuregelungen habe sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) bei den neuen Polizeigesetzen geholt, die aus dem des Bundesinnenministerium stammen. Teilweise seien die Regelungen einfach wörtlich abgeschrieben. Die Schärfe der Polizeigesetze sei hier jedenfalls deutlich wieder zu erkennen.

Künftig darf der Zoll eine Person überwachen, die in Zukunft wahrscheinlich an einer Straftat beteiligt sein könnte. Es braucht nur eine sogenannte „drohende Gefahr“. Der Zoll könne damit ohne Verdacht einer konkreten Straftat ermitteln. Netzpolitik findet eine solche Regelung im Zollgesetz überraschend, zumal der Gesetzgeber lediglich lapidar begründe: Die Regelungen seien zur „effektiven Kriminalitätsbekämpfung“ erforderlich, würden jedoch „bislang fehlen“. Und das war’s.

Dazu kann der Zoll verdeckte Ermittler einsetzen, die das eigene Heim zu jeder Zeit – auch ungebeten – betreten dürfen.

Zoll wird zum gesetzlich legitimierten Hacker

Weiter dürfe der Zoll künftig „Spähsoftware“, sogenannte „Staatstrojaner“ bei der Ermittlungsarbeit einsetzen und damit „legal und heimlich hacken“. Bereits Anfang 2007 bis 2011 setzte der Zoll schon einmal Spähsoftware ein. Aber damals illegal. Deshalb kam die Software ab 2012 nicht mehr zum Einsatz.

Staatstrojaner sind eine Online-Durchsuchung, die direkt Daten am Endgerät (PC, Notebook, Mobiltelefon) mittels Spionagesoftware durchsuchen kann.

Zoll wird zur „Wünsch-dir-was“-Behörde

„Das überarbeitete Gesetz legitimiert den Zoll zu allem, was sich eine Behörde nur wünschen kann“, so das Forum für Freiheitsrechte weiter – verdeckt ermitteln, Wohnungen durchsuchen, Telefonate abhören und aufzeichnen, Chatprogramme auslesen, Handystandorte und deren Besitzer ermitteln und daraus Bewegungsprofile erstellen. Dabei können sogenannte IMSI-Catcher oder WLAN-Catcher eingesetzt werden.

„Netzpolitik“ betont dabei die Mächtigkeit des Zolls, die vielen vielleicht so nicht bewusst ist. Der Zoll selbst rühme sich mit erwirkten Freiheitsstrafen von in Summe rund 1.700 Jahren.

Umfassende Datenanalysen von Personen geplant

Und aus den gesammelten Daten sollen umfassende Profile erstellt werden. In der Zukunft erwartet „Netzpolitik“ eine übersichtliche Zusammenstellung aller Informationen zu einer Person, wenn man diese im Zollinformationssystem googelt. Bereits jetzt umfasse das Zollinformationssystem rund 160.000 Personen. Aber momentan sei die Darstellung noch etwas unübersichtlich, man müsse in unterschiedlichen Gruppen und Delikten suchen.

Dreh-und Angelpunkt des Datennetzes sei das Zollkriminalamt in Köln. Hier werden Überwachungsmaßnahmen koordiniert und Datenanalysen gemacht. Künftig soll der umfassenden Datensammlung und Datenanalyse viel mehr Bedeutung zukommen.

Abstimmung über Gesetz noch dieses Jahr zu erwarten

„Netzpolitik“ rechnet noch in diesem Jahr mit einer Verabschiedung des Gesetzes. Der Bundesrat habe den Entwurf bereits durchgewunken. Jetzt muss noch der Bundestag abstimmen.

Die Strafrechtskanzlei Kolivas hofft, dass der Entwurf noch einmal gründlich nachgebessert wird. In der jetzigen Form seien die massiven Grundrechtseingriffe kaum zu rechtfertigen. (bm)



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