Ölembargo Russland: 4 Millionen Tonnen Diesel müssen ersetzt werden
Seit dem Beginn des Ukraine-Krieges verhängte die Europäische Union zahlreiche Sanktionen gegen Russland. Nach Industrieprodukten wie Stahl und Holz darf seit Dezember 2022 kein russisches Rohöl durch die EU importiert werden. Ab 5. Februar sind auch raffinierte Erdölerzeugnisse aus der Föderation verboten – darunter Diesel.
Bisher war Russland der größte externe Direktlieferant der EU. Um den hohen Treibstoffbedarf von Industrie, Gewerbe, Landwirtschaft und Privatverkehr weiter bedienen zu können, müssen die EU-Staaten die Importmengen anderer Lieferländer erhöhen. Dabei ist nicht auszuschließen, dass letztlich doch russische Raffinerieprodukte indirekt ihren Weg in die europäischen Zielländer finden.
Wird Tanken bald teurer?
„Entsprechend den Importen vergangener Jahre müssen rund vier Millionen Tonnen Diesel pro Jahr ersetzt werden“, teilt Rainer Diederichs, Pressesprecher des Wirtschaftsverbands Fuels und Energie e. V., auf Anfrage mit.
2022 habe Deutschland nach vorläufigen Zahlen 12,5 Prozent seines im Inland abgesetzten Dieselkraftstoffes aus Russland bezogen.
Ob ab dem 5. Februar die Preise an den Tankstellen infolge des Embargos steigen, bleibt abzuwarten. Der Wirtschaftsverband hält sich hier mit Prognosen zurück.
„Ausschlaggebend für die Preise an den deutschen Tankstellen sind die internationalen Produktpreise, insbesondere die Börsennotierungen in Rotterdam“, unterstreicht Diederichs.
220 Millionen Barrel Diesel müssen ersetzt werden
Die gesamte EU importierte im vergangenen Jahr etwa 220 Millionen Barrel Dieselprodukte aus Russland. Diese fallen in Kürze weg. Aber „die verlorenen russischen Vorräte werden ersetzt“, versicherte Eugene Lindell, Leiter der Abteilung für raffinierte Produkte bei der Beratungsfirma Facts Global Energy. Noch ist unklar, bis wann die komplette Menge ersetzt sein wird und aus welchen Ländern sie kommen soll.
Diederichs sagte zu möglichen Engpässen: „Wenn Mineralölprodukte in Lieferregionen fehlen, erfolgen diese durch zusätzliche Importe aus dem Ausland und durch Transporte innerhalb Deutschlands. Zusätzliche Importe könnten z.B. aus den USA und dem arabischen Raum erfolgen.“
Daraus würden sich jedoch weitere logistische Herausforderungen ergeben. Die deutsche Mineralölwirtschaft arbeite mit Hochdruck daran, die Versorgung weiterhin sicherzustellen.
Zusätzlich würden die Reserven des Erdölbevorratungsverbands (EBV) Deutschland eine gewisse Versorgungssicherheit verschaffen. „Der EBV hält gesetzlich vorgeschriebene Mengen an Erdöl und Erdölerzeugnissen in Höhe der innerhalb von 90 Tagen netto nach Deutschland eingeführten Mengen vor. Derzeit werden rund 15 Millionen Tonnen Rohöl und 9,5 Millionen Tonnen fertige Mineralölerzeugnisse wie Benzin, Diesel, Heizöl und Flugkraftstoff vorgehalten.“
Diese strategischen Reserven seien landesweit verteilt, um auf regionale Versorgungsstörungen schnell reagieren zu können, ergänzte Diederichs.
Bezugsquellen im Ausland
Der für die EU naheliegendste Ort für Importe ist der Nahe Osten. Erst kürzlich sollen hier große Ölkonzerne riesige neue Ölraffinerien in Betrieb genommen haben, die entsprechend große Mengen an Treibstoff herstellen können.
