Davos: Banker diskutieren über Inflation, Negativzinsen und Klima

Banker lobten die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank in Davos. Aber Nebenwirkungen und nicht rechtzeitige politische Richtigstellungen stehen dem gegenüber. Wie kann die Wirtschaft wieder in Gang gebracht werden? Ist das Inflationsziel neu zu definieren?
Titelbild
Banker debattieren über die Entwicklung der Europäischen Zentralbank in Davos.Foto: Arne Dedert/dpa
Von 27. Januar 2020

In einer der letzten Sitzungen in Davos „Die Zentralität der Zentralbanken“ diskutierten Zentralbanker und Bankexperten über die Geldpolitik der EZB. Im Wesentlichen waren sich die Diskussionsteilnehmer einig, dass die Politik der EZB als Erfolg zu werten ist – von stark zurückgegangener Arbeitslosigkeit über abgewandte Deflation bis hin zu angekurbelter Wirtschaft.

An der Debatte nahmen teil: François Villeroy de Galhau (Gouverneur der französischen Zentralbank), Klaas Knot (Präsident der niederländischen Zentralbank) und Carmen M. Reinhart (Professor für internationales Finanzwesen, Harvard Kennedy School of Government). Martin Wolf (Mitherausgeber und Chefredakteur der Wirtschaftskommentatoren der Financial Times) moderierte.

Hat die EZB in der Vergangenheit Fehler gemacht?

Trotz der Erfolge seien Nebenwirkungen wie finanzielle Instabilität im Bankensystem und Fehlverteilungen nicht von der Hand zu weisen, beginnt Knop. Reinhart, die explizit um eine Einschätzung der Nebenwirkungen gebeten wurde, ging in ihrer Antwort auf die Folgen der niedrigen Zinsen ein. Zwar würden niedrige Zinsen die Kreditkosten des Staates niedrig halten – so die Argumentation ihrer US-Kollegen Larry Summers und Olivier Blanchard. Aber im Kontext einer alternden Bevölkerung bleibe die Lücke zwischen den tatsächlichen Zinssätzen und den versicherungsmathematisch notwendigen Zinssätzen „chronisch groß“.

Auch beim Inflationsziel sei die EZB nicht erfolgreich gewesen, sagt der Präsident der niederländischen Zentralbank. Denn die 2 Prozent wurden unterschritten und das über eine lange Zeit. Zwar gebe es langsam Anzeichen für einen Anstieg, aber Optimismus sei hier noch nicht angebracht.

Kann die Wirtschaft mit der Geldpolitik wieder in Gang gebracht werden?

Die künftigen Probleme, sagt der Gouverneur der französischen Zentralbank, könne die EZB nicht mehr alleine lösen. Die EZB würde gerne ein bisschen weniger im Mittelpunkt stehen und rät zu einem ausgewogeneren politischen Mix mit starken fiskalischen Anreizen.

Reinhart sieht die Banken für noch tiefere Zinsen als gut gewappnet. Das würde den Bankensektor nicht brechen. Die bislang niedrigsten Werte waren minus 6 Prozent – der Zinssatz für Bundesgelder in den USA in der Nachkriegszeit. Ein solcher Zinssatz würde die Menschen vielleicht verärgern, aber die Kapazität wäre da. Reinhart glaubt aber ohnehin nicht, dass die Zinssätze in ein noch negativeres Terrain gehen.

Die wirkliche Herausforderung sei, wie die Wirtschaft wieder in Gang gebracht werden könnte. Dass die Geldpolitik das schaffen könne, bezweifelt sie ernsthaft. Geldpolitische Maßnahmen sollten eigentlich vorübergehend zur Stimulierung und in Zeiten schwacher Nachfrage einsetzt werden. Doch tatsächlich werde die Geldpolitik zur Bewältigung langfristiger struktureller Probleme eingesetzt. Und trotz eines so langen Aufschwungs gebe es immer noch keine Zinsen über Null. Wenn jetzt irgendein unvorhergesehenes Ereignis komme, sei die Zentralbank schon „fertig“ mit ihren Maßnahmen.

Strukturinvestitionen und stärkere Belastung der Steuerpolitik

Knop teilte Reinharts Ansicht nicht. Zentralbanken hätten durchaus noch Spielraum, nur sei dieser kleiner als bisher. Künftig müsse die Steuerpolitik stärker belastet werden. Anderenfalls würde die Last auf die Bürger fallen – mit einer tieferen Rezession und höheren Arbeitslosigkeit. Er gibt zu, dass in den Boom-Jahren 2016/2017 vergessen wurde, den politischen Raum durch nicht antizyklisches Handeln wieder herzustellen. Denn die Wirtschaft war gut, die Inflation aber nicht. Da hätte etwas getan werden müssen.

Aus der Fragenführung von Wolf hört de Gelhau die Anschuldigung heraus: „Wir bedauern es, können es aber nicht ändern und für die Zukunft können wir nichts mehr tun.“ Er ergänzt, dass andere Institutionen der EZB helfen müssen, um wieder auf einen grünen Zweig zu kommen. Die Löhne müssten auf breiter Beschäftigungsbasis und mit Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig gestärkt werden, was Strukturinvestitionen benötige.

Überschreiten die Zentralbanken ihr Mandat durch Integration des Klimawandels?

Diese Frage des Moderators bejahte niemand. Die Teilnehmer waren der Meinung, dass der Klimawandel Teil des bestehenden Mandats ist. Denn der Finanzsektor müsse die Energiewende finanzieren. Risikoprofile von Finanzinstituten würden sich so entsprechend verschieben, sagt Knop. Man müsse sicherstellen, dass die Umweltverschmutzung angemessen bepreist werde.

Ähnlich sprachen sich Kristalina und Lagarde auf einer anderen Sitzung in Davos aus. Unternehmen und Finanzinstitutionen müssen künftig in der Lage sein, Klimarisiken standardisiert zu erfassen, sagt Kristalina. Ökonomen könnten sich einmal Gedanken machen, wie man Umweltrisiken einbeziehen und im Rahmen von Wirtschaftsprognosen und Stresstests in den nächsten 30 Jahren bewerten kann. Von 77.000 Artikel Fachartikeln befassen sich aktuell nur 60 mit Nachhaltigkeit, bestätigt Lagarde.

US-Finanzminister Mnuchin hält das Thema Umwelt für wichtig, weist aber darauf hin, dass es nur eines von vielen ist. Er hält den 30-Jahresplan von Europa nicht für sinnvoll, weil es in 30 Jahren zu viele Änderungen geben werde. Und die Energiebepreisung sei zum einen überteuert, weil die Kosten in zehn Jahren aufgrund der Technologie viel niedriger sein werden, als man heute denkt. Zum anderen würden hart arbeitende Menschen besteuert.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion