Staatsschulden in der Eurozone: Wie steht Deutschland im Ländervergleich da?

Trotz massiver Staatsverschuldung und eines Haushaltslochs von 12 Milliarden Euro steht Deutschland im europäischen Vergleich noch relativ stabil da, während Länder wie Frankreich und Italien wegen übermäßiger Neuverschuldung unter Druck geraten. Die EU-Kommission hat bereits Defizitverfahren gegen mehrere Mitgliedstaaten eingeleitet, um die Stabilität der Eurozone zu sichern.
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Das Bundesfinanzministerium in Berlin.Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/Archiv/dpa
Von 21. August 2024

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Am vergangenen Freitag einigte sich die Ampelkoalition auf einen Haushalt für das Jahr 2025, der nun zur Beratung an den Bundestag und den Bundesrat geht. Trotz hoher Verschuldung klafft im Haushalt immer noch ein Loch von 12 Milliarden Euro. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern steht Deutschland allerdings noch gut da. Zumindest ging im Juni keiner der berühmt-berüchtigten „blauen Briefe“ nach Berlin.

Verfahren wegen zu hoher Neuverschuldung

Wenn EU-Staaten die Haushaltsregeln der Staatengemeinschaft verletzen, leitet die Europäische Kommission ein Strafverfahren gegen das EU-Land ein. Im Juni waren es sieben Länder, die der Unmut der Brüsseler Beamten traf. Frankreich, Italien, Belgien, Malta, Ungarn, Polen und der Slowakei bescheinigte die Kommission in einem Bericht eine exzessive Neuverschuldung, die ein Defizitverfahren nötig mache. Gegen Rumänien war zu diesem Zeitpunkt schon ein entsprechendes Verfahren anhängig.

Die EU-Kommission überprüft regelmäßig, ob die Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Vorgaben zu Haushaltsdefiziten und Staatsschulden einhalten. Diese Bestimmungen, die Teil des kürzlich reformierten Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts sind, setzen eine Schuldenobergrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) eines Landes fest. Zudem darf das Haushaltsdefizit maximal drei Prozent des BIP betragen. Ziel dieser Maßnahmen ist es, die Staaten zu einer verantwortungsvollen Haushaltsführung anzuhalten. Obwohl theoretisch bei wiederholten Verstößen milliardenschwere Geldstrafen drohen, wurden diese in der Praxis bislang nie verhängt.

Die Defizitverfahren wurden zuletzt aufgrund der Corona-Pandemie sowie der Auswirkungen des russischen Angriffs auf die Ukraine ausgesetzt. Sollte ein Strafverfahren eingeleitet werden, ist das betroffene Land verpflichtet, Maßnahmen zur Senkung von Schulden und Defizit zu ergreifen. Ziel ist es, insbesondere die Stabilität der Eurozone zu gewährleisten.

Im laufenden Jahr, so prognostiziert der Bericht der Kommission, sind es folgende Länder, die über der Drei-Prozent-Hürde der EU liegen:

  • Slowakei: -5,9 Prozent
  • Ungarn: -5,4 Prozent
  • Polen: -5,4 Prozent
  • Frankreich: -5,3 Prozent
  • Italien: -4,4 Prozent
  • Belgien: -4,4 Prozent
  • Malta: -4,3 Prozent

Zum Vergleich: Für Deutschland prognostiziert die Europäische Union in diesem Jahr ein Defizit von -1,6 Prozent. 

Nachdem die EU-Kommission im Juni die Empfehlung ausgesprochen hatte, gegen die sieben EU-Länder ein Defizitverfahren einzuleiten, beschloss der Rat der EU Ende Juli die Einleitung eines solchen Verfahrens. Im November wird Brüssel dann Vorschläge dazu vorlegen, wie schnell das Defizit gesenkt werden soll. Vermutlich wird den Regierungen mehr Zeit zum Abbau ihrer Schulden gegeben als früher. Das geht zumindest aus der jüngsten Überarbeitung des Stabilitäts- und Wachstumspakts hervor. 

Für Frankreich ist es 5 nach 12

Dass Frankreich seinen Staatshaushalt offensichtlich nicht in den Griff bekommt, ist kein gutes Signal. Immerhin ist das Land die zweitgrößte Volkswirtschaft im Euroraum hinter Deutschland. Beide Länder sind auch die Hauptmotoren der europäischen Staatengemeinschaft. 

