CO₂-Grenzsteuer: Wie die EU die Inflation treibt und sich weltweit Feinde macht

Seit Oktober ist die CO₂-Grenzsteuer CBAM in der EU in Kraft. Brüssel will damit den Import von Gütern mit ungünstigerer Klimabilanz verteuern. Teurer werden hingegen Autos und Baumaterial für Verbraucher. Zudem schafft sich Brüssel weltweit Feinde. Eine Analyse.
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Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (l.) und die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen (r.), während des Gipfeltreffens zwischen der EU und der Gemeinschaft der Staaten Lateinamerikas und der Karibik (CELAC) in Brüssel am 17. Juli 2023.Foto: Jean-Christophe Verhaegen/AFP via Getty Images
Von 16. Oktober 2023

Seit 1. Oktober gilt in der EU der sogenannte Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM). Dieses auch als Klimazoll oder CO₂-Grenzsteuer bekannte System stellt eine Steuer dar, die Brüssel von Importeuren aus Drittländern erhebt. Grundlage dafür sei der CO₂-Ausstoß, den die importierten Produkte bei ihrem Herstellungsprozess verursachen. Brüssel will damit Nachteile für EU-Unternehmen verhindern, die aus der eigenen radikalen Klimapolitik herrühren. Verbraucher müssen höhere Preise befürchten – und im Ausland ruft die CO₂-Grenzsteuer Irritationen hervor.

CO₂-Grenzsteuer soll Verlagerung der Produktion unattraktiver machen

Der CBAM wird, wie das „Handelsblatt“ berichtet, erst am 1. Januar 2026 vollständig wirksam. Der Mechanismus betrifft alle Importe aus Nicht-EU-Ländern, die in bestimmte Kategorien fallen. Dazu zählen Aluminium, Eisen, Stahl, Zement, Düngemittel, Elektrizität, Wasserstoff sowie einige vor- und nachgelagerte Produkte in reiner oder verarbeiteter Form.

All diese Sektoren fallen unter das Emissionshandelssystem der EU, die durch politische Vorgaben die damit verbundenen Preise immer höher treibt. Bereits jetzt führt dies neben anderen Faktoren wie Energiekosten dazu, dass Unternehmen ihre Produktion in Länder mit günstigeren Produktionsbedingungen verlagern. Die CO₂-Grenzsteuer soll diese Verlagerungen nun unattraktiver machen.

Perspektivisch will sich die EU dadurch auch stabile eigene Steuereinnahmen verschaffen. Bis 2026 soll es vorerst bei umfassenden Dokumentationspflichten bleiben. Unternehmen sollen ihre direkten und indirekten Emissionen im Importprozess berechnen. Zudem sollen sie vierteljährlich deklarieren, ob und welchen CO₂-Preis sie im Ausfuhrland bezahlt haben.

Polen will Regelung noch vor dem EuGH kippen

Im Ausland wird die CO₂-Grenzsteuer schon jetzt als klassische protektionistische Maßnahme wahrgenommen, die vor allem Konsumenten in Europa selbst trifft. Die „Financial World“ verweist auf eine Schätzung der US-amerikanischen Boston Consulting Group (BCG). Diese geht davon aus, dass der durchschnittliche Neuwagenpreis beim derzeitigen Steuersatz von 82,90 Euro pro Tonne Kohlenstoff um 580,30 Euro steigen werde. Dieser soll bereits in den kommenden Jahren noch weiter steigen.

Die Automobilherstellung sei besonders betroffen, weil Stahl, Zement und Aluminium dort eine bedeutende Rolle spielen. Zudem müssen die Automobilhersteller selbst bereits im Zuge der Produktion Emissionsrechte erwerben, die sie einpreisen müssen.

Auch die Baubranche wird mit steigenden Materialkosten zu rechnen haben, die bereits jetzt zum Stillstand in diesem Bereich beitragen. Innerhalb der EU hatte vor allem Polen Widerstand gegen die Regelung geübt und vor dem EuGH geklagt. Die Energiekostensteigerungen, so heißt es dort, liefen dem Grundsatz der Energiesolidarität entgegen. Zudem wäre es erforderlich gewesen, über die Maßnahme im Wege der Einstimmigkeit zu entscheiden.

Klagen vor der WTO ab 2026 zu erwarten

Ab 2026 könnten betroffene Länder auch vor der WTO gegen die CO₂-Grenzsteuer klagen. Von diesem Moment an gehen die Konsequenzen über die Dokumentationspflichten hinaus und es wären potenzielle Schäden nachweisbar.

Brüssel droht dann eine Niederlage, sollte die WTO zu der Einschätzung kommen, dass die EU in verschiedenen Ländern unterschiedliche Steuersätze für identische Produkte erhebt oder inländische Produkte gegenüber ausländischen bevorzugt.

Als Architekt der CO₂-Grenzsteuer in der EU gilt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Die EU solle damit zur „Bekämpfung der Erderwärmung in der ganzen Welt“ beitragen. Außenminister Jean-Yves Le Drian versicherte dabei, dass die CO₂-Grenzsteuer „nicht auf Protektionismus hinausläuft“ und nicht-europäische Produzenten nicht diskriminieren werde.

Lateinamerika zeigte Europäern die kalte Schulter

In Afrika, Asien und Lateinamerika sieht man dies anders. Afrika ist in vielen Bereichen von fossilen Energieträgern abhängig und es spricht wenig dafür, dass sich dies zeitnah ändern wird. Europäische Ermahnungen zu einem Verzicht auf fossile Energieträger kommen dort nur bedingt gut an. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass die EU im Zeichen des Ukraine-Krieges in Afrika selbst um Erdgas gebettelt hatte.

Die lateinamerikanischen Mercosur-Staaten hatten der EU jüngst eine Abfuhr erteilt, als es darum ging, ein Zusatzprotokoll zum angestrebten Freihandelsabkommen zu unterzeichnen. Darin sollten sich diese zu „nachhaltigem Umwelt- und Klimaschutz“ bekennen. Vor allem zielte dies auf den Umgang mit der Bewirtschaftung des Regenwaldes ab. Darüber hinaus wollte man eine Verurteilung des „russischen Angriffskrieges“ vonseiten der lateinamerikanischen Länder erwirken.

Vor allem Brasilien machte deutlich, sich diesen Forderungen nicht beugen zu wollen. Viele weitere Länder des Globalen Südens sehen dies ähnlich. Dort nimmt man die umwelt- und klimapolitischen Forderungen der Europäer als Vorwand wahr, sich in die Souveränität anderer Staaten einzumischen. Das klimapolitische Sendungsbewusstsein der EU könnte auch mögliche Freihandelsabkommen mit Indien, den Philippinen, Thailand und Indonesien gefährden.

Sogar das IPCC sieht die CO₂-Grenzsteuer kritisch

China und die USA könnten die CO₂-Grenzsteuer ihrerseits sogar für handelspolitische Vergeltungsmaßnahmen nutzen. Aber auch die Türkei und arabische Staaten könnten am CBAM Anstoß nehmen.

Sogar im Weltklimarat (IPCC) sieht man in der CO₂-Grenzsteuer eine Benachteiligung von „Ländern mit weniger finanziellen und Human-Ressourcen“. Dies sei umso problematischer, als die Emissionen der betreffenden Länder nur einen Bruchteil der europäischen betrügen, äußerte bereits 2021 Vizepräsident Youba Sokona.

Timothy Gore vom Institute for European Environmental Policy teilte Sokonas Bedenken. Er wies unter anderem darauf hin, dass viele afrikanische Länder stark vom Aluminiumexport abhängig seien. Entsprechend wären sie auch in überdurchschnittlichem Maße von der CO₂-Grenzsteuer betroffen.



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