Abu Dhabi National Oil Co. hat laut „Blackout News“ bereits einen Liefervertrag für Deutschland abgeschlossen. Auch Indien und die USA, die beide seit mehreren Jahren die EU versorgen, erhöhten in den letzten Wochen ihre Lieferungen.
China könnte ebenfalls als wichtiger Lieferant der EU gelten, wenn auch indirekt. „Chinas Politik ist der Wendepunkt“, sagte Mark Williams, Forschungsdirektor bei Wood Mackenzie Ltd. Das Land „hält den Schlüssel zu all den überschüssigen Raffineriekapazitäten weltweit.“ Die Lieferungen von Diesel aus China haben in den letzten Monaten deutlich zugenommen.
„Die aktuellen Entwicklungen werden großen und nachhaltigen Einfluss auf die Energieversorgung der Zukunft nehmen“, unterstreicht Diedrichs. Viele Handelsströme würden sich aufgrund der Embargos verlagern. „Ziel für die Zukunft muss sein, unsere Energieversorgung in Deutschland auf eine breitere Basis zu stellen und dabei immer mehr auf treibhausgasneutrale Energie zu setzen.“
Kommt russischer Diesel nun indirekt zu uns?
Mit Indien als Bezugsquelle könnten die Ölprodukte aus Russland auf Umwegen zu uns kommen – zu teilweise deutlich höheren Preisen. Der Wirtschaftsverband schließt diese Möglichkeit nicht aus: „Es besteht die Möglichkeit, dass russische Produkte z. B. in Drittländern, die sich nicht am Embargo beteiligen, eingemischt werden und so auf den Weltmarkt gelangen.“
Indien profitiert laut einem Bericht von „Focus“ ganz besonders von den europäischen Sanktionen gegen Russland. Im vergangenen Jahr (Stand: November) stiegen die Ölimporte von kaum nennenswerten Mengen auf rund 900.000 Barrel (143,1 Millionen Liter) pro Tag an. Russland erkaufte sich Marktanteile mit teils heftigen Rabatten – und Indien profitierte davon. Das südasiatische Land bekommt somit nicht nur höhere Mengen an Rohöl, sondern diese auch noch günstiger als auf dem Weltmarkt.
Indische Raffinerien passen sich der Lage an. Mittlerweile produzieren sie so viel, dass sie pro Monat 2,64 Millionen Tonnen raffiniertes Öl exportieren können. Das ist rund fünfmal so viel wie noch vor Beginn des Ukraine-Krieges. 21 Prozent aller Ölexporte Indiens, rund 730.000 Tonnen pro Monat, gehen nach Europa.
Schaden die Sanktionen Putin?
Brüssel hofft, dass das Dieselembargo die russische Kriegskasse austrocknet. Zumindest sollen die Sanktionen Russlands Einnahmen aus dem globalen Handel mit Rohstoffen schmälern. Laut einem Bericht der „Welt“ wird russisches Rohöl bereits seit einigen Wochen nicht mehr in die EU geliefert – was Russland täglich 160 Millionen Euro kosten soll.
Das kommende Importverbot für Diesel und andere verarbeiteten Produkte wie Kerosin, Diesel und Heizöl dürften laut Expertenaussagen Russlands Einnahmen um weitere 120 Millionen Euro pro Tag verringern.
Momentan scheinen die EU-Länder jedoch Putins Kasse kräftig zu füllen. Damit die betroffenen Branchen nach dem 5. Februar noch ausreichend Diesel zur Verfügung haben, kaufen sie derzeit so viel russischen Diesel wie lange nicht. Damit füllen sie ihre Lager, bevor das Importverbot in Kraft tritt.
Täglich kommen aktuell 770.000 Barrel (122,43 Millionen Liter) Diesel aus Russland nach Europa. Das belegen Daten der britischen Analysefirma Vortexa. Das ist die größte Menge seit März des vergangenen Jahres, also seit dem ersten vollen Kriegsmonat. Zum damaligen Zeitpunkt sprach noch niemand über Rohstoffsanktionen.
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