Ein wenig beachteter Crash arabischer Börsen

Hunderttausende haben ihr Vermögen verloren
Von 8. Juni 2006

Wenig Beachtung hierzulande fand bisher der Crash der arabischen, allen voran der saudiarabischen Börsen in den letzten Wochen, durch den Hunderttausende ihr Vermögen verloren. Letztgenannte Börse halbierte sich im Wert, sie verlor 50 Prozent ihres Höchststandes. Für die saudi-arabische Mittelschicht bedeutet es eine finanzielle Katastrophe, da ein Großteil der Bürger bei der fröhlichen Spekulation mitmachte, man spricht von vier Millionen Aktionären im Wüstenland.

Im Februar erreichte die saudische Börse ein Allzeithoch bei 20000 Punkten, seitdem fiel der Markt auf fast 10000 Punkte. Das Konsumentenverhalten wurde Berichten zufolge deswegen ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen.

Es gab Warnzeichen vor dem Crash, doch wurden sie geflissentlich ignoriert, deshalb traf der Crash viele unvorbereitet, und das Thema Nummer eins bei Unterhaltungen dieser Tage in El-Riad oder anderswo ist der  Crash und Geschichten über die, die durch ihn viel, oder in manchen Fällen sogar alles verloren.

Hebelwirkung rückwärts

Fast jede saudische Familie besitzt Aktien, und deshalb ist das ganze Land in kollektivem Wirtschaftsjammer versunken. Erschwerend kommt hinzu, dass durch die Börseneuphorie der vergangenen Jahre die Spekulanten dazu verleitet wurden, nicht nur mit ihrem eigenen Geld in den Markt zu gehen. Nicht wenige verkauften oder verpfändeten Hab und Gut, Häuser, Autos und liehen sich sogar Geld von Freunden oder Banken, um Aktien zu kaufen. Der Crash löschte somit bei manchen das Vermögen  über Nacht aus, wenn  die Kredite von der Bank eingefordert wurden.

Dass sie finanziell ruiniert werden könnten, schlossen die Investoren aus,  insbesondere in einer Zeit, da das Land von den höchsten Ölpreisen der Geschichte profitieren konnte. Jedoch war das Preis-Renditeverhältnis der Aktien vor dem Crash bei 45, selbst jetzt liegt es noch bei fast 25. Noch verheerender für die Anleger war der Usus der meisten Aktiengesellschaften, ihre Aktienmarktgewinne als Bilanzgewinne auszuweisen. Deshalb müssen jetzt die Gewinnerwartungen der saudischen Unternehmen drastisch herab geschraubt werden. Ebenfalls stark betroffen sind die Banken, die einen Großteil ihres Gewinnwachstums durch „Initial Public Offerings“, also Börsengänge der Unternehmen bestritten.

Politische Auswirkungen offen

Der Börsencrash löste eine bisher ungeahnte Debatte über die Rolle der Regierung aus. In Diskussionsveranstaltungen machten sich Tausende Anleger Luft, die Rolle der regierenden Herrscherfamilie wurde erstmals offen diskutiert, wobei die Frage insbesondere der Kleinanleger immer wieder lautete: „Wohin ist mein Geld verschwunden?“ Viele Diskutanten klagten die Mächtigen an, den Markt manipuliert zu haben.

In Kuwait, ebenfalls vom Crash betroffen, wurde sogar das Parlament aufgelöst, um mögliche politische Debatten zu unterbinden.

Der Niedergang der saudischen Börse wurde im Februar durch einen Machtkampf zwischen der Börsenaufsichtsbehörde und einigen Mega-Investoren ausgelöst, wobei die Kleininvestoren auf der Strecke blieben. Der vorhergehende Aufschwung der Börse wurde durch das Ölgeld vorangetrieben, allerdings fehlten der Börse im Wesentlichen so genannte Qualitätspapiere. Die Aktionäre werfen der Regierung vor, inmitten des Ölbooms die Staatsausgaben gedrosselt zu haben, und die dem Niedergang des Marktes nicht durch Aktienaufkäufe entgegengesteuert zu haben.

Ziel der Regierung war es nach eigenen Aussagen, durch Ermutigung der Bürger zum  Aktienkauf eine gleichmäßigere Verteilung des Wohlstands zu erreichen, erreicht wurde jetzt das Gegenteil. Den Banken warfen die Investoren vor, die Kredite genau in der Krise eingefordert zu haben. Aber die aufgebrachten Investoren nennen auch Namen, die sie als Mitschuldige zu entlarven glauben, so den Prinzen und Megainvestor Alwaleed bin Talal, dessen Rolle bei der Krise nicht genau geklärt ist.

Die Regierung indessen geht einen typisch saudi-arabischen Weg, um die Krise zu meistern: Es soll, so die Ankündigung, ein staatlicher Fond für die Mittelschicht ( in Saudi-Arabien versteht man darunter Einkommen von über 144000 US-$  per annum ) aufgelegt werden: Besonderheit des Fonds: Alle möglichen Gewinne sollen die Investoren erhalten, die Verluste trägt ausschließlich die Regierung… Ob das ausreicht, einen wirklichen neuen Aufschwung der Börse auszulösen, ist gegenwärtig eher fraglich.



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