Nach VW jetzt „Dieselklagen“-Welle gegen Daimler am Landgericht Stuttgart
Am Sitz des Daimler-Konzerns in Stuttgart sieht sich das Landgericht mit einer Welle von „Dieselklagen“ gegen den Autobauer konfrontiert. Allein im ersten Halbjahr 2019 gingen mehr als 1100 neue Verfahren ein, wie Gerichtspräsident Andreas Singer sagte.
„Nach der Klagewelle gegen Volkswagen setzt jetzt eine Klagewelle gegen Daimler ein“, betonte er. Welches Ausmaß die annehme, sei noch nicht absehbar. „Aber klar ist, dass wir für eine auf Jahre angelegte strukturelle Mehrbelastung dringend Verstärkung brauchen“, sagte Singer. Die Zivilrichter hätten im Vergleich zum ersten Halbjahr 2018 fast 30 Prozent mehr Klagen auf den Tisch bekommen. Das sei selbst mit Nacht- und Wochenendarbeit nicht zu schaffen.
Als Gerichtsstand gilt prinzipiell der Ort, an dem ein Unternehmen seinen Sitz hat. Das bedeute jedoch nicht, dass ausnahmslos alle Klagen tatsächlich beim Landgericht Stuttgart eingereicht werden müssten, erläuterte Singer. Je nach Fallkonstellation könnten auch andere in Frage kommen. Stuttgart, betonte er, dürfte wie Braunschweig im Fall VW aber die übergroße Mehrheit abbekommen.
In Stuttgart waren, obwohl das Landgericht dafür nicht primär zuständig ist, im vergangenen Jahr mehr als 1500 Klagen gegen den VW-Konzern eingegangen. In diesem Jahr sind es bislang rund 300.
Rund 800 der 1100 gegen Daimler gerichteten Klagen betreffen Schadenersatzforderungen und den Vorwurf, in Mercedes-Autos sei eine unzulässige Diesel-Abgastechnik verwendet worden – was der Konzern bestreitet. Die Verfahren seien gerade im Vergleich zu VW deutlich komplexer, sagte Singer. In den VW-Fällen sei unstreitig, dass in den Motoren eine sogenannte Prüfstandserkennung eingebaut wurde. „Hingegen ist in den Daimler-Verfahren in der Regel der gesamte Prozessstoff streitig“, sagte Singer. Deswegen habe sich auch noch keine grundsätzliche Linie in den Entscheidungen herausgebildet.
Hinter den meisten steckt das gleiche Ziel
Anders bei den übrigen 300 Verfahren: Darin gehe es um angebliche Fehler in den Widerrufsregeln von Autokredit- oder Leasingverträgen – und überwiegend würden diese Klagen abgewiesen. Egal, gegen was sich die Klage letztlich richte: Hinter den meisten stecke das Ziel, das Diesel-Auto angesichts schon bestehender oder drohender Fahrverbote ohne finanzielle Einbußen zurückgeben zu können, sagte Singer.
Daimler betonte, man nehme Kundenklagen grundsätzlich ernst. „Allerdings setzen wir uns auch zur Wehr, wenn gegen uns unbegründete Ansprüche geltend gemacht werden“, teilte ein Sprecher mit. Mit wie vielen Klagen sich Daimler insgesamt auch an anderen Gerichten konfrontiert sieht, wollte er nicht sagen. Bisher seien 215 Klagen abgewiesen worden. Gegen 16, denen stattgegeben worden sei, gehe der Konzern in der nächsten Instanz vor. Auf Ebene der Oberlandesgerichte habe es bisher nur Entscheidungen zu Gunsten von Daimler gegeben.
Singer sagte, er sehe mit Blick auf die Arbeitsbelastung mit Sorge, dass Anwaltskanzleien und Prozessfinanzierer eine Welle mit tausenden weiteren Klagen angekündigt hätten. Er skizzierte eine regelrechte Prozessindustrie im Zusammenhang mit dem Diesel. Klageschriften seien erkennbar aus Textbausteinen zusammengestellt, an manchen Tagen reihe sich Verhandlungstermin an Verhandlungstermin, und Anwalt und Mandant lernten sich oft erst zwei Minuten vorher auf dem Flur kennen. Eine solche Entwicklung habe es bisher nicht gegeben. (dpa)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion