Deutscher Schiffbau in Gefahr – „Aggressiv auftretende Wettbewerber aus Asien bedrohen Standort“

Die aggressive Konkurrenz aus Asien bedrohe den deutschen Schiffbau. Sagt die Bundesregierung im Bericht zur Lage der maritimen Wirtschaft.
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Die am 22. November 2019 aufgenommene Luftaufnahme zeigt das 216 Meter lange Zentralschiff des im Bau befindlichen Kreuzfahrtschiffes "Global Dream", das von der MV-Werft in Warnemünde bei Rostock im Nordosten Deutschlands abgedockt ist.Foto: BERND WUSTNECK / dpa / AFP über Getty Images
Epoch Times17. März 2021

Die Bundesregierung sieht eine Gefahr für den deutschen und europäischen Schiffbau durch stark subventionierte Anbieter aus Asien. Das geht aus dem 7. Bericht zur Lage der maritimen Wirtschaft hervor, über den das Kabinett am Mittwoch in Berlin beriet.

„Aggressiv auftretende Wettbewerber aus Asien bedrohen nicht nur den maritimen Standort Deutschland, sondern Europa insgesamt“, schreibt das Wirtschaftsministerium in dem Bericht. Durch die „chinesische Strategie der Spitzensubventionierung“ drohten gerade im Marktsegment Kreuzfahrtschiffe Überkapazitäten wie früher schon bei Fracht-, Container- oder Tankerschiffen.

China bedroht deutschen Schiffbau

Die Werften in Deutschland und Europa hätten ihren Weltmarktanteil in den vergangenen Jahren vor allem mit technologisch hochwertigen Bauten wie Kreuzfahrtschiffen gehalten. „Mit der Strategie „Made-In-China 2025“ strebt China auch beim Hightech-Schiffbau die Spitzenposition im weltweiten Wettbewerb an“, heißt es im Bericht. Das erste chinesische Kreuzfahrtschiff solle 2023 fertig werden.

Ein chinesischer Arbeiter auf einer Werft in Nantong in der östlichen chinesischen Provinz Jiangsu. Foto: STR/AFP über Getty Images

Um der Konkurrenz zu begegnen, bemühe sich die Regierung, den Einsatz neuer Technologien im Schiffbau zu fördern. So sollten der technische Vorsprung und die „technologische Souveränität“ gewahrt werden. Zugleich mache die deutsche „Industriestrategie 2030“ Vorschläge für eine EU-Industriepolitik, um das Wettbewerbs- und Beihilferecht anzupassen und Nachteile für europäische Bewerber zu verhindern.

Mit dem Bericht bereitet die Bundesregierung die nächste Nationale Maritime Konferenz am 10. und 11. Mai in Rostock vor.

Lage der deutschen Werften ist schwierig

Der deutsche Kreuzfahrtschiffbau ist den Angaben nach besonders vom Stillstand der Reisebranche in der Corona-Pandemie betroffen. Vor 2023/24 seien keine neuen Aufträge zu erwarten. Der Marktführer Meyer-Werft in Papenburg an der Ems hat deshalb seine neun Aufträge bis 2025 gestreckt.

Es war ein stolzes Lebenszeichen des deutschen Schiffbaus in der Krise: Ende Februar schickte die Meyer-Werft ihren Neubau „Odyssey of the Seas“ auf die erste Reise.

Auf der schmalen Ems fuhr das Kreuzfahrtschiff noch nicht mit eigenem Antrieb, der 347 Meter lange Koloss wurde zur Nordsee geschleppt. Wenn, ja wenn nach Corona wieder Kreuzfahrten möglich sein werden, soll die himmelblaue „Odyssey“ Urlaubsträume von 4.180 Passagieren erfüllen.

Das Gegenbild sind die Hiobsbotschaften, die fast im Wochentakt aus den Werften an Nord- und Ostsee kommen. Die Branche ist in rauer See. Bei Meyer in Papenburg, dem größten deutschen Schiffbauer, stehen von 4.500 Arbeitsplätzen mindestens 650 auf der Kippe. Eigentlich braucht die Kreuzfahrtbranche im Stillstand keine neuen Schiffe.

Lloyd-Werft in Bremerhaven: 300 Beschäftigte bangen um ihre Arbeit

Auf der Lloyd-Werft in Bremerhaven war gerade eine neue Luxusjacht enthüllt worden, 139 Meter lang, da verkündete die Geschäftsführung: Einstellung des Betriebs zum Jahresende. Aufträge fehlen, 300 Beschäftigte bangen um ihre Arbeit.

Die Not der Lloyd-Werft hängt mit Problemen ihres Eigners zusammen. Dem Tourismus- und Glücksspielkonzern Genting mit Sitz in Hongkong fehlen Einnahmen. Er betreibt auch die MV Werften in Wismar, Warnemünde und Stralsund, die ebenfalls Kreuzfahrtschiffe bauen. Wegen der Corona-Pandemie blieb unter anderem der Bau zweier Kreuzfahrtriesen für bis zu 10.000 Passagiere stecken. Von 3.000 Jobs soll mehr als jeder dritte wegfallen. Über den Abbau von Jobs wird verhandelt.

Größte Segel-Yacht der Welt: Die «Sailing Yacht A» wird in Kiel für ein Wendemanöver aus dem Dock der Werft von «German Naval Yards» geschleppt. Foto: Christian Charisius/dpa

In Kiel trennt sich die Marinewerft German Naval Yards von 134 ihrer rund 500 Mitarbeiter. Der Grund: Die schlechte Lage der Werften, die durch Corona noch einmal schwieriger geworden sei. Und schon 2020 musste der deutsche Schiffbau hinnehmen, dass der größte Auftrag, den die Deutsche Marine je erteilt hat, ins europäische Ausland ging.

Damen Shipyards aus den Niederlanden hat die Federführung beim Bau von vier Fregatten für sechs Milliarden Euro. Die deutsche Werftengruppe Lürssen aus Bremen, die mit Standbeinen Megajachten und Marine ziemlich stabil dasteht, ist nur Juniorpartner.

IG-Metall: Werftindustrie und Zulieferer aktuell in einem kritischen Zustand

Die IG Metall Küste schlägt Alarm, sie sieht Werftindustrie und Zulieferer aktuell in einem kritischen Zustand. „Die Substanz bröckelt und geht verloren“, sagte Bezirksleiter Daniel Friedrich der Deutschen Presse-Agentur.

„Wir laufen Gefahr, dass wir unter die kritische Grenze kommen, wenn wir zu viele Betriebe und Beschäftigte verlieren. Das würde dazu führen, dass die Branche nicht mehr so unterstützt wird, wie es der Schiffbau verdient hätte.“

Mitarbeiter beobachten, wie ein Neubau auf der Stralsunder MV Werft eine Schiffbauhalle verlässt. Foto: Stefan Sauer/dpa-Zentralbild/dpa/dpa

Der Schiffbau hat lange Tradition an den deutschen Küsten, aber er ist schon lange keine große Branche mehr. Zwischen Emden im Westen und Wolgast im Osten zählten die 60 größeren Werften 2019 noch 20.300 Beschäftigte, so die Zahlen des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik (VSM). Mit Zulieferern bietet die Branche immerhin etwa 200.000 Arbeitsplätze. Und die Werften bauen nicht nur neue Schiffe; auch Wartung, Reparaturen und Umbauten sind ein wichtiges Geschäft.

Technisch gelten deutsche Schiffe als Spitze

Technisch gelten deutsche Schiffe, gerade die Kreuzfahrtschiffe, als Spitze. „Die erfolgreiche Entwicklung im Kreuzfahrtbereich hat zum Teil verdeckt, wie viel Substanz wir im deutschen Schiffbau in den vergangenen Jahren verloren haben“, sagt VSM-Geschäftsführer Reinhard Lüken aber. Ausgefeilte Technik ist teuer, und das ist eins der Probleme des deutschen Schiffbaus.

Die anderen: Die deutschen Werften sind im internationalen Vergleich klein. Sie sind hoch spezialisiert und sehr abhängig von staatlichen Aufträgen. Und es gibt fünf norddeutsche Landesregierungen plus den Bund, die jeweils ihre eigene Industriepolitik bei den Werften betreiben.

