Professor über Zinsdebatte: Ruhig schauen – so schlimm ist es gar nicht
Früher hatte man nur „gefühlt“ mehr, sagte Martin Weber, Professor für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Bankbetriebslehre an der Universität Mannheim in einem Interview gegenüber der „Welt“. Die Lage nüchtern mit einem ruhigen Herzen betrachten bringe andere Erkenntnisse.
Nicht so schlimm, wie man denkt
Dann, wenn das Vermögen nicht nur „heimlich gestohlen“, also von der Inflation entwertet werde, sondern auch der nominale Geldwert nominal sinke, hätte auch „Lieschen Müller“ verstanden, dass sie von der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) betroffen sei, erläutert Professor Weber gegenüber der „Welt“.
Weber empfiehlt, sich die Lage zunächst einmal ruhig anzusehen. Es sei nicht so schlimm, wie man denke. Nach den Ökonomen Kahnemann und Tversky reagiere ein Mensch nämlich weitaus aufgeregter, wenn ihm direkt etwas weggenommen werde als heimlich. Wenn also der Zins von Null Prozent auf minus 0,5 Prozent sinke, sei ein Mensch weitaus aufgeregter, als wenn der Zins von plus o,5 Prozent auf Null Prozent sinke. Der Unterschied zwischen 0 und minus 0,5 Prozent sei im Übrigen auch gar nicht so groß.
Man solle also nicht voreilig das ganze Bargeld abheben, sondern vielmehr der Realität ohne Emotionen ins Auge blicken.
Entscheidend, ob man nach Abzug der Inflation weniger hat
Um zu wissen, ob und wieviel man weniger hat, muss man zwischen realem und nominalem Einkommen unterscheiden. Und hier liege der Kern des Problems. Menschen denken ungern in realen Größen – Geldwertillusion heiße es unter Fachleuten. Geldwertillusion bedeutet: Menschen nehmen die Inflation nicht wahr und glauben, das Geld hätte noch den gleichen Wert wie früher.
Weber vergleicht es mit der erwarteten Auszahlung einer hohen Lebensversicherungssumme, deren Auszahlungsbetrag (also das nominale Geldeinkommen) viel wert sei, aber die Inflation dabei nicht berücksichtigt werde. Menschen ließen sich davon täuschen.
Man glaubt, man hatte früher mehr
Wenn man nun heute die negative Inflation dazu nehme, hätte man heute gar nicht so viel weniger als damals. Früher bekam man hohe Zinsen, aber auch die Inflation war hoch. Heute habe man negative Zinsen, aber die Inflation sei ebenfalls negativ. Der Realzinsverlust sei also nicht so gravierend.
So habe man früher zwar fleißig gespart, unter anderem mit sogenanntem Prämiensparen, Schatzbriefen und vermögenswirksamen Leistungen. Aber die hohe Inflation habe man davon nicht abgezogen. Weitere beruhigende Indikatoren seien auch etwas höhere Kreditzinssätze gewesen, die es heute ebenfalls nicht mehr gäbe. Auf diese Weise habe sich Deutschland „sozialisiert“.
Mit „soliden Langzeitinvestments“ versuchen
Ein weiterer Grund für die heutige Misere sei, dass in der Vergangenheit zu wenig in den Kapitalmarkt (unter anderem Aktien) investiert wurde. Man habe dem „Unternehmertum“ zu viel Aufmerksamkeit geschenkt. Tatsächlich sei nur jeder fünfte Bürger Aktienbesitzer (in Zahlen: 10,3 Millionen) – und das sei wenig.
Weber rät, es einmal mit „soliden Langzeitinvestments“ zu versuchen. Dazu zählt er eine Auswahl börsengehandelter Indexfonds (sogenannten ETFs [englisch: exchange-traded funds]). Über lange Zeit könne man hier nur gewinnen, da die Auswahl nicht allzu risikoreich sei. Durch Unternehmen aus unterschiedlichen Regionen und unterschiedlichen Branchen werde das Risiko gut gestreut. Man könne nicht alles verlieren. Dann müssten alle „pleite gehen“.
Gefährlich: Fähigkeit und Glück nicht mehr unterscheiden können
Dass Menschen „anti-Börse“ seien, läge an Vorurteilen, dass Vorstände unter anderem Kleinanleger ausnutzen. Aber das sei nicht so, betont Weber. Für Vorstände gäbe es vorbeugende Regeln und der Börsenhandel sei sicher und transparent.
Damit die Angst einem keinen Streich spiele könne, rät Weber davon ab, Aktienindizes von Krisenzeiten wie 2007 bis 2009 zu betrachten, sondern vielmehr den gesamten Verlauf. Und auch solle man von täglichem Inspizieren der eigenen Gewinne und Verluste absehen, um sich psychisch nicht so sehr zu belasten. Verluste würden schlimmer als Gewinne in gleicher Höhe wahrgenommen.
Menschen tendieren im Übrigen dazu, Erfolg den eigenen Fähigkeiten zu verschreiben, aber Missgeschicke dem Pech. Hilfreich sei das an der Börse nicht, sondern das Gefährlichste überhaupt. Ob indes Verlust und Gewinn mehr vom Glück oder vom Können abhängen, verrät Professor Weber der „Welt“ aber nicht. (bm)
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