DIHK-Präsident schlägt Alarm: Deutschlands Wirtschaft in ernster Gefahr
Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, erwartet von der Politik Maßnahmen, die den Wirtschaftsstandort Deutschland konkurrenzfähig halten.
In einem „Brandbrief“, über den die Nachrichtenagentur dpa berichtet, schreibt Adrian von einer ernsten wirtschaftlichen Lage. Der Brief ging an die Industrie- und Handelskammern in Deutschland sowie an die Außenhandelskammer.
Adrian schreibt von hohen Energiepreisen, dem Arbeits- und Fachkräftemangel, der maroden Infrastruktur und bürokratischen Belastungen, die Unternehmen in Deutschland vor immer größere Hürden stellen.
So überfordere eine „Normenflut“ große und kleine Unternehmen sowie staatliche Stellen, die gar nicht mehr mit der Kontrolle hinterherkämen. Unternehmen müssten dringend entlastet werden.
Trübe Aussichten für die Wirtschaft
Die wirtschaftlichen Aussichten für Deutschland haben sich eingetrübt. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Konjunkturprognose für dieses Jahr kräftig heruntergeschraubt. Sie erwarten, dass das Bruttoinlandsprodukt um 0,6 Prozent schrumpft, wie die Institute am Donnerstag mitteilten. Im Frühjahr waren die Institute noch von einem Mini-Wachstum von 0,3 Prozent ausgegangen.
Der Ampelregierung wirft der DIHK-Präsident vor, dass diese die notwendigen Reformen zu zögerlich angehe und zusätzliche Bürokratie verursache. Die DIHK und die 79 Kammern im Land sollten sich laut Adrian nun in der aktuellen Lage stärker wirtschaftspolitisch äußern. Die Kammern seien „in der Pflicht, Ratgeber zu sein und klare Forderungen und Möglichkeiten aufzuzeigen“, schreibt Peter Adrian.
Weichen jetzt stellen
Die aktuellen Krisen, die Deutschland aktuell im Griff halten, hätten die tiefgreifenden Strukturprobleme in Deutschland verstärkt. Die Politik müsse daher jetzt handeln. „Jetzt müssen die Weichen gestellt werden, damit der Standort Deutschland konkurrenzfähig bleibt!“, erklärte Adrian laut „Welt am Sonntag“, die auch aus dem Brief zitiert. „Die Lage ist ernst.“
Vor wenigen Tagen hat es eine Sondervollversammlung der deutschen IHK-Spitzen gegeben. Auf dieser Versammlung sei laut einem DIHK-Sprecher deutlich geworden, dass die Sorge unter den Kammern um die Wirtschaftslage so groß wie selten zuvor sei. DIHK-Präsident Peter Adrian habe sich daher für ein Rundschreiben entschieden.
„Wir als IHK-Organisation müssen allen Beteiligten klarmachen, dass wir angesichts der vielen Herausforderungen dringend sogar eine noch viel breiter angelegte Reformagenda brauchen“, schreibt der DIHK-Präsident weiter.
Die Wirtschaft brauche „mehr unternehmerische Handlungsfreiheit, eine Steuerbelastung, die vergleichbar mit der in anderen Industrieländern ist und nicht zuletzt bezahlbarer Strom für alle Unternehmen“. Auch müsse die Wirtschaft von unnötiger Bürokratie entlastet werden. Insbesondere erwähnt Adrian in seinem Rundschreiben das Heizungsgesetz und das Lieferkettengesetz der Ampelregierung. Diese führten statt Bürokratieabbau nun zu noch mehr Bürokratie.
In seinem Schreiben fordert der DIHK-Präsident konkret die Senkung der Stromsteuer für Unternehmen, um diese zu entlasten. Weiter müsse das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz durch weitere Ideen ergänzt werden. Damit soll jährlich 400.000 Fachkräften die Zuwanderung ermöglicht werden. Adrian bringt hier die Auslandshandelskammern ins Spiel, die helfen könnten, indem sie die Vorprüfung von Unterlagen übernehmen könnten. Damit könnten Botschaften und Konsulate entlastet werden.
„Zu ideologisch bis hin zu hochmütig“
In dem Schreiben wird der DIHK-Präsident dann auch politisch, indem er mehr Zurückhaltung von der deutschen Diplomatie einfordert. „Deutschland und Europa treten aus Sicht vieler in der Welt zu ideologisch bis hin zu hochmütig auf“, schreibt Adrian. Mit erhobenem Zeigefinger gewinne man aber keine Kunden. Positiv sei, dass die Bundesregierung gegenüber China keine wirtschaftliche Abkoppelung, sondern nur einen risikobewussteren Ansatz anstrebe. Umgekehrt müsse China besseren Marktzugang ermöglichen.
Besonders die politischen Äußerungen des DIHK-Präsidenten könnten für Diskussionen innerhalb der Kammern sorgen, gerade nachdem das ursprünglich intern gedachte Papier nun an die Öffentlichkeit gelangt ist. Wie umfangreich sich Kammern politisch äußern sollen, ist sehr umstritten. Das hängt damit zusammen, dass alle gewerbetreibenden Unternehmen in Deutschland verpflichtet sind, Mitglied der jeweiligen regionalen Kammer zu werden.
Politisches Personal kann Probleme nicht lösen
Während der DIHK Präsident auf die Politik setzt, geben sich Wirtschaftsexperten desillusionierter. So sieht die Wirtschaftsprofessorin Veronika Grimm in einem Interview mit dem „Handelsblatt“ die Politiker nicht in der Lage, die strukturellen Probleme Deutschlands zu lösen. Grimm wurde 2020 in den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung berufen und gehört damit zu den umgangssprachlich genannten „fünf Wirtschaftsweisen“.
Im Interview zeigt die Wirtschaftswissenschaftlerin offen ihre Verzweiflung über das derzeitige politische Personal. „Es stellt sich die Frage, wie auch Menschen in Spitzenpositionen kommen, die unpopuläre Entscheidungen durchsetzen können“, so Grimm. Entscheidungen, die das Land dringend brauche, um die gravierenden strukturellen Probleme zu überwinden.
Der „Druck im System“ würde massiv steigen – und damit auch der Handlungsbedarf. „Was wir brauchen, sind Politiker, die sich trauen, für unpopuläre Maßnahmen zu werben und diese auch zu ergreifen – man müsste also bereit sein, sein Amt zu riskieren, um das Land voranzubringen.“
Es fehle heute die Bereitschaft, den Wählern reinen Wein einzuschenken. Genau das sei die Herausforderung unseres Systems, befindet die Wirtschaftsweise. Es sei für die Parteien riskant, Menschen in Spitzenpositionen zu bringen, die unpopuläre Entscheidungen durchsetzen wollen. „Für die Parteien ist es heikel, unpopuläre, aber langfristig tragfähige Lösungen vorzuschlagen. Würde eine Partei Tacheles reden, dann verspricht die andere das Schlaraffenland, wenn man sie wählt.“
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