Eigentlich sei der deutsche Schiffbau seit Jahrzehnten in der Krise, sagt der Experte und ehemalige Professor für maritime Wirtschaft in Bremen, Ulrich Malchow. Der serienweise Bau von Tankern, Containerschiffen oder Fähren sei schon lange in billigere Länder abgewandert. „Der deutsche Schiffbau ist schon sehr dezimiert, er besteht eigentlich nur noch aus Kreuzfahrtschiffen, Jachten und grauen Schiffen“ – gemeint ist die militärische Marine.

Patrouillenboote, die eigentlich für Saudi-Arabien bestimmt sind, liegen auf dem Werftgelände der zur Lürssen-Werftengruppe gehörenden Peene-Werft. Foto: Stefan Sauer/dpa/dpa

Marineschiffbau kriselt nach Auftragsverlust noch mehr

Auch wenn die Corona-Krise vor allem die Kreuzfahrtschiffbauer trifft, ist das drängendste Strukturproblem der Marineschiffbau. „Im ganzen Bereich der Marine haben wir keine Klarheit, wie man gemeinsam die Zukunft gestalten will“, sagte IG-Metall-Bezirkschef Friedrich. Das habe die Vergabe des Mehrzweckkampfschiffs MKS-180, mittlerweile Fregatte F126 genannt, in die Niederlande gezeigt.

Bei Marineschiffen sind der Größe nach ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) in Kiel und Emden, die Bremer Lürssen-Gruppe mit Blohm+Voss in Hamburg und German Naval Yards in Kiel (GNY) die wichtigsten Akteure. Nach den Problemen beim Fregattenauftrag kündigten Lürssen und GNY 2020 ein Zusammengehen beim Überwasserschiffbau an. Seitdem ist von dem Vorhaben aber nichts mehr zu hören. TKMS hat ein etwas anderes Profil, ist im Bau von U-Booten stark und deswegen vergleichsweise glimpflich durch die Krise gekommen.

Besatzungsmitglieder stehen auf der Werft von ThyssenKrupp Marine Systems in Kiel bei der Übergabe eines neuen U-Bootes an die Marine der Arabischen Republik Ägypten auf dem Boot „S-41“. Foto: Carsten Rehder/dpa/dpa

Ein Zusammenschluss hätte nach Malchows Einschätzung Vorteile: „Man wird sich untereinander keine Konkurrenz mehr machen und auf dem internationalen Markt besser dastehen.“ Die Gegenfrage laute: „Will der Bund nur noch einen Anbieter haben?“

Faktisch sind die drei Werftengruppen an fast allen Bauprogrammen der Marine beteiligt, sei es federführend oder als Zulieferer. Der übers Land verteilte Bau erlaubt ein schnelleres, paralleles Arbeiten. Aber dahinter steht auch industriepolitischer Proporz.

Werften hoffen auf Staatsaufträge

Für die Bundesregierung sei eine starke und zukunftsfähige maritime Wirtschaft mit breiter Wertschöpfung in Deutschland ein zentrales Anliegen, sagt der Koordinator für die maritime Wirtschaft, Norbert Brackmann. Er ist überzeugt, dass die maritime Wirtschaft schon in diesem Jahr vom Wiederaufbau der Weltwirtschaft profitieren kann. „Die Schifffahrt trägt wesentlich zur Sicherung des Welthandels bei und damit auch der Schiffbau.“ Globale Warenströme ließen sich nur über die Meere organisieren.

Der Bund habe im Juni 2020 eine Milliarde Euro für die Unterstützung der maritimen Wirtschaft und die Modernisierung der Schifffahrt in Deutschland bereitgestellt. Beschaffungen würden vorgezogen. „So sollen temporäre Auftragseinbußen überbrückt und die wirtschaftliche Lage der Unternehmen aus allen Bereichen der maritimen Branche verbessert werden.“ Seit 2020 gilt außerdem der Bau von Über- wie Unterwasserschiffen der Marine als nationale Schlüsseltechnologie. Aufträge müssen nicht unbedingt europaweit ausgeschrieben werden.

Werft im Hamburger Hafen:  Foto: Marcus Brandt/Archiv/dpa

In der Krise warten aber alle Werften auf einen kommenden Großauftrag für Hunderte Millionen Euro, den Neubau der „Polarstern II“. Einmal ist die Ausschreibung des Forschungsschiffes gescheitert. Nun steht sie wieder an; und jede Werft und jede Landesregierung ist überzeugt, dass die „Polarstern II“ bei ihr am besten aufgehoben wäre. (dpa)



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