DIW zur Konjunktur: Wenn ein geopolitischer Schock kommt, ist Deutschlands Wirtschaft besonders betroffen

Hongkong, Saudi-Arabien oder die Straße von Hormus: Geopolitische Risiken wirken sich auf die Konjunktur Deutschlands aus. Was das für die exportorientierte Deutschlands Wirtschaft bedeutet, erklärt das DIW in einer Studie.
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Stahlarbeiter am Hochofen 8 bei ThyssenKrupp in Duisburg: Die IG Metall will in der anstehenden Tarifrunde für die deutsche Metall-und Elektroindustrie zunächst auf eine konkrete Lohnforderung verzichten.Foto: Roland Weihrauch/dpa/dpa
Von 9. Februar 2020

Deutschland ist wegen seiner ‚Offenheit‘ dem geopolitischen Risiko in besonderem Maße ausgesetzt. Deutsche Industrie und das Exportgeschäft wären betroffen, schreibt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

Die deutsche Wirtschaft gilt als offen, wir sind stark mit dem Ausland verflochten. Das macht uns empfänglich für Schwankungen, positive wie negative“, sagte Dr. Max Hanisch, Gastautor der Studie.

Die Studie untersucht die Folgen eines geopolitischen Schocks auf die deutsche Wirtschaft und die US-Wirtschaft. Das Ergebnis: Deutschlands Wirtschaftswachstum wäre stärker als jenes der USA betroffen, während hingegen die Finanzmärkte in den USA sensibler reagieren.

Was bedeutet der Eintritt eines geopolitischen Schocks für Deutschlands Wirtschaft?

„Eine typische Reaktion auf einen geopolitischen Schock ist ein sprunghafter Anstieg der Ölpreise“, sagt der ehemalige DIW-Mitarbeiter Hanisch – jetzt Economist beim „Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft“. Direkt betroffen sei das „energieintensive produzierende Gewerbe“ – die ausländische Nachfrage nach eben diesen Industrieprodukten nehme ab. Das kann zum Beispiel die Stahlindustrie sein.

Doch auch allgemein der Export sinkt. Belastet würden also auch „unmittelbar betroffene Wirtschaftszweige“. Wenn Angst im Spiel ist, konsumieren Menschen weniger und Unternehmen produzieren weniger.

Der Faktor ‚Angst‘ kann schnell um sich greifen. Wenn Investitionsvorhaben aus Unsicherheit aufgegeben oder aufgeschoben werden, dann bedeutet das erstmal eine geringere Nachfrage. Da Deutschland sehr stark im Investitionsgüterbereich vertreten ist, kann uns dieses Verhalten empfindlich treffen“, sagte der Autor der Studie.

„Geopolitische Risiken dämpfen den Welthandel und die globale Industrieproduktion“, hieß es auch im Jahreswirtschaftsbericht vom Bundeswirtschaftsministerium 2020, der Ende Januar veröffentlicht wurde.

Wie kann man gegensteuern?

Das Bruttoinlandsprodukt würde sechs Monate nach dem Schock seinen Tiefstand erreichen – mit minus 0,25 Prozent, heißt es in der Studie.

Insgesamt ist der Effekt damit relativ klein. Aber: es gibt ihn und er ist statistisch messbar. Es ist also für uns nicht irrelevant, wenn politische Konflikte entstehen; auch wenn sie weit weg sind,“ sagte Hanisch im Interview mit dem „DIW“.

„Wenn etwa ein Land besonders betroffen ist und deutsche Unternehmen die negativen Folgen spüren, dann ist es von Vorteil, wenn Alternativen zur Verfügung stehen“, ergänzte Hanisch gegenüber dem „DIW“. Deutschland könnte den Handel auf mehr Schultern verteilen – das bedeutet: Handel mit mehreren unterschiedlichen Staaten treiben. Nachfrageschwankungen könnten vermieden und Lieferketten aufrechterhalten werden, heißt es in der Studie.

Hochverschuldete Unternehmen geraten in Finanzierungsnot

Auch hochverschuldete (deutsche) Unternehmen im Ausland wären vom Schock betroffen. In Krisenzeiten können sich internationale Finanzierungskonditionen verschlechtern. Wenn sich ausländische Kreditgeber zurückziehen, könnten deutsche Unternehmen in Finanzierungsnot geraten.

Eine Vervollständigung der Europäischen Bankenunion könnte die Finanzierungssituation verbessern, erklärt Hanisch. Denn: „Wenn alternative Finanzierungsquellen leichter verfügbar sind, lassen sich die Folgen einer Verschlechterung der globalen Finanzierungskonditionen eher abmildern“, sagt Hanisch.

World Economic Forum: Versagen von Staat und Führung sind Risiken für 2020

Um mit Hanisch nur einige geopolitische Konflikte zu nennen: 2019 gab es die Studentenproteste in Hongkong, einen Anschlag auf eine Ölraffinerie in Saudi-Arabien, Angriffe auf einen Öltanker in der Straße von Hormus und Rückzug der USA aus Syrien. Oder in der Vergangenheit: IS-Attentate in Berlin und Paris (2015/2016) und die Krim-Annexion (2014), die geopolitische Spannungen auslöste.

Für 2020 sieht das „World Economic Forum“ folgende geopolitische Risiken:

  • Versagen der nationalen Führung
  • Versagen der internationalen Führung
  • Zwischenstaatliche Konflikte
  • Staatszusammenbrüche
  • Terroranschläge
  • Massenvernichtungswaffen.

Hanisch versteht unter geopolitischen Risiken Terroranschläge, Konflikte zwischen Staaten mit Folgen auf den internationalen Austausch und Kriegskonflikte.

Geopolitische Risiken wirken sich auf Arbeitsplätze aus

Geopolitische Risiken und Handelskonflikte könnten sich auf Dauer auf die Beschäftigung auswirken, heißt es auch in einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Dank der florierenden Exportkonjunktur der letzten 20 Jahre stieg der Anteil der exportabhängigen Arbeitsplätze seitdem um 64 Prozent an. Im Jahr 2018 hatten 11,4 Millionen Arbeitsplätze direkt oder indirekt mit dem Export zu tun. Im Jahr 1998 waren es 7 Millionen.

Rund ein Viertel aller Erwerbstätigen entfiel in 2018 auf den Export. Gegenüber 1998 stieg der Anteil um 6 Prozent. Dabei siedelte sich das Gros der 2018 im Export tätigen mit drei Viertel im verarbeitenden Gewerbe an, der Rest war im Dienstleistungssektor tätig.



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