Enteignung? Der Berliner Volksentscheid am 26. September
Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Dieser wirtschaftliche Mechanismus ist zwar kein Naturgesetz, aber gilt auch in Berlin. Und auch für Wohnungen. Werden mehr Wohnungen gesucht, steigen die Mietpreise. Gibt es ein Überangebot an Wohnungen, haben die Mieter Vorteile.
Berlin will seinen Wohnungsmangel nach der Bundestagswahl nicht durch Neubauten lösen. Stattdessen sollen Vermieter, die mehr als 3.000 Wohnungen besitzen, enteignet werden. Dafür trommelt die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“.
„Deutlich unter Verkaufswert entschädigen“
Rund 200.000 Wohnungen sollen Immobilienunternehmen weggenommen und vergesellschaftet werden. Zum Ausgleich soll eine „Zahlung einer Entschädigung deutlich unter Verkehrswert an die betroffenen Wohnungsunternehmen“ geleistet werden.
Mit „Ja“ oder „Nein“ können Berliner Bürger am 26. September darüber in einem Volksentscheid abstimmen, parallel zur Wahl des Bundestages und des Berliner Abgeordnetenhauses. Wenn mindestens 613.000 Berliner „Ja“ ankreuzen, wäre der Volksentscheid erfolgreich.
Daraus folgt nicht direkt, dass es zu einer Enteignung der Wohnungsunternehmen kommt. Zur Abstimmung steht nur ein Beschlussvorschlag und kein Gesetzentwurf. Die Folge wäre, dass die Berliner das Thema ihrer nächsten Landesregierung als Arbeitsauftrag mitgeben. Diese würde daraufhin einen Entwurf für ein „Vergesellschaftungsgesetz“ erarbeiten.
„Rattenfänger heizen die Stimmung an“
Das Enteignungsvorhaben erinnert an den Plan, der im Juni 2018 von der Interventionistischen Linke Berlin (IL) veröffentlicht wurde. Er trägt den Titel „Das rote Berlin – Strategien für eine sozialistische Stadt“. Die IL ist ein bundesweiter Zusammenschluss lokaler linker Gruppen, die vom Verfassungsschutz als „postautonome Gruppen“ bezeichnet und beobachtet werden.
Es könne gar nicht genug Vorschriften, Regelungen, Steuern und Investitionshindernisse geben, um die Grundlage des Geschäftes mit dem Wohnen zu beseitigen, heißt es darin. „Unsere Strategie will Kämpfe nicht befrieden, sondern zuspitzen.“ Und: „Wir befürworten den Zusammenbruch der Immobilienpreise … Eigentum ist keine Lösung. Eigentum ist Diebstahl.“
Nicht nur die Linke, auch die SPD stellt Forderungen nach Verstaatlichung auf. Die Grünen wollen Mieter entlasten und nähren so ihren Ruf, eine Verbotspartei zu sein. Widerstand gegen die geplante Enteignung führte in Berlin bereits zu Anschlägen auf Parteibüros bei CDU-Mietrechtsexperten oder der FDP.
Mietrecht ist bundesweit einheitlich geregelt
Der Volksentscheid wurde in Gang gebracht, nachdem das Bundesverfassungsgericht den Berliner Mietendeckel am 15. April 2021 gekippt hatte. Mit dem Mietendeckel sollten unter anderem die Mieten in Berlin für fünf Jahre eingefroren werden. Betroffen waren rund 1,5 Millionen Wohnungen.
Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Regelung für nichtig und mit dem Grundgesetz unvereinbar, da der Bund das Mietpreisrecht abschließend geregelt hat. Die Bundesländer – und auch Berlin – haben keine Gesetzgebungsbefugnis. Bundesrecht geht vor Landesrecht.
Beobachtungen: Wohnungsangebot ging um die Hälfte zurück
Wozu soll ein Unternehmen in Wohnungen investieren, wenn Enteignung droht? Warum soll eine Firma Neubauten errichten, wenn sie anschließend „deutlich unter Verkehrswert“ entschädigt wird?
Von Februar 2020 bis April 2021 wurde in Berlin nach dem Mietendeckel gehandelt. Die Auswirkungen seien „enorm“ gewesen, besagt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft vom August 2021:
– Das Angebot an Mietwohnungen ging um 51,8 Prozent zurück.
– Der Anteil der Eigentumswohnungen stieg um 4,7 Prozent, die Angebote um 40 Prozent.
– Die Mieten für die vom Mietendeckel erfassten Wohnungen sanken im Schnitt um zehn Prozent.
– Rund 60 Prozent der Vermieter verschoben große Investitionen, rund 45 Prozent auch kleine. Energetische Modernisierung, grundlegende Instandhaltungen oder altersgerechte Umbauten erfolgten nur in geringem Umfang.
– Vier Prozent der kleineren Vermieter konnten ihre Kreditraten nicht bezahlen, 15 Prozent mussten starke Einschränkungen hinnehmen, um den Schuldendienst für ihre Immobilien zu bewältigen.
– Weitere 15 Prozent der Vermieter hatten Mietausfälle von bis zu 20 Prozent.
Ein Blick aufs Geld
Angenommen, die Stadt würde sich für die Enteignung entscheiden und Entschädigungen zahlen: Wie teuer wäre das? Die amtliche Kostenschätzung kommt in ihrer Berechnung auf 28,8 bis 36 Milliarden Euro, die an die Immobilienunternehmen zu zahlen seien. Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ spricht von 7,3 bis 13,7 Milliarden Euro, die nach ihren Angaben vollständig aus den Mieteinnahmen refinanziert werden könnten.
So gesehen fehlt Berlin dazu das Geld. Im Jahr 2019 hatte Berlin insgesamt nur Einnahmen in Höhe von 29,8 Milliarden Euro. 4,4 Milliarden flossen über den Länderfinanzausgleich an die Spree.
Die Berliner Nettokaltmieten liegen bei 14 bis 19 Euro in Innenstadtlage. Verglichen mit anderen Groß- und Hauptstädten Europas ist das eher günstig – München liegt bei 24 Euro. 80 Quadratmeter kosten in Moskau rund 2.740 Euro (34 Euro/Quadratmeter) monatlich, in London sind für ein Apartment mit drei Zimmern im Stadtzentrum 2.670 bis 5.230 Euro hinzulegen.
Die „Rote Stadt“ soll laut dem Plan der Interventionistischen Linken bundesweit durchgesetzt werden. Erreicht werden soll das, indem beispielsweise Wahlversprechen eingeklagt und dabei stetig weitertreibende Forderungen aufgestellt werden.
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