EZB möchte sich stärker auf Klimapolitik konzentrieren
Was sind die Ursachen für die Inflation? Darüber wurde in den letzten Monaten öffentlich sehr viel diskutiert. Eine Sache wurde dabei deutlich: Es gibt viele Ursachen. Die hochgeschnellten Energiepreise durch den Ukraine-Krieg gehören ebenso dazu wie die im Zuge der Corona-Pandemie entstandenen Engpässe bei den globalen Lieferketten.
Dazu kommt noch, dass sich in der Coronazeit in privaten Haushalten enorme Überschussersparnisse angehäuft haben. Im März 2021 berichtete das „Handelsblatt“ darüber, dass laut Angaben der Bundesbank die Bankeinlagen der privaten Haushalte von Januar 2020 bis Januar 2021 um 182 Milliarden auf 1,73 Billionen Euro gestiegen waren.
Das Münchner ifo Institut schätzte damals die „Überschussersparnis“ im Jahr 2020 auf 100 Milliarden Euro. Ein Teil dieses Geldes wurde nach Aufhebung der restriktiven Corona-Maßnahmen in den Konsum investiert. Dieser schnellte daher erst einmal in die Höhe. Das rasche Anspringen des Konsummotors wurde damals auch noch unterstützt durch die laissez faire Geld- und Finanzpolitik der Zentralbank. Erst der Krieg in der Ukraine, die Erhöhung der Leitzinsen seit Juli 2022 und die Verteuerungen haben den Nach-Corona-Trend umgekehrt.
Zentralbanken haben den Fokus verloren
Ein Aspekt auf der Suche nach den Inflationsursachen geht in der öffentlichen Debatte allerdings oft unter: Viele Zentralbanken haben in den letzten Jahren ihren Fokus verloren und sich auf Felder begeben, die nicht zu ihrer Kernaufgabe gehören.
Teuerung war viele Jahre kein wirkliches Problem, die Preisstabilität wurde daher auch bei den Währungshütern als gottgegeben angesehen. Man wandte sich munter anderen Themen zu: der mehr oder weniger direkten Finanzierung des Staates, der Bekämpfung von Ungleichheit und dem Schutz des Klimas. An Letzterem scheint vor allem die Europäische Zentralbank (EZB) einen Narren gefressen zu haben.
Isabel Schnabel, Direktionsmitglied der EZB verkündete gerade erst im Januar, dass sich die Zentralbank noch mehr anstrengen müsse, um in der Geldpolitik grüner zu werden. Die bisherigen Maßnahmen blieben noch hinter den Pariser Klimazielen zurück, sagte die Bankerin in Stockholm auf einer Konferenz der schwedischen Notenbank laut Redetext. Sie reichten nicht aus, um einen Pfad der Dekarbonisierung zu gewährleisten, der mit einer CO2-Neutralität der EZB-Tätigkeiten bis 2050 vereinbar sei.
Schnabel hat dabei insbesondere die massiven Anleihenbestände der EZB im Blick. „Das Pariser Abkommen erfordert einen stabilen Dekarbonisierungspfad in unserem Portfolio, unabhängig von unserem geldpolitischen Kurs oder den individuellen Schritten der Unternehmen“, führte sie aus. Die Notenbank solle beispielsweise in Betracht ziehen, das Anleihen-Portfolio aktiv in Richtung umweltfreundlicherer Bond-Emittenten umzuschichten.
Zwei Optionen sieht die EZB-Direktorin, um den Bestand an Staatsanleihen in Zukunft grüner zu gestalten. „Eine ist, den Anteil der von supranationalen Institutionen und Agenturen begebenen Anleihen zu erhöhen.“ Denn ein größerer Teil ihrer Anleihen sei bereits grün. Eine zweite Option sei, den Bestand an Staatsanleihen in Richtung mehr grüner Staatsbonds umzuschichten, da die Regierungen ihr Angebot an solchen Papieren ausweiten.
Unternehmen zukünftig in „grün“ und „weniger grün“ eingeteilt?
Es ist keine Kleinigkeit, die von Schnabel hier vorgeschlagen wird: Die Wirtschaftszeitschrift „Capital“ spricht von 5 Billionen Euro Anleihebestand, der sich im Moment im Besitz der EZB befindet.
Seit dem Jahr 2014 kauft die Zentralbank im großen Stil an der Börse notierte Anleihen von im Euro-Raum ansässigen Unternehmen und Staaten. Bezahlt wurde der Einkauf durch die Schöpfung von Zentralbankgeld in etwa der gleichen Höhe. Die Absicht der Zentralbank war, die langfristigen Marktzinsen zu senken und die Inflation kontrolliert zu befeuern.
Bisher legte die Bank grüne Kriterien nur für Anleihekäufe an, wenn aus dem Ankaufprogramm Papiere fällig werden und das Geld daraus reinvestiert werden soll. Das ist bisher ein relativ kleiner Sektor, zumal die Notenbank seit Juli letzten Jahres keine zusätzlichen Anleihen mehr ankauft. Ab März 2023 soll auch die Reinvestition schrittweise zurückgefahren werden.
Die EZB-Direktorin hat in ihrer Rede in Stockholm deshalb auch zur Diskussion gestellt, dass die Notenbank auch aktiv an die Bestände der Unternehmens- und Staatsanleihen gehen könnte.
Sollte dieser Vorschlag sich durchsetzen, dann werden sich Unternehmen zukünftig gefallen lassen müssen in „grüne“ und „weniger grüne“ eingeteilt zu werden. Würde man ähnlich bei den Staatsanleihen vorgehen und die Unterscheidung vornehmen, dürfte das bei den Mitgliedstaaten in der Europäischen Währungsunion sicherlich zu Unmutsbekundungen führen. Daher schlägt Schnabel selbst vor, sich zunächst stark auf grüne Anleihen von supranationalen Institutionen zu konzentrieren. Im zweiten Schritt dann auf explizit als „grün“ emittierte Staatsanleihen.
Werden genehme Unternehmen zukünftig durch EZB subventioniert?
Was sicherlich auf den ersten Blick alles sehr finanztechnisch klingt, ist praktisch gedacht ein bedenklicher Schritt. Unternehmen, die beispielsweise ihr Geld mit der Erzeugung erneuerbaren Energien verdienen, würden weniger Zinsen für ihre Unternehmensanleihe zahlen müssen als andere, weil die EZB durch ihre Ankaufspolitik den Zins drückt.
Ähnliche Mechanismen kommen schon einige Zeit bei italienischen Staatsanleihen zum Einsatz. Hier kauft die EZB-Anleihen auf, um deren Finanzierungskonditionen deutlich zu verbessern. Der selektive Kauf von Unternehmensanleihen wäre am Ende nur eine konsequente Fortsetzung schon heute gelebter Praxis.
Zeitgleich gibt es in den USA gänzlich anderen Töne. Während sich Isabel Schnabel in grünen Investitionsträumen ergießt, betont Jerome Powell, Chef der US-Notenbank Fed: „Wir sind keine Klimapolitiker – und werden es auch nicht sein.“ Zwar gibt es auch in den USA viele Politiker und Umweltverbände, die vom Fed mehr Aktivismus in der Klimapolitik fordern. Doch in auffälligem Kontrast zum Selbstverständnis der EZB meinte Powell, es gehöre nicht zum gesetzlichen Mandat der Notenbank, die Geldpolitik für Klimaziele einzusetzen. Im Fokus stehe vielmehr die Bekämpfung der Inflation.
EZB könnte in Zielkonflikt geraten
Fed-Chef Powell spricht damit ein tatsächliches Problem an, das nicht einfach wegdiskutiert werden kann. Wenn Währungshüter sich nicht auf die eigentliche Aufgabe konzentrieren und gleichzeitig mehrere Ziele erreichen möchten, kommen sie schnell in einen Zielkonflikt. Das ist gerade in der Geldpolitik ein Problem.
Ein ganz praktisches Beispiel: Bei hoher Inflation kann es durchaus notwendig sein, dass eine Notenbank „grüne“ Wertpapiere verkauft. Die Geldmenge sinkt und der Teuerungsschub wird eingedämmt. So weit, so gut: Gleichzeitig sinkt aber auch der Marktpreis der grünen Anlage, was unter klimapolitischen Gesichtspunkten nicht gewünscht sein dürfte.
Es bliebe der Notenbank auch noch eine andere Maßnahme: Die Notenbank erhöht die Zinsen, um die Inflation abzuschwächen. Dieser Schritt hat aber gleichzeitig Auswirkungen auf Investitionen in erneuerbare Energien, da diese dadurch verteuert werden. Ein Übergang in eine grüne Wirtschaft wird damit erschwert.
Diese beiden Beispiele zeigen, dass gutgemeint nicht immer gutgemacht sein muss. Wie sollen sich Notenbanken in solchen Zielkonflikten verhalten? Sollen sie grüne Wertpapiere beim Verkauf verschonen? Sollen für grüne Investitionen niedrigere Zinsen gelten?
Für Nebenregierungen ist kein Platz
Klimaschutz ist die Aufgabe gewählter Regierungen. Diese verfügen über die nötigen Instrumente. Für faktische, demokratisch nicht legitimierte Nebenregierungen in der Eurozone ist kein Platz. Es ist ein Zeichen von Hybries, wenn die EZB ihre Aufgabe darin sieht, mit dem Kauf von „grünen“ Anleihen die Wende zu einer nachhaltigeren Energiewirtschaft zu fördern.
Man möge nur einmal darüber nachdenken, EZB-Direktorin Schnabel hätte in Stockholm darüber gesprochen, die EZB würde mit ihrer Selektion von Unternehmensanleihen für ihr Portfolio zukünftig Unternehmen bevorzugen, die AKWs betreiben, um ihnen so die Refinanzierung zu erleichtern? Den politischen Aufschrei kann man sich vermutlich vorstellen.
Die EZB würde gut daran tun, sich an der Fed ein Beispiel zu nehmen und sich auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren. „Es lässt sich noch nicht ausmachen, dass die Geldpolitik so sehr greift, dass wir hoffen können, dass die Inflation mittelfristig zu unserem Inflationsziel von zwei Prozent zurückkommt“, sagte Isabell Schnabel am vergangenen Dienstag in einem Webinar des Vereins Finanzwende. Es sei derzeit weder klar, wie weit die Zinsen steigen müssten, noch, wie lange sie dort bleiben müssten.
Das zeigt deutlich, wohin der Blick der EZB jetzt gerichtet sein muss: Die Inflationsbekämpfung braucht die gesamte Aufmerksamkeit. Stabile Preise sind einfach viel zu wichtig, als dass man sich hier auf Nebenschauplätzen tummeln kann.
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