Problem für Unternehmen: Man kann sich auf Kitas nicht verlassen
Schließzeiten und kurzfristige Ausfälle wegen kranken Personals stellen Eltern mit Kita-Kindern vor Herausforderungen. Die Chefin der „Wirtschaftsweisen“, Monika Schnitzer, hält die Kinderbetreuungsangebote in Deutschland daher für nicht verlässlich.
Sie sagt gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Die Kitas sind viel zu wenig Stunden am Tag geöffnet, sie sind nicht zuverlässig, schließen zu viele Wochen im Jahr. Man kann sich auf die Kitas nicht verlassen.“
Das Betreuungssystem beruhe darauf, dass man Großeltern einbeziehe oder sich privat – wenn man es sich leisten könne – Babysitter organisiere. „Wer das nicht kann, hat keine andere Wahl, als seine Arbeitszeit zu reduzieren“, sagte die Ökonomin.
Ähnliche Probleme sehe sie bei der Pflege älterer Menschen. „Es gibt keine Pflegeunterstützung, die nicht dafür sorgt, dass man sich massiv einschränken muss in seiner Arbeitsleistung.“
System fördert stark die Teilzeit
„Wir haben ein System, bei dem wir Teilzeit massiv fördern. Zementiert wird es durch das Ehegatten-Splitting, an dessen Reform sich niemand traut“, sagte das Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Eine Abschaffung des Rechts auf Teilzeit sei daher unrealistisch.
Um das Kita-System zu stärken, brauche es mehr Geld und Personal, so Schnitzer. „Mit einer verlässlicheren Betreuung könnte man viel zusätzliche Arbeitszeit gewinnen. Hochqualifizierte Kinderbetreuung ist zudem extrem wichtig für die Integration.“
Studie: 125.000 Fachkräfte fehlen
Das Personal in deutschen Kitas ist vielerorts überlastet, es fehlen Fachkräfte. Notbesetzungen bei Krankheit oder kurzfristige Schließungen sind die Folge.
Um den Betrieb trotz dünner Personaldecke aufrechtzuerhalten, werden einer bundesweiten Studie zufolge, die Anfang Dezember veröffentlicht wurde, zunehmend Menschen ohne formale pädagogische Voraussetzungen in den Kindertagesstätten eingestellt.
Zugleich sinkt der Anteil der Fachkräfte, die mindestens über eine Qualifikation als Erzieher verfügen, wie aus dem „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ der Bertelsmann Stiftung hervorgeht.
Unter den pädagogisch Tätigen pro Kita empfiehlt die Arbeitsgruppe Frühe Bildung von Bund und Ländern perspektivisch eine Fachkraftquote von 85 Prozent pro Kita-Team, heißt es bei der Bertelsmann Stiftung. Der Anteil pro Kita-Team sei aber im Schnitt von 75,8 Prozent (2017) auf 72,5 Prozent gesunken.
Der Kita-Bericht 2024 des Paritätischen Gesamtverbands bezifferte die aktuelle Lücke auf 125.000 fehlenden Fachkräften in der Kindertagesbetreuung. Bundesweit gibt es nach Angaben des Statistischen Bundesamts 60.662 Kitas.
Die „Wirtschaftsweise“ sieht neben der Personalnot auch ein Problem in den Firmen. „Es kann nicht sein, dass junge Väter schief angeschaut werden, wenn sie nur noch 80 Prozent arbeiten wollen, damit sie es der Mutter ebenfalls ermöglichen, 80 Prozent zu arbeiten. Auch in den Unternehmen brauche es ein Umdenken, sagte Schnitzer, die Mutter dreier Töchter ist.
Reaktionen aus der Politik
Die Grünen unterstützen die Kritik von Schnitzer: „Die Kritik von Frau Schnitzer an der unzureichenden Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit der Kinderbetreuung teilen wir – sie spiegelt die Realität vieler Familien wider“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Maria Klein-Schmeink, der „Welt“.
„Es ist nicht hinnehmbar, dass fehlende Betreuungskapazitäten und unzuverlässige Strukturen insbesondere Frauen dazu zwingen, ihre beruflichen Ambitionen zurückzustellen.“
Auch die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende, Gyde Jensen, sagte „Welt“: „Frühkindliche Bildung ist der Schlüssel zu den Chancen, die Kinder unabhängig vom Elternhaus benötigen, um ihren eigenen Weg gehen zu können. Und der Schlüssel, damit Eltern neben familiären Pflichten auch weiterhin ihrem Job nachgehen können.“
Auch die Vorsitzende der Gruppe Die Linke im Bundestag, Heidi Reichinnek, nannte Schnitzers Kritik „absolut berechtigt“. Sie betonte in der „Welt“: „Es geht zuallererst um ein pädagogisches Angebot, nicht darum, die Kinder zu verwahren, damit die Eltern arbeiten können.“
Breher, familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, kritisierte in dem Zusammenhang die Politik der früheren Ampelregierung. Die Betreuungssituation habe sich in deren Regierungszeit deutlich verschlechtert, sagte sie der „Welt“.
Für die AfD sagte ihr familienpolitischer Sprecher Martin Reichardt der Zeitung, es sei wichtig, „die staatliche Betreuung wieder zielgerichtet zu unterstützen und insbesondere die innerfamiliäre Betreuung stärker zu fördern, zum Beispiel durch ein Betreuungsgehalt für Eltern“.
(dpa/red)
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