Der Bericht der Europäischen Union vom Juni prognostiziert für dieses Jahr im Land des Savoir-vivre eine Staatsverschuldung von 112,4 Prozent. Nur Griechenland mit 153,9 und Italien mit 138,6 Prozent liegen im europäischen Vergleich vor Frankreich. Deutschlands Staatsverschuldung wird im Bericht mit 62,9 Prozent angegeben. 

Für Frankreich ist es 5 nach 12 – zu diesem Ergebnis kam im April der Präsident des französischen Rechnungshofes. Immer wieder läutete Pierre Moscovici in den vergangenen Monaten die Alarmglocken. Die hohen Schulden des Landes drohten, das Land zu lähmen, warnt Moscovici. Laut dem „GTAI-Bericht zur wirtschaftlichen Lage Frankreichs“ steht Frankreich mit 3,2 Billionen Euro in der Kreide. Zum Vergleich: Die Staatsschulden Deutschlands liegen laut der Bundesbank bei 2,62 Billionen Euro.

Gegenüber dem Radiosender „France Inter“ warnte der oberste Rechnungsprüfer Frankreichs vor den Konsequenzen der Verschuldungspolitik seines Landes. Für ihn stehe die Frage im Raum, wie Frankreich mit dieser Schuldenlast in die Zukunft investieren kann.

Der Handlungsspielraum Frankreichs, so Moscovici, drohe dramatisch zu schwinden. Allein 2024 zahlt Frankreich 57 Milliarden Euro an Zinsen. Im Vergleich zu 2021 habe sich so die Zinslast mehr als verdreifacht. 

Land steht mit dem „Rücken an der Wand“

Rechnungshofpräsident Moscovici gibt im Radiointerview offen zu, dass Frankreich „mit dem Rücken an der Wand“ stehe. Jetzt müsse man klug handeln, das Defizit und die Schulden senken, ohne das Wachstum zu gefährden.

Im März kündigte Frankreichs Premier Gabriel Attal an, dass bis 2027 die Defizitgrenze der Staatsverschuldung wieder unter drei Prozent gedrückt sein soll. Wie „Euronews“ im März berichtete, sind internationale Ratingagenturen allerdings skeptisch, ob dieses Ziel gelingt. 

Laut dem „Manager Magazin“ bewertet die Ratingagentur Moody’s die Kreditwürdigkeit Frankreichs mit dem Rating Aa2. Dem Land wird damit zwar eine sehr hohe Bonität zugestanden, diese ist aber laut dem Rating langfristig schwer einzuschätzen. Die anderen großen Ratingagenturen Fitch und S&P Global liegen eine Note unter der Note von Moody’s. Sinkt die Kreditwürdigkeit, wird die Aufnahme frischer Gelder für den Staat in der Regel teurer.

Dazu kommt die politische Instabilität. Über einen Monat nach den Parlamentswahlen, die keine klaren Mehrheiten gebracht haben, hat Frankreich keine neue Regierung. Egal, wer demnächst am Ruder sein sollte, die angespannte Finanzlage wird eines der Hauptthemen sein.

Sollte sich die Verschlechterung der Schuldenkennzahlen fortsetzen, könnte der aktuell stabile Ausblick für Frankreichs Rating auf „negativ“ herabgestuft werden. Ein geringeres Engagement bei der Haushaltskonsolidierung würde den Druck auf die Kreditwürdigkeit zusätzlich erhöhen. Zudem betonten die Experten, dass Frankreichs Schuldenlast mit über 110 Prozent des Bruttoinlandsprodukts über dem Niveau vergleichbarer Länder mit ähnlichem Rating liegt.

Alarmierende Situation in Italien

Ähnlich alarmierend sieht es auch in Italien aus. Dort wird die Verschuldungslage immer bedenklicher. Im vergangenen Jahr betrug das Defizit laut dem Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) -7,4 Prozent. Hauptgrund, so schrieb das „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) im April, sei der sogenannte „Superbonus“. 

Italiens Finanzminister Giancarlo Giorgetti bezeichnet den „Superbonus“, so RND, als „infernalische Kriegsmaschine“ und „Monster“. Bei diesem handelt es sich um eine 2021 eingeführte Subvention, die die damalige Koalition aus der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und den Sozialdemokraten beschlossen hatte. Diese sollte der pandemiegeschädigten Wirtschaft helfen. Der Bonus ermöglichte es privaten Hauseigentümern, ihre Liegenschaft vollständig auf Kosten des Staates sanieren zu lassen. Das führt jedoch nun zu enormen finanziellen Belastungen. Die Kosten der Subventionen betragen laut Giorgetti etwa 220 Milliarden Euro, sechsmal mehr als die Ausgaben für das Grundeinkommen, das 2023 abgeschafft wurde. 

Da der Superbonus über Steuergutschriften gewährt wurde, belastet er den Staatshaushalt noch in den nächsten Jahren. Allein im Jahr 2022 führte er zu Steuerausfällen von 77 Milliarden Euro, was das Defizit im vergangenen Jahr statt der geplanten 4,3 Prozent auf 7,4 Prozent steigen ließ. 

Die Subventionen waren damals für Regierungschef Conte nur möglich, weil die europäischen Haushaltsregeln aufgrund der Pandemie ausgesetzt wurden. Die Aussichten für das Land sind also alles andere als rosig.

Bei weltweiter Schuldenquote weit vorn

In diesem Jahr befindet sich Italien in einer angespannten Haushaltslage. Der im vergangenen Jahr verabschiedete Haushalt sah erhebliche Mehrausgaben in Höhe von 28 Milliarden Euro vor, wie das europäische Finanzportal „Boerse.de“ im Dezember 2023 berichtete. Fast 16 Milliarden davon sollen durch Neuaufnahmen von Schulden finanziert werden. 

Italiens Schuldenquote lag im März 2024 bei 137,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP)​. Damit liegt das Land selbst im weltweiten Vergleich vorn. Die Regierung von Giorgia Meloni steht vor der Herausforderung, sowohl ihre Wahlversprechen wie Steuersenkungen umzusetzen als auch die öffentlichen Finanzen zu stabilisieren.

Ein Schwerpunkt des Haushalts ist in diesem Jahr unter anderem die Senkung der Steuersätze für die Einkommenssteuer. Die beiden niedrigsten Steuersätze wurden zusammengelegt und von 25 auf 23 Prozent gesenkt. Auch Steuererleichterungen für Rentner sieht der Haushalt vor. Außerdem sollen Frauen mit mindestens zwei Kindern steuerlich bessergestellt werden. Der Kindergarten soll ab dem zweiten Kind kostenlos sein.

Während diese Maßnahmen breite Unterstützung im Regierungslager fanden, wurden sie von Experten und Gewerkschaften wegen fehlender langfristiger Investitionen, insbesondere in Bildung und Industrie, kritisiert​. Sie warfen der Regierung „Wahlgeschenke“ vor, wie die öffentlich-rechtliche Nachrichtenplattform in der Schweiz „swissinfo“ im Dezember berichtete. 

Für 2025 fehlen 25 Milliarden Euro

Ein Haushaltsplan für 2025 wurde in Italien bisher nicht verabschiedet. Derzeit laufen intensive Debatten. Schon für den Haushalt in diesem Jahr hatte die Regierung es schwer, die Ausgaben- und Steuersenkungsmaßnahmen zu finanzieren. Würde sie diese auch in den Haushalt für das kommende Jahr aufnehmen wollen, dann fehlten ihr, wie das Portal „Börse aktuell“ schreibt, 20 Milliarden Euro.

Zusätzlich wären jährlich 23 Milliarden Euro erforderlich, um diese Steuererleichterungen auch in den Jahren 2026 und 2027 weiterzuführen. 

Auch Deutschland bekommt Rüffel von EU

Zum Schluss noch einmal zurück zum Bericht der Europäischen Kommission aus dem Juni. Die EU-Kommission übte damals auch Kritik an der Bundesregierung, dieses Mal wegen mangelnder Investitionen. Im Bericht warnt die Brüsseler Behörde, dass die Haushaltskonsolidierung die Inlandsnachfrage beeinträchtigen und öffentliche Investitionen erschweren könnte. Der Bedarf an Investitionen sei in den vergangenen Jahren gestiegen, so der Bericht. Zwar habe die Regierung bereits einige Maßnahmen zur Förderung von Investitionen ergriffen, doch deren Umfang sei bislang weder ausreichend gewesen noch habe er zu signifikanten Fortschritten geführt.



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