DIHK sieht „alarmierende Anzeichen“ einer Deindustrialisierung Deutschlands

In der Frühsommerumfrage der DIHK zeigt sich eine anhaltend bedrückte Stimmung vor allem in der Industrie und im Mittelstand. Vor allem energieintensive Unternehmen fahren wegen der hohen Preise ihre Investitionen zurück. Auch 37 Prozent des Mittelstandes investiert lieber im Ausland.
Der Standort Deutschland verliert dem Industriepräsident Siegfried Russwurm zufolge an Wettbewerbsfähigkeit.
Der Standort Deutschland verliert dem Industriepräsident Siegfried Russwurm zufolge an Wettbewerbsfähigkeit.Foto: Christian Charisius/dpa/Symbolbild
Von 28. Mai 2024

Die Frühsommerumfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) enthält neue ernüchternde Bestandsaufnahmen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Zwar ist der Stimmungsindex von katastrophalen 91,9 Punkten zu Jahresbeginn leicht auf 97,2 angestiegen. Dies bedeute dennoch, dass die Pessimisten überwiegen. Der Geschäftserwartungsindex ist mit 90,0 ebenfalls deutlich im negativen Bereich.

DIHK nennt Entwicklungen „besorgniserregend“

Vor allem die hohen Energiepreise, aber auch eine schwache Binnenkonjunktur und unbewältigte strukturelle Herausforderungen drücken weiter auf die Stimmung. Ein Aufschwung sei weiterhin nicht in Sicht. Von den befragten Mittelständlern spielen 37 Prozent mit dem Gedanken, lieber in neue ausländische Standorte zu investieren als bestehende in Deutschland auszubauen.

Auch in der Industrie ist die Stimmung weiter am Boden. Drei Viertel der energieintensiv produzierenden Unternehmen sehen in den hiesigen Preisen für Energie und Rohstoffe ein Geschäftsrisiko. Von ihnen fahren knapp 40 Prozent ihre Investitionen im Inland zurück. Außerdem erklären 23 Prozent der mehr als 24.000 befragten Unternehmen ihre Geschäftslage als „schlecht“ – unter den Industrieunternehmen sind es 28 Prozent.

An eine Zukunftsplanung mit weniger Beschäftigten denken 20 Prozent – was einen deutlichen Aufwärtstrend gegenüber den vorangegangenen Jahren darstellt. DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben bezeichnet es in einer Erklärung als „besonders besorgniserregend“, dass sich die Stimmung in der Industrie seit Jahresbeginn weiter verschlechtert habe und negativ bleibe.

DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben spricht in Berlin. Foto: Monika Skolimowska/dpa/dpa

Strukturelle Risiken halten sich hartnäckig

Die Erosion setze sich in diesem Bereich fort, so Wansleben. Die Erwartungen zeigten „keine kraftvolle Aufwärtsbewegung“. Die Hoffnung auf ein besseres Auslandsgeschäft oder eine gesündere Binnennachfrage habe sich nicht bestätigt:

„Im Gegenteil: Eine schwache Binnenkonjunktur und handfeste strukturelle Herausforderungen halten die Wirtschaft weiterhin im Griff.“

Auch von den Exporten gingen keine nennenswerten Impulse aus. Der Arbeitsmarkt bleibe unbeweglich, die DIHK erwarte „beim Wirtschaftswachstum aufgrund der Ergebnisse allenfalls eine Stagnation für dieses Jahr“.

Mehr als die Hälfte aller befragten Unternehmen sehe in der Inlandsnachfrage weiterhin ein Risiko. Aber auch die strukturellen Risiken blieben erheblich. Die DIHK weist neben den hohen Preisen für Energie und Rohstoffe auch auf Fachkräftemangel und Arbeitskosten hin.

Hauptgeschäftsführer der DIHK sieht Vertrauen in Politik schwinden

Die Investitionen hätten nach wie vor nicht das Niveau von 2019 erreicht. Nur 24 Prozent planten diese auszubauen, 31 Prozent hingegen würden kürzen. Eine geringere Bereitschaft zum Kapazitätsausbau habe es lediglich im Herbst 2003 – vor den Hartz-Reformen – und später während der Finanzkrise gegeben. Wansleben dazu:

Das sind alarmierende Anzeichen einer schrittweisen Deindustrialisierung. Wenn wir nicht zügig gegensteuern, verliert Deutschland seine industrielle Basis. Und damit die Grundlage für unseren Wohlstand.“

Gegenüber „Bild“ äußert der DIHK-Hauptgeschäftsführer zudem, dass die Unternehmer drohten, ihr Vertrauen in die Politik zu verlieren. Auch einer der Betroffenen, Wacker-Chemie-Vorstandschef Christian Hartel, mahnt eine Wende hin zu einer Willkommenskultur für Unternehmen an. Andernfalls drohe dem überalternden Kontinent ein Dasein als Freiluftmuseum:

„Ich möchte nicht, dass Deutschland und Europa 2040 oder 2050 lediglich zum Magneten für Touristen aus Asien werden – eine Art Disneyland…“



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