Kläger erfreut über Urteil des Verfassungsgerichts zu EZB-Anleihenkäufen – Bundesregierung zurückhaltend
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Anleihenkaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) haben sich die Kläger zufrieden mit der Entscheidung gezeigt. Der frühere CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler sprach am Dienstag in Karlsruhe von einem „rechtsgeschichtlichen Moment“. Es sei festgestellt worden, dass „Schecks ausgestellt wurden, die nicht gedeckt waren“. Der AfD-Mitgründer Bernd Lucke sagte, er sei „sehr erfreut“, dass das Gericht den Verfassungsbeschwerden im Wesentlichen Recht gegeben habe.
Die Bundesregierung reagierte zurückhaltend auf die Entscheidung. Die Regierung nehme das Urteil „mit großem Respekt zur Kenntnis“, sagte der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Jörg Kukies. Es habe aber keine Auswirkungen auf die aktuellen Programme der EZB in der Corona-Krise.
Das Verfassungsgericht habe festgestellt, dass die Verhältnismäßigkeitsprüfung der EZB zum Anleihenkaufprogramm PSPP nicht ausreichend gewesen sei. Die Bundesregierung werde jetzt darauf hinwirken, dass diese Prüfung vorgenommen werde. Wie sich das Urteil danach auswirke, lasse sich noch nicht sagen.
Wirtschaftsweise sieht EZB-Urteil kritisch
Unterdessen befürchtet die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer, dass das Bundesverfassungsgerichtsurteil die Coronakrise verschärfen könnte. „Der Zeitpunkt könnte nicht unglücklicher sein für dieses Urteil“, sagte Schnitzer dem „Handelsblatt“ (Mittwochausgabe). Sie mahnte: „Es ist wichtig, dass alle jetzt besonnen reagieren. Denn gerade jetzt in der Coronakrise kommt es darauf an, die Handlungsfähigkeit der EZB und der nationalen Notenbanken im Euro-System nicht zu schwächen, sondern zu stärken.“
Die Notenbanken hätten in der aktuellen Krise sehr entschlossen gehandelt. „Dabei haben sie einen wesentlichen Beitrag geleistet, um die Bereitstellung von Liquidität zu sichern und die Preiserwartungen stabil zu halten“, sagte sie.
FDP will Einführung einer Großkreditgrenze für EZB
Der FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar hat nach dem Verfassungsgerichtsurteil zu den EZB-Anleihekäufen die Reform des Mandats der Notenbank und die Einführung einer Großkreditgrenze gefordert. „Am Ende wird kein Weg daran vorbei führen, dass das Mandat der EZB von der Politik präziser definiert wird“, sagte Toncar der „Rheinischen Post“ (Mittwochsausgabe). „Sinnvoll wäre zum Beispiel eine Großkreditgrenze, mit der Anleihekäufe der EZB begrenzt werden wie bei Geschäftsbanken auch“, sagte der finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.
Toncar begrüßte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. „Erstmals wurde der Bundesbank konkret verboten, an der weiteren Durchführung von Anleihekäufen mitzuwirken, wenn die EZB nicht in der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Weise nacharbeitet. Es ist schwer vorstellbar, dass die EZB ihre Anleihekäufe auf Basis dieses Urteils noch weiter ausweiten oder die Bedingungen lockern darf.“ Das sei sehr zu begrüßen, denn es stärke eine stabilitätsorientierte Geldpolitik, so der FDP-Politiker.
EU-Kommission betont nach EZB-Urteil Vorrang von EU-Recht
Die EU-Kommission hat nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts das Prinzip des Vorrangs europäischer Rechtsprechung betont. „Wir bekräftigen (…), dass die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für alle nationalen Gerichte bindend sind“, sagte ein Sprecher der Brüsseler Behörde am Dienstag. Die Kommission werde das Urteil aus Karlsruhe nun eingehend prüfen.
Das Verfassungsgericht hatte mehreren Verfassungsbeschwerden gegen das milliardenschwere EZB-Programm zum Kauf von Staatsanleihen überwiegend stattgegeben. Die EZB handelte demnach nicht innerhalb ihrer Kompetenzen, weil sie nicht prüfte, ob die Maßnahmen verhältnismäßig sind. Bundesregierung und Bundestag hätten Grundrechte verletzt, weil sie nicht dagegen vorgegangen seien. Das Bundesverfassungsgericht stellte sich damit gegen ein anderslautendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). (afp/dpa/so)
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