Deutschlands Wirtschaft könnte zum Schlusslicht in Europa werden
Die Konjunkturprognose der Europäischen Kommission für das kommende Jahr verheißt Deutschland und seiner Wirtschaft wenig Gutes. Deutschland erwarte demnach nicht nur als eines der wenigen Länder der Eurozone ein Minuswachstum des Bruttoinlandsprodukts. Das Land soll mit einem um 0,6 Prozent schrumpfenden BIP – gemeinsam mit Schweden – sogar das Schlusslicht unter allen beteiligten Staaten der EU sein.
Deutsche Wirtschaftsschwäche lähmt Aufschwung in gesamter EU
Mit dieser Aussicht steht Deutschland sogar noch schlechter da als das von den Folgewirkungen des Ukraine-Krieges gezeichnete Lettland. Dort soll die Wirtschaft um 0,3 Prozent schrumpfen. Alle anderen EU-Länder können demnach zumindest mit einem moderaten Wachstum rechnen.
Irland (plus 3,2 Prozent) und Malta (plus 2,8) kämen am besten durch die Krise. Die gesamte Eurozone soll 2023 um 0,3 Prozent wachsen, wobei Ökonomen für die Mehrzahl der Länder mit einem Wachstum von bis zu einem Prozent rechnen.
EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni zufolge leide die deutsche Wirtschaft nicht nur unter den hohen Energiepreisen. Relevant seien auch Probleme im internationalen Handel und bei den globalen Lieferketten.
Im Interview mit der „Welt“ erklärt Gentiloni, die schwache Wirtschaft sei „nicht nur ein Problem für Deutschland selbst, sondern auch für die gesamte EU“. Vor allem litten „ganz besonders die Länder, die über Lieferketten in die industrielle Wertschöpfung in Deutschland integriert sind“.
Abwärtstrend zeigte sich bereits vor Ukraine-Krieg
Bereits in den ersten Jahren nach der Jahrtausendwende hatte Deutschland mit einer längeren Phase der Schwäche zu kämpfen. Zu den Ursachen gehörten damals Folgewirkungen der Wiedervereinigung oder ein wenig flexibler Arbeitsmarkt. Weitreichende Reformen der Regierung Schröder, die EU-Erweiterung und günstige Energie aus Russland ermöglichten eine Trendwende.
Dass damit eine Abhängigkeit entstand, die sich nun nachteilig auswirkt, ist jedoch nur ein Faktor für die derzeitige Schwächephase. Immerhin war Deutschlands Wachstum bereits vor Beginn der russischen Militäroperation im Februar hinter andere EU-Länder zurückgefallen.
Mit 1,2 Prozent Wachstum war die deutsche Wirtschaft schon im Schlussquartal 2021 die zweitschwächste der EU. Nur die Slowakei schnitt laut Eurostat damals noch schlechter ab. Dieser Trend setzte sich nach Kriegsbeginn in der Ukraine fort. Wie die „Welt“ berichtet, war Deutschland in jedem bisherigen Quartal von 2022 unter den drei bis vier EU-Volkswirtschaften mit der schwächsten Entwicklung.
Chinas Wirtschaftsflaute färbt auf Deutschland ab
Dass der Bruch mit Russland nicht nur Deutschland schwächt, sondern auch die EU insgesamt in neue Abhängigkeiten bringt, bestätigt indirekt auch Gentiloni. Im Interview mit der „Welt“ erklärt er:
Für die deutsche Wirtschaft wird viel davon abhängen, wie es mit der chinesischen Wirtschaft weitergeht und wie sich die Beziehungen der EU zu China entwickeln.“
Industrie und Exportwirtschaft leiden unter weltweiten Logistikproblemen. Dazu komme aber auch eine unterdurchschnittliche Performance der Wirtschaft im Machtbereich der KP Chinas. Dort wirken unter anderem die Immobilienkrise und die Folgen der Zero-COVID-Politik nach.
Wie stark die deutsche Wirtschaft davon betroffen ist, zeigt sich im Rückgang des deutschen Leistungsbilanzüberschusses von 7,4 auf 3,7 Prozent des BIP. Lahmt die chinesische Wirtschaft weiter, wird dies an der deutschen Industrie nicht unbemerkt vorbeiziehen.
Industrie und massive staatliche Hilfen hatten dafür gesorgt, dass Deutschlands Wirtschaft Corona verhältnismäßig gut überstand. Beide stoßen nun an ihre Grenzen. Noch ist nicht absehbar, wie treffsicher sich der sogenannte Abwehrschirm für weitere bis zu 200 Milliarden Euro erweist.
Das Problem hausgemachter hoher Energiepreise löst auch er nicht dauerhaft. Dies zeigt auch bereits die geplante Strompreisbremse. Sie legt mit 40 Cent pro Kilowattstunde den subventionierten Anteil auf eine Höhe deutlich über dem Vorkrisenniveau fest.
Rückkehr zu Fiskalregeln der EU 2024 – „falls nicht wieder etwas passiert“
Gentiloni zeigt sich aus Sicht der EU mittlerweile einigermaßen versöhnt mit dem deutschen „Doppelwumms“, nachdem mehrere Mitgliedstaaten das Paket zuvor kritisiert hatten. Er äußert:
Die Tatsache, dass die 200 Milliarden mehrere Jahre bereitstehen sollen und möglicherweise niemals vollständig ausgegeben werden, hat unsere Bedenken etwas reduziert. Die aktuell eingeplanten Maßnahmen entsprechen vom Umfang her dem, was andere Länder mit verschiedenen finanziellen Möglichkeiten tun.“
Dennoch plädiert er für mehr gemeinsame Anstrengungen in der EU – und für ein Ende der deutschen Bedenken gegen eine gemeinschaftliche Schuldenaufnahme.
Nehme Brüssel diese auf und vergebe diese in Form von Krediten, sei dies nicht besonders teuer. Bei richtiger Ausgestaltung wäre dieses Vorgehen für Länder mit hoher Bonität „kaum eine Belastung“. Es würde auch kein großer Umverteilungseffekt entstehen. Allerdings seien gemeinschaftliche Schulden wohl unausweichlich, wolle man die Energiekrise effektiv bewältigen.
Gentiloni sieht die aufeinanderfolgenden Krisen wie Corona und den Ukraine-Krieg als Begründer der derzeitigen Ausnahmesituation. Im nächsten Jahr werden 16 der 27 EU-Länder das gemeinschaftliche Defizitziel verfehlen, so der EU-Kommissar. Er geht davon aus, dass die EU-Fiskalregeln ab 2024 wieder in Kraft sein werden – „wenn wir kein weiteres unvorhergesehenes schwerwiegendes Ereignis dieser Art erleben“.
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