Deutschlands Wirtschaft fordert nach EU-Wahl „nationale Wirtschaftswende“

Ökologie und Wettbewerbsfähigkeit sollten in der künftigen Legislaturperiode besser ausbalanciert werden. Das mahnt die Industrie. Es geht um weniger Bürokratie und mehr Freiheit für die Unternehmen.
Bis 2050 soll die Schifffahrt klimaneutral werden.
Schlepper unterstützen ein Containerschiff auf dem Weg zum Liegeplatz.Foto: pigphoto / iStock
Epoch Times10. Juni 2024

Nach der Europawahl haben die Unternehmensverbände in Deutschland eine „nationale Wirtschaftswende“ gefordert. Auf Ebene der EU erwarten sie, dass „Ökologie und Wettbewerbsfähigkeit besser ausbalanciert“ werden. Wichtige wirtschaftspolitische Themen müssten dort eine „viel größere Rolle spielen“.

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sieht im Ergebnis der Europawahl einen „europäischen Politikwechsel“. Dieser müsse „auch endlich durch eine nationale Wirtschaftswende begleitet werden“, forderte er am Montag in Berlin. Die Erwartungen an das „Aktivierungspaket“ der Ampel-Regierung seien in der Wirtschaft hoch und sollten nicht „zum wiederholten Male enttäuscht werden“.

Mehr Freiheit, mehr Wettbewerb, weniger Bürokratie

Der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) kritisierte, in den vergangenen Jahren hätten auf EU-Ebene „Bürokratie und Regelungswut, moralische Überheblichkeit und politische Erziehung die Oberhand gewonnen“. Heute werde Europa von anderen Wirtschaftsräumen abgehängt – „und das selbstverschuldet“, wie BGA-Präsident Dirk Jandura kritisierte. Der Wählerauftrag nun laute: „Schluss mit der ewigen Regulierung, ja zu mehr Freiheit und Wettbewerb.“

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) mahnte, Europas industrielle Wettbewerbsfähigkeit müsse in der kommenden Legislaturperiode „Top-Priorität sein“.

Das neue EU-Parlament müsse „Ökologie und Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen besser ausbalancieren“, verlangte Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner. Wichtige wirtschaftspolitische Themen müssten eine viel größere Rolle spielen: die Vollendung des europäischen Binnenmarktes, der Abschluss von Freihandelsabkommen und der Bürokratieabbau.

Kehrtwenden beim Klimaschutz?

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm warnte vor falschen Weichenstellungen in Europa beim Klimaschutz. Viele Unternehmen hätten ihre Geschäftsmodelle auf die Klimaschutzziele ausgerichtet. „Es wird nun darauf ankommen, die Wettbewerbsfähigkeit der EU stärker zu fokussieren, ohne durch Kehrtwenden beim Klimaschutz für Verunsicherung zu sorgen.“

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Grimm erwartet, dass die kommenden Jahre für die EU-Wirtschaft „extrem anspruchsvoll“ werden. „Wenn wir uns in Europa nicht marginalisieren wollen, dann muss es gelingen, die Union wirtschaftlich stärker zu integrieren, nach innen – etwa über eine echte Kapitalmarktunion – und nach außen über Handelsabkommen.“

Auch der Bundesverband Erneuerbare Energien mahnte, das Engagement für den Ausbau der Erneuerbaren in Europa müsse „ungebrochen weitergehen“. 33 Prozent des Wachstums des Bruttoinlandsprodukts in der EU seien im vergangenen Jahr auf saubere Energietechnologien gefallen.

Alle proeuropäischen Parteien im EU-Parlament müssten „zusammenrücken“, um die Energiewende voranzutreiben, damit die Klimaziele der EU zu erreichen und den „Zukunftsstandort“ zu sichern.

Ökonomische und militärische Sicherhei im Zentrum der Arbeit

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) forderte, die EU müsse „agiler, schneller und digitaler“ werden. Das bedeute vor allem, Kosten zu reduzieren, Verfahren zu beschleunigen und die Bürokratie zurückzufahren. „Wir brauchen mehr Raum für Innovationen und technische Entwicklungen“, erklärte DIHK-Präsident Peter Adrian.

Moritz Schularick, Präsident des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW), forderte weitere Integrationsschritte; er nannte die Vollendung der Kapitalmarkt- und Bankenunion sowie mutige Schritte hin zum Aufbau einer europäischen Verteidigung. Die ökonomische und militärische Sicherheit Europas und die Weiterentwicklung des Binnenmarktes sollten im Zentrum der Arbeit der neuen Kommission stehen.

Besorgt über Rechtsruck

Verbände und Wirtschaftswissenschaftler äußerten sich besorgt über das starke Abschneiden populistischer und europaskeptischer Parteien bei der Wahl. „Europafeindliche Parteien gefährden den gesellschaftlichen Zusammenhalt und unseren Wohlstand“, erklärte etwa BDI-Hauptgeschäftsführerin Gönner.

IfW-Präsident Schularick appellierte: „Die pro-europäischen Kräfte müssen jetzt umso mehr zusammenstehen und dürfen nicht den populistischen Sirenengesängen nachgeben.“ Die Forschung des IfW zeige, dass Populismus ökonomisch extrem teuer sei und sich negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirke. „Das sind Kosten, die wir uns nicht leisten können.“ (afp/red)



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