Das Flatrate-Fahrrad – Neue Verleihmodelle aus Holland
Mal wieder spät dran. Schnell das Rad aus dem Keller wuchten, aufspringen und… was ist das? Ein platter Reifen im falschen Moment, sehr ärgerlich.
Zumal das Rad in den kommenden Wochen voraussichtlich nutzlos in der Ecke verstaubt, denn Zeit für eine Reparatur ist knapp und nervige Arbeiten schiebt man ja gerne mal auf die lange Bank.
Zwei Start-ups aus Holland nehmen sich auch in Deutschland diesem Problem an. Ihr Ansatz: Eine Fahrrad-Flatrate. Für einen monatlichen Festbetrag können die Kunden die Räder nutzen solange sie wollen, als wären es ihre eigenen. Geht was kaputt, rückt ein Team aus, das das Rad vor Ort repariert oder gegen ein neues austauscht.
Das Unternehmen Swapfiets hat mit diesem Abo-Modell innerhalb eines Jahres in Deutschland nach eigenen Angaben rund 10.000 Kunden in 15 Städten gewonnen. Vor wenigen Tagen öffnete das Start-up eine erste Filiale in München. Ende April soll in Berlin ein weiterer Hauptstandort hinzukommen. „Wir wollen den Kunden alle Ärgernisse und Schwierigkeiten abnehmen, die mit dem Besitz eines Rades einhergehen“, sagt Mitgründer Richard Burger, „so dass sie nur noch die Vorteile haben“.
Ende 2014 hat der 27-Jährige Swapfiets gemeinsam mit zwei Mitstudenten im holländischen Delft gegründet. Inzwischen sind sie neben ihrem Heimatland und Deutschland auch in Belgien und Dänemark vertreten. Die Räder werden in Zusammenarbeit mit dem holländischen Fahrradbauer Gazelle produziert.
Bislang hat Swapfiets international nur einen größeren direkten Wettbewerber: das ebenfalls holländische Start-up VanMoof, das seine hochwertigen, mit GPS-Sendern ausgestatteten E-Bikes und Räder schon seit einigen Jahren selbst baut und für mehrere Tausend Euro verkauft. „Vor einem Jahr haben wir unser Geschäftsmodell geteilt“, sagt Sprecherin Karlijn Marchildon.
Seitdem können Kunden VanMoof-Räder auch per Abo nutzen, wenn auch zu deutlich höheren Preisen als bei Swapfiets, deren Räder dafür weniger aufwendig gestaltet sind. Dank GPS verspricht VanMoof zudem, gestohlene Räder in kurzer Zeit wiederzufinden. „Mittlerweile machen die Abonnenten rund 60 Prozent unserer Kundschaft aus“, sagt Marchildon. In Deutschland ist VanMoof bisher nur in Berlin vertreten.
Mit ihrem Abo-Modell besetzen die beiden Start-ups eine Nische im schwer umkämpften Leihradmarkt in Deutschland. Per App bieten die dort etablierten Unternehmen wie Nextbike oder Deutsche Bahn Fahrräder für die letzte Meile, als Ergänzung zum öffentlichen Nahverkehr. Mit dem Handy schließen die Nutzer das Rad auf, nutzen es auf einer kurzen Strecke und stellen es dann wieder ab.
„Das ist natürlich ein anderes Geschäftsmodell“, sagt Nextbike-Sprecherin Mareike Rauchhaus. „Ein Abo-Rad für den dauerhaften Gebrauch ist ja etwas anderes als die kurzfristige Ausleihe eines Rades an unterschiedlichen Orten.“ Aus ihrer Sicht konkurrieren Swapfiets und VanMoof eher mit dem stationären Fahrradhandel.
Dort spürt man die neuen Wettbewerber bislang aber noch nicht. Ein eigenes Rad zu besitzen, scheint nach wie vor hoch im Kurs: Der warme Sommer und der Boom bei E-Rädern bescherten der gesamten Branche nach Angaben des Verbands des Deutschen Zweiradhandels im vergangenen Jahr ein Umsatzwachstum von bis zu 10 Prozent.
Auf die Idee, Räder per Abo zu vermieten, scheint dort deshalb noch niemand gekommen zu sein. „Einige Händler stellen ein Ersatzrad zur Verfügung im Fall von längeren Reparaturen“, sagt Verbandssprecher Hans-Peter Obermark. Als Geschäftsmodell lasse sich das aber noch nicht beobachten. Swapfiets-Mitgründer Burger rechnet damit, dass sich das mit Blick auf den eigenen Erfolg schnell ändern wird.
Bis dahin muss Swapfiets zusehen, angesichts der hohen Investitionen in Deutschland auch hierzulande profitabel zu werden. Auf dem holländischen Heimatmarkt sei dies zuletzt erstmals gelungen, sagen die Verantwortlichen.
Eine Rolle dürfte für Swapfiets und VanMoof dabei auch spielen, wie glaubwürdig sie ihr Nachhaltigkeitsversprechen einlösen. Denn der Leihradbranche schlägt viel Skepsis entgegen. Das liegt vor allem daran, dass der chinesische Leihradanbieter Obike im vergangenen Jahr die Münchner Straßen über Nacht mit Tausenden Billigrädern flutete. Die Gefährte wurden zerstört oder in die Isar geworfen. Angesichts der ebenfalls in den Startlöchern stehenden Anbieter von E-Scootern dürfte die Skepsis nicht geringer geworden sein. (dpa)
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