Deutsche-Bank-Chef Sewing: Politische Instabilität und schwache Arbeitsmoral bedrohen Wettbewerbsfähigkeit

Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing äußerte sich beim Bankengipfel in Frankfurt kritisch zur politischen Instabilität und den Herausforderungen des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Er warnte vor einem wachsenden Misstrauen internationaler Investoren und forderte dringend Reformen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
Deutsche-Bank-Chef Sewing warnt nach den Landtagswahlen in Ostdeutschland vor Folgen für den Standort Deutschland. (Archivbild)
Deutsche-Bank-Chef Sewing warnt nach den Landtagswahlen in Ostdeutschland vor Folgen für den Standort Deutschland. (Archivbild)Foto: Arne Dedert/dpa
Von 5. September 2024

Sorgenvoll äußerte sich der Vorstandschef der Deutschen Bank, Christian Sewing, am Mittwoch, 4. September, beim Bankengipfel des „Handelsblatts“ in Frankfurt am Main. Er bedauerte nicht nur, dass die Wahlergebnisse von Sachsen und Thüringen die politische Stabilität infrage stellten. Diese sei „stets eines der stärksten Argumente, um hier zu investieren“, gewesen.

Aber auch bezüglich der Qualität des Standorts zeigt sich der Spitzenmanager alarmiert. Der Rest der Welt, so Sewing, blicke „schon seit einiger Zeit immer skeptischer auf Deutschland“. Dies sei nachvollziehbar, denn „mit einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 28 Stunden pro Woche und einer Rente mit 63“ werde Deutschland es nicht schaffen, wettbewerbsfähig zu bleiben.

Kritik an Arbeitszeiten: „Deutschland verliert an Wettbewerbsfähigkeit“

Woher Sewings Darstellung rührt, die durchschnittliche Wochenarbeitszeit in Deutschland habe diesen Wert erreicht, ist ungewiss. Dem Statistischen Bundesamt zufolge lag diese 2023 bei 34,7 Stunden – was erheblich unter dem europäischen Durchschnitt von 37, aber immer noch über jenem der Niederlande mit 31,3 Wochenstunden liegt.

Den höchsten Durchschnitt an wöchentlichen Arbeitsstunden wies im Vorjahr Serbien auf. Bei der Einordnung dieser Zahlen ist zu berücksichtigen, dass mit steigendem Teilzeitanteil unter allen Beschäftigten der Durchschnittswert sinkt. Über die Zahl der Beschäftigten als solche sagt dieser nichts aus. Vor allem unter Frauen ist Teilzeitarbeit in vielen Ländern der EU weit verbreitet.

Die sogenannte Rente mit 63 ist Personen, die heute im Arbeitsprozess stehen, mittlerweile auch nicht mehr zugänglich. Wer vor 1953 geboren war und eine Versicherungszeit von 45 Jahren aufwies, konnte mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen. Für später Geborene greift eine schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters. Derzeit können besonders langjährig Versicherte des Jahrgangs 1960 mit 64 Jahren und vier Monaten ihre Rente in Anspruch nehmen.

Sewing sieht „Zweifel an Leistungsfähigkeit und Leistungswillen“

Der Chef der Deutschen Bank sieht Probleme nicht nur im Bereich der Reformfähigkeit. Sewing sieht Investoren „insbesondere immer mehr an unserer Leistungsfähigkeit und unserem Leistungswillen zweifeln“ – und das sei „alarmierend“.

In seinem Redebeitrag auf dem Bankengipfel äußerte er, eine Chance auf eine Rückkehr zum Wachstum erst dann wieder zu sehen, wenn sich in Deutschland die Einstellung zur Arbeit ändere. Die Menschen müssten bereit sein, „sicherlich anders, aber insgesamt mehr und wieder härter zu arbeiten“. In einem ersten Schritt müsse sich die deutsche Durchschnittsarbeitszeit wieder dem EU-Durchschnitt annähern.

Allerdings müsse es auch Reformen geben, die Unternehmen bessere Bedingungen und Beschäftigten einen höheren Lebensstandard ermöglichten. Dazu gehörten günstigere Energie, ein Bürokratieabbau, staatliche Zurückhaltung bei Regulierungen sowie Verbesserungen bei Infrastruktur und Finanzierungen.

Europa dürfe es auch nicht riskieren, seine Bedeutung als Finanzplatz zu verlieren. Frankfurt am Main müsse als Zentrum der europäischen Finanzindustrie gestärkt werden. Europa werde, und das müssten die Banken unterstreichen, „ohne eine starke Finanzindustrie in dieser geopolitischen Lage noch mehr Schwierigkeiten bekommen“.

Sewing nicht als nicht einziger Wirtschaftsvertreter besorgt

Neben Sewing äußern noch weitere Vertreter der deutschen Wirtschaft Sorge über den Zustand des Landes. In „Bild“ wirft Hamburgs BDI-Chef Andreas Pfannenberg der Politik Zauderei und Konzeptlosigkeit vor. Die Energiepreise vertrieben immer mehr produzierende Unternehmen aus Deutschland.

Die USA hätten es einfach, Konzerne wie Aurubis durch Strompreisgarantien dazu zu bewegen, ihre Werke dort zu errichten. In Deutschland sehe die Entwicklung anders aus:

„Internationale Konzerne sagen, sie investieren nicht mehr in ihre deutschen Werke. Einheimische Unternehmen verlagern [ihre] Produktion ins Ausland. Das kann der Tod unserer Industrie sein.“

Eine sichere und bezahlbare Energieversorgung sei die größte Herausforderung für das Land, betonte Pfannenberg. Dies müsse über den Strompreis und die Netzentgelte geschehen. Gleichzeitig müsse man in den Regierungsetagen begreifen, dass ideologische Ansätze nicht funktionieren:

„Die Politik hat beschlossen, alles auf erneuerbare Energien zu setzen. Okay, aber man kann doch nicht gleichzeitig alle grundlastfähigen Kraftwerke abschalten und sagen, wir sehen mal, ob das klappt.“

„Ohne FDP wäre Schuldenquote noch höher“

Eine Energiewende könne nur gelingen, wenn Kohle und Gas für den Übergang erhalten blieben. Auch China baue auf erneuerbare Energien und produziere damit sogar Stahl und Aluminium. Allerdings gebe das Regime der Industrie auch Planungssicherheit, indem es auf einen Strommix setze und neue Kernkraftwerke baue.

Die Ampel in Deutschland sei hingegen am Ende. Immer mehr Sozialleistungen und immer mehr Klimaschutz würden nicht mehr funktionieren. Es sei „Zeit, alles über den Haufen zu werfen und die Themen anzupacken, die drängen“. Die Liberalen in der Regierung sieht Pfannenberg als Glücksfall:

Wenn die FDP nicht in der Regierung wäre, weiß ich nicht, mit welcher Schuldenquote wir inzwischen dastehen würden.“



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion