Das große Gastro-Sterben: Erwartete Insolvenzwelle betrifft über 15.000 Betriebe

Ab Anfang 2024 soll in der Gastronomie wieder der Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent gelten. Nach Energie- und Corona-Krise kann das jetzt für fast 15.000 Kneipen, Cafés und Restaurants das endgültige Aus bedeuten – das sind 13 Prozent aller Gastrobetriebe.
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Leere Kassen, leere KneipenFoto: istock Halfpoint
Von 27. November 2023

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Ab Anfang 2024 soll in der Gastronomie wieder die Mehrwertsteuer auf Speisen auf 19 Prozent erhöht werden. Ursprünglich wurde der niedrigere Satz von 7 Prozent während der Corona-Krise als Unterstützungsmaßnahme für die gebeutelte Branche eingeführt und anschließend noch einmal verlängert. Bei dieser Verlängerung gab Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) – damals noch als Kanzlerkandidat – sein Wort, an das er sich jetzt nicht mehr erinnert:

Bei einem Auftritt in der ARD-Wahlarena im September 2021 versprach der damalige Kanzlerkandidat: „Ich will Ihnen gerne versichern: Ich habe dieser Verlängerungsentscheidung und der Einführung zugestimmt in dem sicheren Bewusstsein, das schaffen wir nie wieder ab.“ Das sei etwas, was in der Gastronomie jetzt gelten solle, beteuerte der SPD-Politiker.

Was eine erneute Mehrwertsteuererhöhung für die Gastronomiebetriebe bedeuten könnte, erläuterte Dr. Frank Schlein, Deutschland-Geschäftsführer des Informationsdienstleisters CRIF, bei der Präsentation einer aktuellen Untersuchung zum Thema: „Die Anhebung der Mehrwertsteuer wird vor allem für bereits finanziell angeschlagene Gastronomiebetriebe die Lage weiter verschärfen.“

15.069 Restaurants, Gaststätten und Cafés insolvenzgefährdet

Mitte November galten nach einer veröffentlichten CRIF-Auswertung 15.069 Restaurants, Gaststätten, Imbisse und Cafés in Deutschland als insolvenzgefährdet. Das entspricht 12,6 Prozent der fast 120.000 analysierten Gastronomiebetriebe. Im August waren es noch 11,9 Prozent. Im Januar 2020 – vor der Corona-Pandemie – lag die Zahl insolvenzgefährdeter Gastronomiebetriebe demnach bei 12.662 oder 10,7 Prozent.

Basis für ihre Analyse sind der CRIF vorliegende Informationen von knapp 120.000 Gastronomieunternehmen zu ihrer Finanzlage. Dazu zählen unter anderem Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen oder auch Mahnverfahren und Inkassoüberwachungen, aber auch Mitarbeiter- und Umsatzzahlen sowie Zahlungserfahrungen.

Berliner Kneipen Spitzenreiter

Ein Blick auf die regionalen Zahlen zeigt, dass das Insolvenzrisiko bei Unternehmen aus der Gastronomie in Berlin am höchsten ist. Dort gelten 16,5 Prozent beziehungsweise 1.369 der Gastronomieunternehmen als insolvenzgefährdet. Auf die Hauptstadt folgen Bremen (16,2 Prozent der Gastronomen insolvenzgefährdet; 144), Nordrhein-Westfalen (14,6 Prozent; 3.199), Sachsen-Anhalt (14 Prozent; 560) und Hamburg (13,3 Prozent; 412). Das geringste Insolvenzrisiko haben derzeit Unternehmen aus der Gastronomie in Bayern (10,5 Prozent; 1.956) und Rheinland-Pfalz (10,5 Prozent; 693) sowie in Mecklenburg-Vorpommern (10,6 Prozent; 331).

Mecklenburg-Vorpommern muss mit 11,5 Prozent allerdings den deutlichsten Anstieg des Insolvenzrisikos im Vergleich zu August 2023 verkraften und ist damit Spitzenreiter im Deutschlandvergleich. Im Deutschlanddurchschnitt gab es einen Anstieg um 6 Prozent (seit August 23) an gastronomischen Betrieben, die von Insolvenz bedroht sind.

Aus Mecklenburg-Vorpommern soll die Branche jetzt auch Unterstützung bekommen. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) will sich im Bundesrat für eine Fortsetzung der Mehrwertsteuersenkung einsetzen und kündigte ein Veto in der Länderkammer an. Die Branche habe wegen der Pandemie schwere Zeiten durchgemacht und nun mit hohen Energie- und Lebensmittelpreisen zu kämpfen, deshalb habe sie kein Verständnis für die Mehrwertsteuererhöhung.

Zweiteilung im Überlebenskampf der Branche

CRIF-Deutschland-Geschäftsführer Dr. Frank Schlein ergänzt noch die Gründe für das erwartete Gastrosterben durch „steigende Inflation, höhere […] Arbeitskosten sowie den wachsenden Trend des Home-Office“: Dieser führe zu weniger Gelegenheiten für Mittagspausen und weniger Besuchen in Restaurants oder Cafés, erklärt Schlein. Jetzt komme auch noch die Anhebung der Mehrwertsteuer hinzu: „Das könnte zu mehr Insolvenzen in der Gastronomie führen“, prognostiziert Schlein. Vor allem für finanziell bereits angeschlagene Gastronomiebetriebe werde sich die Lage weiter verschärfen.

Er  bescheinigt der Gastronomiebranche in ihrer Krise eine deutliche Zweiteilung: „Unternehmen, die sich in einer stabilen finanziellen Lage befinden, haben ihre Widerstandsfähigkeit weiter gestärkt. Hingegen sehen sich Gastronomiebetriebe, die bereits zuvor mit Problemen zu kämpfen hatten, vermehrt mit der Gefahr der Insolvenz konfrontiert.“

Hohe Dunkelziffer

Für das gesamte Jahr 2023 prognostiziert CRIF derzeit in der Gastronomie 1.600 Insolvenzen und damit 36,5 Prozent mehr als 2022. Diese Steigerung spiegelt einen Trend seit der Corona-Zeit wider, den die Onlineplattform Statista.de in Zahlen fasst: Während im Januar 2020 deutschlandweit insgesamt 12,4 Prozent der gastronomischen Unternehmen insolvenzgefährdet waren, waren im Januar 2022 bereits 16,2 Prozent der Betriebe in Gefahr. Das ist eine Steigerung um circa ein Drittel.

Bei der aktuellen Prognose sind nicht die bereits pleitegegangenen Gastrobetriebe mitgezählt oder die Dunkelziffer all jener, die in diesen Zeiten still ihr Café, ihre Kneipe oder ihr Restaurant aufgegeben haben oder noch aufgeben werden, ohne Insolvenz anzumelden.



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