Habeck schafft Voraussetzung für Enteignung von Energieunternehmen
Mit einer Novelle des Energiesicherungsgesetzes will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Deutschland auf den Fall einer schweren Energiekrise vorbereiten. Das berichten die Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Mittwochsausgaben). Der Gesetzentwurf sieht demnach unter anderem vor, dass das Bundeswirtschaftsministerium im Krisenfall Unternehmen, die kritische Energie-Infrastruktur betreiben, unter treuhänderische Verwaltung stellen oder im Extremfall sogar enteignen kann.
Die treuhänderische Verwaltung kann durch das Ministerium angeordnet werden, „wenn die konkrete Gefahr besteht, dass ohne eine Treuhandverwaltung das Unternehmen seine dem Funktionieren des Gemeinwesens im Sektor Energie dienenden Aufgaben nicht erfüllen wird und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht“, heißt es im Gesetzentwurf.
Das Ministerium soll dies für sechs Monate entscheiden können, eine mögliche Verlängerung um weitere sechs Monate ist vorgesehen. Eine Enteignung soll möglich sein, wenn eine Treuhandverwaltung nicht ausreicht, um die Versorgungssicherheit zu garantieren. Diese Option sei allerdings die „ultima ratio“, heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs.
„In Fällen, in denen eine Treuhandverwaltung oder ein anderes milderes Mittel, wie ein alternativer Erwerb nicht geeignet erscheinen, kann eine Enteignung auch unmittelbar erfolgen“, heißt es in der Formulierungshilfe. Auch könne eine Enteignung erfolgen, wenn die Treuhandverwaltung ihren Zweck nur erfüllen könnte, wenn sie auf Dauer angelegt wäre.
Weitere Regulierungen im Krisenfall
Zur Vorbereitung auf den möglichen Fall eines Gas-Lieferstopps aus Russland will das Ministerium eine digitale Plattform einführen, auf der sich große Industrieunternehmen und Gashändler registrieren müssen. Auf Grundlage ihrer Daten soll im Ernstfall entschieden werden, wo Gas eingespart werden kann, und Abschaltungen sollen auch digital umgesetzt werden.
Im „Interesse der Versorgungssicherheit“ soll es im Krisenfall zudem schwieriger werden, Energieverträge zu kündigen. Energieversorgungsunternehmen, die ihre Kunden kündigen wollen, weil diese in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind oder gar insolvent, müssten sich das nach der Novelle von der Bundesnetzagentur genehmigen lassen. Auch eine Stilllegung von Gasspeicheranlagen soll dem Entwurf zufolge künftig unter Vorbehalt durch die Bundesnetzagentur stehen.
Die Ressortabstimmung zur Novelle wurde am Dienstag eingeleitet, hieß es aus Kreisen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Das BMWK rüste sich weiter und stärke mit den Plänen die Vorsorge im Bereich Energiesicherheit für den Fall einer etwaigen Verschärfung der aktuellen Lage.
Das Energiesicherungsgesetz stammt aus dem Jahr 1975 und war damals eine Reaktion auf die Ölkrise. Es ermöglicht der Exekutive über Rechtsverordnungen Eingriffe, um die Versorgung sicherzustellen. Schon eine Vorgängerversion hatte als Maßnahmen zum Energiesparen die autofreien Sonntage und Tempolimits möglich gemacht. Diese Optionen enthält das Gesetz weiterhin.
Beschränkungen für private Gasnutzer möglich
Unterdessen spricht sich Bundesnetzagenturchef Klaus Müller für den Fall einer Gasnotlage gegen den uneingeschränkten Schutz der Verbraucher gegenüber Unternehmen aus. „Diese Regelung wurde zu einem Zeitpunkt getroffen, zu dem niemand die Fantasie hatte, die wir seit dem 24. Februar haben“, sagte er der Wochenzeitung „Die Zeit“. Nun sei der uneingeschränkte Schutz für private Verbraucher schwer vermittelbar.
„Insofern finde ich eine Diskussion darüber legitim“, so Müller. Allerdings rechnet er nicht mit einer schnellen Lösung: „Ob es realistisch ist, jetzt europäische Gesetze zu ändern, wage ich aber zu bezweifeln. Darum ist es so viel wichtiger, was jetzt in der Frühwarnstufe oder in einer Alarmstufe passiert.“
Für den Fall einer Gasnotlage erwartet Müller Beschränkungen des Gasverbrauchs einzelner Privatpersonen bis hin zum Verbot von Saunen und Beschränkungen für große Singlewohnungen. „Ich glaube, dass das in einer Gasnotlage auf gar keinen Fall mehr zu rechtfertigen wäre“, sagte er der Wochenzeitung.
„Falls weitere Gräueltaten wie in Butscha ans Licht kommen, wird es Debatten über weitere Sanktionspakete geben. Falls das eskalieren sollte und die Bundesregierung die Alarmstufe ausrufen müsste, dann wäre die Zeit, Maßnahmen zu beschließen und den Verbrauch einzelner Privatpersonen zu beschränken.“
Müller ruft zum Gas-Sparen auf
Müller kritisierte überdies die Sorglosigkeit der Bevölkerung. „Nicht nur die Unternehmen, auch die Bevölkerung betrachtet die jetzige Situation nicht mit der angemessenen Ernsthaftigkeit.“ Man sehe zwar die Ereignisse in der Ukraine, man spende, es gebe Solidarität: „Aber im privaten Gasverbrauch sehe ich das nicht abgebildet.“
Im Falle einer Versorgungskrise kommt der Bundesnetzagentur eine zentrale Rolle bei der Koordinierung zu. Derzeit bereitet sich die Behörde nach eigenen Angaben intensiv auf mögliche Szenarien vor und sammelt Informationen aus der Industrie, um im Notfall über Abschaltungen entscheiden zu können. Vertreter der Bundesregierung rufen schon seit Wochen dazu auf, möglichst viel Energie zu sparen. (dts/red)
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