Einigung auf neue Schuldenregeln: EU will zurück zu Maastricht – aber nicht sofort
Die Unterhändler der Mitgliedstaaten der EU und des Europäischen Parlaments haben sich am Samstag, 10. Februar, auf eine Reform der Schuldenregeln geeinigt. Diese werden den in der Corona-Zeit ausgesetzten Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) von 1997 ersetzen und sollen die Staatengemeinschaft perspektivisch wieder zurück zu den Maastricht-Kriterien führen.
Tatsächlich standen diese bereits vor der Pandemie vielfach nur noch auf dem Papier. Dies lag nicht nur an den hoch verschuldeten südeuropäischen Staaten, die Anfang der 2010er-Jahre zu einer Krise in der Eurozone beigetragen hatten. Bereits 2019 verfügte kaum noch ein Mitgliedstaat über einen Haushalt, der den Kriterien des SWP genügt hätte.
Stabilitätspakt der EU sollte Haushaltsdisziplin gewährleisten
Der SWP sollte ursprünglich einen regelbasierten Rahmen darstellen, um das finanzpolitische Gebaren der Mitgliedstaaten zu überwachen und zu koordinieren. Er sollte fiskalische Stabilität sicherstellen und gleichzeitig Wachstum gewährleisten.
Inhaltlich war der SWP eng an die sogenannten Maastricht-Kriterien angelehnt, deren Einhaltung als Voraussetzung für die Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion gilt.
In beiden Fällen galt es als Regel, dass das Haushaltsdefizit im laufenden Jahr nicht mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen durfte. Zudem durfte der gesamte Schuldenstand der öffentlichen Haushalte 60 Prozent davon nicht überschreiten.
Der SWP geht über die Maastricht-Kriterien hinaus, indem er noch zusätzliche Regelungen zur Schuldenkonsolidierung und zum Defizitabbau beinhaltet. Diese sollen mit der neuen Regelung abgeändert werden.
Neue Schuldenregeln sollen zu Maastricht-Kriterien zurückführen
Nach Jahren exzessiver Schuldenpolitik im Zeichen von Corona sowie „Green Deal“-bedingter und digitaler „Transformation“ soll es nun wieder zurück zu den Wurzeln gehen. Die Maastricht-Kriterien bleiben das Ziel der europäischen Fiskalpolitik.
Dennoch soll es mehr Flexibilität geben, um öffentliche Investitionen in die „Transformation“ zu ermöglichen – und den Ausbau des Militärapparats angesichts des Ukraine-Krieges.
Bedingt durch die ambitionierten Projekte eines klimaneutralen und hochgerüsteten Europa ist an eine schnelle Haushaltskonsolidierung nicht mehr zu denken. Deshalb sollen die Mitgliedstaaten ab 2025 sieben statt, wie bislang geplant, vier Jahre Zeit haben, um laufende Schulden und das Gesamtdefizit abzubauen.
Länder mit einer Verschuldung über 90 Prozent des BIP sollen ihre Schulden über diesen Zeitraum hinweg im Schnitt um ein Prozent pro Jahr reduzieren. Liegt das Gesamtdefizit zwischen 60 und 90 Prozent, ist wiederum 0,5 Prozent Abbau der Richtwert.
Schlupflöcher für besonders stark verschuldete EU-Staaten?
In Wachstumsperioden sollen Länder mit einem Defizit von mehr als drei Prozent dieses wiederum auf 1,5 Prozent halbieren. Auf diese Weise sollen sie einen Sicherheitspuffer für schwierige Zeiten schaffen.
Im Kern bedeuten die neuen Regeln entsprechend eine „risikobasierte Überwachung“ des Fiskalgebarens der Mitgliedstaaten auf Grundlage ihrer individuellen Haushaltslage.
Flankieren soll diese ein transparenter gemeinsamer EU-Rahmen, der durch Schutzmaßnahmen untermauert ist. Damit soll zum einen eine sogenannte Schuldentragfähigkeitsgarantie sichergestellt sein – auf deren Grundlage die Verschuldung auf einen Abwärtspfad gelangt.
Zudem soll eine „Defizitresistenzgarantie“ gewährleisten, dass eine Sicherheitsmarge unterhalb des Defizit-Referenzwerts von drei Prozent des BIP geschaffen wird.
Allerdings sehen die neuen Regeln keine ausnahmslos zwingende Verpflichtung eines Mitgliedstaats mit einer übermäßigen Verschuldung vor, sein Gesamtdefizit auf unter 60 Prozent zu senken.
Voraussetzung für eine Ausnahme ist es, dass dieser nachweisen kann, sich bezüglich der Schuldensituation auf einem „plausiblen Abwärtspfad“ zu befinden.
In diesem Zusammenhang kann die für die Aufsicht zuständige EU-Kommission den Anstieg von Zinszahlung bei der Beurteilung der Anstrengungen des jeweiligen Landes berücksichtigen.
Schuldenregeln bei Bedarf frei interpretierbar
Die belgische EU-Ratspräsidentschaft sieht in dem Paket, das noch von Rat und EU-Parlament bestätigt werden muss, „wesentliche Bestandteile eines glaubwürdigen Schuldenabbauplans“ verwirklicht.
Sowohl Reformen als auch Investitionen seien demnach notwendig, um neue und bestehende Herausforderungen zu bewältigen. Zudem wolle man eine strikte Austeritätspolitik vermeiden, wie sie die am höchsten verschuldeten Euroländer im Rahmen des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) praktizieren mussten.
Kritiker auf der Linken bemängeln, dass mit einer Rückkehr der Maastricht-Kriterien automatisch der Spielraum für nötige Investitionen in die Zukunftsfähigkeit von Ländern eingeengt werde. Indes bleibt der Eindruck nicht aus, dass die Verbindlichkeit der Sparziele durch die langen Anpassungszeiträume relativiert werden könnte.
Zudem hat die Erfahrung gezeigt, dass vermeintliche oder tatsächliche Krisensituationen mittlerweile auch auf EU-Ebene bei Bedarf sehr freie Interpretationen von Schuldenregeln ermöglichen.
Kommt es erwartungsgemäß zur Bestätigung der Vereinbarung, wird der Rahmen 2025 in Kraft treten. Bis dahin können die Mitgliedstaaten ihre Strategien ausarbeiten, um die Vorgaben einzuhalten. Eine haushaltspolitische Überwachung wird es bereits dieses Jahr geben. Die Grundlage dafür sind die länderspezifischen Empfehlungen der Kommission aus dem Frühjahr 2023.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion