Chinas Anti-Sanktionsgesetz führt zu globaler Zwickmühle für Unternehmen
Die deutschen Unternehmen, die mit China handeln, aus China Vorprodukte beziehen oder einen Standort im Reich der Mitte aufgebaut haben, stecken in einer Zwickmühle. Und nicht nur die deutschen.
Befolgen sie die internationalen Sanktionen gegen China, dann müssen sie in China mit einer Klage, Sanktionen und Schadenersatzforderungen rechnen.
Setzen sie die Sanktionen nicht um, drohen Strafen nach internationalem Recht.
Was ist geschehen?
Im März 2020 verhängten in einer koordinierten Aktion die EU, die USA, Kanada und das Vereinigte Königreich Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen.
Peking antwortete darauf mit einem Anti-Sanktionsgesetz, welches die kommunistische Führung am 10. Juni 2021 beschlossen hat. Das Gesetz wurde vom Ständigen Ausschuss des 13. Nationalen Volkskongresses nach nur zweimaliger Lesung (drei sind üblich) verkündet. Am 20. August tagte der Ständige Ausschuss erneut zu dem Gesetz. Anlass dessen war die mögliche Ausweitung der Gültigkeit auf Hongkong und Macao.
Mit 16 Artikeln soll das neue Gesetz der KP Chinas die rechtliche Grundlage für Vergeltungsmaßnahmen gegen „diskriminierende, restriktive Maßnahmen“ bilden. Dazu zählt Peking alle Maßnahmen, die sich hauptsächlich gegen China richten – darunter auch Beschränkungen zur Ausfuhrkontrolle. Im Gesetz heißt es unter anderem:
Artikel 12: Keine Organisation oder Einzelperson darf diskriminierende, restriktive Maßnahmen ausländischer Staaten gegen Bürger oder Organisationen in China durchführen oder an deren Durchführung mitwirken. Wenn Organisationen und Einzelpersonen gegen die Bestimmungen des vorstehenden Absatzes verstoßen und die rechtmäßigen Rechte und Interessen unserer Bürger und Organisationen verletzen, können unsere Bürger und Organisationen vor dem Volksgerichtshof Klage erheben, um zu verlangen, dass sie den Verstoß einstellen und den Schaden ersetzen.
Anders gesagt: Jedes Individuum oder Unternehmen kann künftig rechtlich belangt werden, wenn es gegen China gerichtete Sanktionen umsetzt.
Das China-Netzwerk Baden-Württemberg weist darauf hin: Alle von den Behörden auf Basis dieses Gesetzes getroffenen Entscheidungen sind endgültig und können weder von den Behörden noch von den Gerichten überprüft werden.
Ein Damoklesschwert
„Die 16 Artikel lesen sich wie eine einzige Warnbotschaft an westliche Unternehmen, die es wagen, sich der Fuchtel der Kommunistischen Partei zu widersetzen“, schrieb das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Es sei zudem so vage formuliert, dass es je nach Belieben von der Staatsmacht Pekings ausgelegt werden kann. „Das bloße Befolgen von EU-Menschenrechtsstandards kann also automatisch zum Rechtsbruch in China führen.“
Das Anti-Sanktionsgesetz bedeute, dass Unternehmen Gefahr laufen, „zwischen die Mühlsteine zu geraten“, wie es Wolfgang Niedermark aus der Geschäftsführung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie formulierte. „Alle Aktivitäten im Ausland, die im Widerspruch mit Chinas wirtschaftlichen und politischen Interessen stehen, werden dadurch zum Minenfeld erklärt“, zitierte ihn die „Welt“.
Auch die EU sieht das neue Gesetz mit Sorge. Es könnte bedeuten, dass Unternehmer ihre Geschäfte in China aufgeben müssen. „Europäischen Firmen und ihren chinesischen Tochterunternehmen droht eine Situation, wo sie nur noch vor der Wahl stehen, entweder gegen chinesisches Recht zu verstoßen oder gegen westliche Sanktionen“, warnte Luisa Santos, stellvertretende Generaldirektorin des europäischen Arbeitgeberverbands Business Europe.
Es sei ein „Damoklesschwert für jedes Unternehmen, das in und mit China Geschäfte macht“, erklärt Niedermark.
Boykott von H&M, Adidas und Nike
Schon vor dem Anti-Sanktionsgesetz gab es Boykottaktionen Chinas als Reaktion auf die Sanktionen der internationalen Gemeinschaft. Die USA sind das erste Land, das wegen Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang Sanktionen gegen China verhängt hat – im Juli 2020.
Im Dezember 2020 veröffentlichte BBC eine Untersuchung, wonach China Hunderttausende Minderheiten, darunter auch Uiguren, zur Zwangsarbeit auf den Baumwollfeldern in Xinjiang zwingt. Im Januar 2021 verkündete die Trump-Regierung dann ein Importverbot für Baumwolle aus Xinjiang sowie für alle Produkte, die aus diesen Materialien hergestellt werden.
Xinjiang produziert etwa ein Fünftel der weltweiten Baumwolle. International ist die Region, die so groß ist wie Deutschland, Frankreich und Spanien zusammen, vor allem bekannt für ihren diktatorischen Umgang mit den Uiguren. Die Parteiführung in China bestreitet die Existenz von Haftlagern in der Provinz Xinjiang und behauptet, dass es sich bei den Lagern um „Berufsbildungszentren“ oder „Umerziehungszentren“ handelt, mit denen die Uiguren aus Armut befreit werden sollen.
Menschenrechtsorganisationen zufolge sind dort jedoch über eine Million Uiguren und andere Muslime eingesperrt. Es wird von Folter, Zwangsarbeit und sexuellem Missbrauch gesprochen.
Die Bekleidungsindustrie – allen voran Hersteller wie H&M, Adidas und Nike – nahmen sich daraufhin ihre Lieferketten vor und untersuchten, wo sie Vorprodukte aus Xinjiang einsetzen.
H&M und viele andere Hersteller arbeiten mit der „Better Cotton Initiative“ (BCI, Genf) zusammen. Die BCI ist eine Initiative zur Förderung nachhaltig produzierter Baumwolle. BCI hat die Zertifizierung von Baumwolle aus Xinjiang gestoppt, weil wegen der Vorwürfe von Zwangsarbeit und anderen Menschenrechtsverletzungen eine saubere Zertifizierung nicht mehr möglich sei.
Daraufhin brachte die Jugendorganisation der Kommunistischen Partei Chinas eine landesweite Boykott-Kampagne gegen westliche Bekleidungshersteller in Gang. Die erste Zielscheibe war die schwedische Firma H&M. Auch deutsche Hersteller wie Adidas und Puma sowie zahlreiche andere westliche Marken wie Zara und Nike sind unter Beschuss geraten.
Allein das erste Quartal 2021 brachte H&M Verluste in Höhe von rund 105 Millionen Euro. Der Umsatz in China sank im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 23 Prozent. China ist für das Modeunternehmen der drittwichtigste Markt.
Die Boykottkampagne war offensichtlich eine Antwort auf die Sanktionen der EU, Großbritannien, den USA und Kanada. Auffallend dabei war: Die kommunistische Parteiführung in China hat sich nicht getraut, sich direkt mit den USA anzulegen und nahm stattdessen die schwedische Modekette H&M ins Visier.
Mit der Verabschiedung des Anti-Sanktionsgesetzes stecken die Unternehmen tatsächlich in einer Zwickmühle. Sollen sie internationalen Maßstäben folgen und die Einhaltung der Menschenrechte fordern? Oder fügen sie sich den chinesischen Vorgaben und werden von anderen Staaten sanktioniert?
Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion